
Wenn sie nicht freihändig über Hindernisse hechten, reißen sie sieben Meter über dem Erdboden ihre Räder um die eigene Achse. Und doch: Abgehoben sind Jonas Gnirß und die Zwillinge Vinzent und Valentin Raimann mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil: Die drei jungen Männer, die mehrmals pro Woche am Ortsausgang von Rielasingen-Worblingen über die Sandhügel des Dirt Park heizen, zeigen sich beim Gespräch mit dem SÜDKURIER überaus bescheiden.

„So ein Backflip sieht schwerer aus, als er eigentlich ist“, sagt Valentin Raimann und meint damit den Rückwärtssalto, den er gerade mit einer lässigen Landung beendet hat. Dirt Biken, jene Sportart, bei der Mountainbiker auf möglichst spektakuläre Weise durch die Luft wirbeln, könne jeder lernen.
Gut, vielleicht kann es nicht schaden, schwindelfrei zu sein – schon der Start erfordere ja, dass man sich eine fast senkrechte Rampe hinunterstürzt. „Und man braucht eine gewisse Koordination“, steuert Jonas Gnirß bei.
„Vielleicht darf man auch nicht ganz so schmerzempfindlich sein“, ergänzt Valentin Raimann und zeigt auf seine etwas angeschwollenen Knöchel. „Das passiert, wenn einem beim Üben von Tricks der Rahmen zu oft gegen das Bein stößt“, erklärt er und schmunzelt.

Knochenbrüche gab es bei den Raimanns und Gnirß noch nicht. Die schlimmsten Verletzungen, die sie sich zugezogen haben, sind Bänderrisse – trotz oder vielleicht gerade weil alle bereits viele Jahre Bike-Erfahrung mitbringen.
Adrenalin in den Genen
Den Zwillingsbrüdern aus Radolfzell ist die Leidenschaft fürs Zweirad vom Vater vererbt worden. Genau wie der 20 Jahre alte Jonas Gnirß, der in Worblingen wohnt, starteten die beiden 22-Jährigen ihre ersten Bike-Abenteuer am Schiener Berg. „Dort geht es natürlich nur bergab“, beschreibt Vinzent Raimann. „Die Sprünge am Schiener Berg sind weit und flach. Beim Dirt Biken geht es dagegen um möglichst hohe Sprünge und ausgefallene Tricks.“
Die Ausgangsbasis können die Biker im wahrsten Sinne des Wortes eigenhändig gestalten. „Den Sand für die Hindernisse kriegen wir von der Gemeinde aufgeschüttet, den Rest übernehmen wir. Mit Schubkarren und Händen“, sagt Jonas Gnirß.
Gebaut wird meist an Regentagen
Seit drei Jahren sorgt eine etwa zehnköpfige Gruppe dafür, dass die Sprunghügel auf dem Dirt Park stetig erweitert werden. Und auch wenn Gnirß und die Raimann-Brüder von allen Beteiligten vielleicht am meisten Zeit und Mühe investieren – häufig nutzen sie Regentage, um ihre Hindernisse zu gestalten – teilen sie ihre Spielwiese gerne.
Die Szene sei freundschaftlich verbunden, erzählen die jungen Männer. Vielleicht auch weil der nächste Park dieser Art erst wieder in Stuttgart zu finden ist, bekommen sie öfters Anrufe von anderen Bikern, die man auf Contests (englisch: Wettbewerben) kennengelernt hat.
„Wir freuen uns immer, wenn andere sich für das interessieren, was wir hier gebaut haben“, sagt Valentin Raimann.
Beim gemeinsamen Austesten der Strecken könne man sich gegenseitig Tricks abschauen. „Anschließend sitzen alle an der Feuerstelle zusammen und lassen den Abend bei ein paar Bier ausklingen.“
Der Höhepunkt steht noch aus
Das größte Zusammentreffen der europäischen Bikerszene findet dann jedes Jahr um Silvester in Barcelona statt, berichten die drei jungen Sportler. Ob das in diesem Dezember trotz Corona-Krise klappt? „Wir drücken die Daumen“, meint Vinzent Raimann. Aber selbst, wenn sie dieses Mal im Hegau bleiben müssen: Langweilig wird es den drei Bikern sicher nicht werden.
Zur Sache
Bei Dirt Bikes, wie sie Jonas Gnirß und die Brüder Valentin und Vinzent Raimann auf dem Fahrradpark nahe Rielasingen-Worblingen verwenden, handelt es sich um stabile Mountainbikes mit kleinerem Rahmen. Diese Sporträder eignen sich besonders für spektakuläre Sprünge und die anschließenden Landungen aus mehreren Metern Höhe. Ein Sponsor der Raimann-Brüder ist Zweirad Joos.
Bilder und Videos der drei Extremsportler auf Youtube und Instagram, jeweils unter: „Bignuggetjumps“, mehr zum Fotografen Joachim Schwarz unter: http://www.blackphotographygermany.com