Marla Hanenberg

Irgendwas mit Medien, Menschen oder doch Technik? Nach dem erfolgreichen Schulabschluss stellt sich die Frage: Was nun? Soll es eine Ausbildung oder lieber ein Studium werden oder geht's vielleicht erst einmal ins Ausland? Vor dieser Frage stehen auch die Schüler der Ekkehard-Realschule aus Singen – und das schon in der neunten Klasse. Denn in Deutschland gibt es im Moment etwa 9500 Studiengänge an verschiedenen Hochschulen, sowie etwa 350 Ausbildungsberufe. Diese erst einmal alle zu recherchieren beziehungsweise zu durchleuchten, scheint unmöglich. Die Auswahl ist so groß, man hat die Qual der Wahl und im Endeffekt ist eine zu große Auswahl nicht unbedingt hilfreich.

Die Realschule verlassen die Schüler in aller Regel schon mit 16 Jahren, durch G8 haben Gymnasiasten bereits mit 17 oder 18 Jahren das Ende der Schulzeit erreicht. Viele Schulen geben sich Mühe, die Schüler in ihrer Berufswahl zu unterstützen, jedoch sind sie in ihren Möglichkeiten begrenzt. "Ich würde gerne noch früher mit der Berufsorientierung der Schüler anfangen. Ich denke, sie sind nie zu jung, um sich damit zu beschäftigen, und ein Jahr reicht ihnen für die Entscheidung nun mal nicht aus", betont Petra Ringmann, die für die Organisation der Berufsorientierung an der Ekkehard-Realschule verantwortlich ist.

"Ich würde gerne noch früher mit der Berufsorientierung der Schüler anfangen. Ich denke, sie sind nie zu jung, um sich damit zu ...
"Ich würde gerne noch früher mit der Berufsorientierung der Schüler anfangen. Ich denke, sie sind nie zu jung, um sich damit zu beschäftigen", betont Petra Ringmann. Sie ist als Lehrerin an der Ekkehard Realschule für das Bors-Projekt verantwortlich. | Bild: Marla Hanenberg

Die Schule setzt auf das Projekt "Bors". Bors erstreckt sich über zwei Jahre und beinhaltet alle möglichen Aktionen rund um die Berufsorientierung: Unter anderem zwei Praktika und eine Bewerberwoche mit Knigge-Kurs und fiktiven Bewerbungsgesprächen. Diese werden von Mitarbeitern der Personalabteilungen Singener Unternehmen gestaltet. Vor den Bewerbungsgesprächen stellen die Schüler eine Bewerbungsmappe zusammen. "Diese Bewerbungsgespräche sind oftmals die einzige Chance für Schüler, so eine Situation mit einer fremden Person zu üben. So kann man ihnen zumindest ein bisschen die Nervosität nehmen", berichtet Oliver Müller, Inhaber des Unternehmens Hegau-Werbetechnik. Er ist einer der Unternehmer, die die Bewerbungsgespräche mit den Schülern durchführen. Anna-Maria Kabusreiter-Beck, frühere Ingenieurin – heute selbstständig als Coach – übernimmt schon seit Jahren den Bewerbungs-Knigge-Kurs der Schüler und zeigt ihnen, wie man sich bei Vorstellungsgesprächen verhält.

"Durch die Bewerbungsgespräche kann man den Schülern schon etwas die Nervosität nehmen", ist Oliver Müller, Inhaber der Firma ...
"Durch die Bewerbungsgespräche kann man den Schülern schon etwas die Nervosität nehmen", ist Oliver Müller, Inhaber der Firma Hegau-Werbetechnik, überzeugt. | Bild: Marla Hanenberg

Sieglinde Tomansky, Mitarbeiterin der Stadt Singen im Bereich Schule und zuständig für die Kooperation von Schule und Wirtschaft, übernimmt einen großen Teil der Organisation bei der Bewerberwoche, die in allen Werk- und Realschulen in Singen eingeplant wird. Sie selbst führt dann Bewerbungsgespräche mit den Schülern und bittet weitere Unternehmen, dasselbe zu tun. Auch hilft sie den Schülern bei der Suche nach Praktikums- oder Ausbildungsplätzen. "Es ist eine Win-Win-Situation, den Schülern wird bei der Entscheidung für einen Beruf geholfen und die Unternehmen können eventuell Auszubildende für sich gewinnen", so Tomansky. Die Ekkehard-Realschule sei ein Paradebeispiel, wie man die Schüler in der Berufsorientierung unterstützen kann. Nicht nur durch Bors, sondern auch durch die jährlichen Besuche der Job-Days und die Beteiligung am Tag des offenen Handwerks bekommen die Schüler einen Einblick in das Berufsleben. "Das Besuchen der Job-Days ist für mich Standard. Immer wenn ich die Möglichkeit habe, gehe ich mit der neunten und zehnten Klasse hin", betont Petra Ringmann.

"Es ist eine Win-Win-Situation. Den Schülern wird bei der Entscheidung für einen Beruf geholfen und die Unternehmen können eventuell ...
"Es ist eine Win-Win-Situation. Den Schülern wird bei der Entscheidung für einen Beruf geholfen und die Unternehmen können eventuell Auszubildende für sich gewinnen", sagt Sieglinde Tomansky, Beauftragte der Stadt Singen für die Kooperation Schule/Wirtschaft. | Bild: Marla Hanenberg

Das wird dadurch bestätigt, dass die meisten Schüler auch schon einen konkreten Wunschberuf haben. Ein 15-jähriger Schüler erzählt: "Ich möchte Mechatroniker werden, mein Praktikum dort hat mir Spaß gemacht." Ein anderer Schüler ist sich seines Berufs als Lehrer schon sicher. Auch alle anderen befragten Schüler sehen Bors als sinnvoll und hilfreich an, auch wenn es etwas Arbeit fordert. Das einzige Problem sehen die Schüler darin, sich einen Überblick über die Masse an Möglichkeiten zu verschaffen. Dazu nutzen sie meistens das Internet oder sprechen direkt Auszubildende auf Messen oder im Praktikum an. Der Allgemeinheit der Schüler ist am wichtigsten, dass sie Spaß bei der Arbeit haben: "Ich will nicht jeden Morgen aufwachen und denken, dass ich lieber krank mache, als zur Arbeit zu gehen." Das Gehalt muss für die meisten nicht riesig sein, sollte aber zum Leben reichen. Unterstützung erfahren sie hauptsächlich von den Eltern oder Freunden, in diesem Fall ist auch die Ekkehard Realschule selbst eine große Stütze.

Was ist Bors?

Bors steht für Berufsorientierung an Realschulen. Es findet seit mehr als 30 Jahren an Realschulen in Baden-Württemberg statt. Das Projekt wird in der neunten Klasse durchgeführt, da sich die Schüler schon kurz darauf für eine weiterführende Schule oder einen Ausbildungsberuf entscheiden müssen. Behandelt werden dazu im Unterricht die Themen Bewerbungsschreiben und Lebenslauf. Es folgt die Bewerbung und ein Praktikum sowie die Erstellung einer Praktikumsmappe, die benotet wird. So sollen die Schüler in der Berufswahl unterstützt werden. Weitere Hilfestelllungen für die Berufsorientierung der Schüler stehen den Schulen frei. (mha)