Kann man in Zeiten des Terrors überhaupt noch unbeschwert auf Weihnachtsmärkte gehen? – Diese Frage stellen sich nicht nur Städtereisende, die in diesen Tagen die besondere Adventsstimmung genießen wollen. Der Aspekt der Sicherheit spielt ein Jahr nach dem Anschlag durch Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz in allen deutschen Städten eine große Rolle.
Auch wenn sich die Menschen die Freude an den stimmungsvollen Märkten nicht nehmen lassen wollen, so findet doch im Hinterkopf eine Sicherheitsabwägung statt. In der Hauptstadt wie im südlichsten Zipfel Deutschlands loten die Besucher von Weihnachtsmärkten auf der Suche nach einem geeigneten Ziel ihr persönliches Risiko aus. Die Frequenz hat das bisher nicht geschmälert. Ob auf dem Markt vor dem Berliner Schloss Charlottenburg, auf dem Kunsthandwerkermarkt am Gendarmenmarkt, dem skandinavischen Weihnachtsmarkt an der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg oder dem berühmten Nürnberger Christkindlemarkt; die Menschen strömen ungeachtet der vom Bundesinnenministerium diagnostizierten „anhaltend hohen Gefährdungslage in Deutschland“ in Scharen auf die Märkte, wo sie sich mit Freunden oder Arbeitskollegen zum Punsch treffen. Das ist auch im Hegau und in Konstanz nicht anders.
„Bisher war alles total friedlich. Wir hatten weder in Singen, noch in Konstanz irgendwelche Vorkommnisse“, sagt Polizeisprecher Bernd Schmidt und schiebt gleich hinterher: „Wir hoffen, dass es so bleibt.“ Und so haben die Kommunen zusammen mit den Veranstaltern, privaten Sicherheitsdiensten und der Polizei individuelle Sicherheitskonzepte ausgearbeitet. Dazu gehören auch Betonpoller oder -klötze. In Konstanz gebe es jeden Tag Sicherheitsbesprechungen. „Wir sind verstärkt unterwegs“, sagt Schmidt. „Sowohl uniformierte, als auch zivile Fußstreifen gehen auf die Märkte.“ Im Visier haben sie dabei auch Taschendiebe. Offenbar trägt die verstärkte Wachsamkeit zur Vertrauensbildung bei. Frank Schuhwerk von der Firma Event-Promotions, die den Singener Hüttenzauber auf dem Rathausplatz veranstaltet, zeigt sich jedenfalls hocherfreut über den Besucherzustrom. „Bis zum vergangenen Sonntag hatten wir ein perfektes Marktwetter, und die Stimmung ist sehr gut“, sagt er. Die Frequenz sei nach wie vor sehr gut. Von Ängsten habe er bei den Gästen nichts gespürt.
Sicherheit in Singen und in der Umgebung
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Die VorbeugungSeit Jahren bemüht sich die Stadt Singen um ein realistisches Bild von der Sicherheitslage im öffentlichen Raum. Bei Befragungen hatte sich herausgestellt, dass das subjektive Unsicherheitsgefühl der Bürger nicht mit den Zahlen aus der Kriminalstatistik korrespondiert. In der Konsequenz heißt das, dass vor allem ältere Menschen sich besonders in den Abendstunden in der Innenstadt unsicher fühlten. Die Stadt hat eine Kriminalpräventionsstelle eingerichtet, die zahlreiche Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Polizei koordiniert, um die Sicherheit zu erhöhen. Ein Video-Überwachungsversuch am Bahnhof und in der August-Ruf-Straße wurde wieder beendet, die Polizeipräsenz in den Einkaufsstraßen aber erhöht. Bei öffentlichen Großveranstaltungen wie zum Beispiel zur Fasnacht werden individuelle Sicherheitskonzepte mit den Veranstaltern erarbeitet. (gtr)
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Die bisherige BilanzAuch die anderen Weihnachtsmärkte in den Städten und Gemeinden des Hegaus, die fast durchweg schon veranstaltet wurden, sind wie bisher in Singen friedlich verlaufen. Beim größten Weihnachtsmarkt im Hegau, mit über einhundert Ständen in Engen, war auch eine Streife der Polizei unterwegs. Die Menschen freuten sich bei den Märkten überwiegend an der vorweihnachtlichen Stimmung, ohne Gefühle der Unsicherheit. (bit)
Auf die leichte Schulter nehmen die Veranstalter die latente Gefahr nicht, auch wenn Schuhwerk die Wahrscheinlichkeit, dass auf den Singener „Hüttenzauber“ ein Anschlag verübt werden könnte, als eher gering einstuft. Betonklötze, die ein Fahrzeug bremsen könnten, wurden unter Tannengrün versteckt und verkleidet. Die privaten Sicherheitskräfte werden je nach Anlass aufgestockt. „Wir wissen, wann es besonders voll wird.“ Am Rande des Marktes hat eine Polizeistreife das Geschehen im Blick. Viel massiver ist dagegen das Polizeiaufgebot mit Hundertschaften an den Eingängen der Hauptstadt-Märkte. Dort ist neben der Vorsicht auch eine gewisse Nervosität zu spüren.
Frank Schuhwerk und sein Kollege Thomas Spörrer sind auch in London auf Weihnachtsmärkten präsent. Auch dort wird die Gefahr höher eingestuft. London sei ein attraktiveres Terrorziel als Singen, sagt Schuhwerk. Entsprechend seien dort die Sicherheitsvorkehrungen der Gefahrenlage angepasst.

Weitgehend unberührt davon sind die zahlreichen Weihnachtsmärkte in den Hegaugemeinden, die ihre Stände meistens nur für einen Tag aufbauen. Kurt Stadlbauer vom Hilzinger Kunst- und Kulturverein hat im Hilzinger Ordnungsamt nachgefragt, was er beachten müsse, wenn die Vereine am Sonntag, 17. Dezember, zwischen 10 und 18 Uhr den Weihnachtsmarkt hinterm Rathaus und in der Remise veranstalten. Von dort kam Entwarnung. „Wir haben die Auskunft erhalten, dass wir keine verstärkten Sicherheitsmaßnahmen ergreifen müssen“, sagt Stadlbauer. Trotzdem hat er im Freundes- und Bekanntenkreis um etwas mehr Wachsamkeit gebeten. Seit 2011 gibt es in Hilzingen einen Weihnachtsmarkt mit Kunsthandwerk und Kulinarischem.