Nach viereinhalb Stunden Beratung stand am Dienstag fest: Singen soll das größte Einkaufszentrum weit und breit bekommen. Der Gemeinderat stimmte mit 26 zu drei Stimmen bei einer Enthaltung dem ECE-Center zu. Die Unterstützung fiel damit eindeutig aus. Auch OB Häusler votierte mit Ja. Beschlossen wurde einstimmig, dass die Bürger am 17. Juli bei einem Bürgerentscheid über das Projekt selbst abstimmen sollen. Vor der Entscheidung hatten mehrere Experten die Ergebnisse zahlreicher Gutachten umfangreich geschildert. Rund 80 Zuschauer verfolgten die Reden geduldig.
Wichtige Punkte der Gutachten waren die Erkenntnisse, was passieren würde, wenn das Center nicht gebaut werden würde. Andreas Schuder von der Firma Stadt + Handel erklärte, dass dann der Holzerbau stehen bliebe. Karstadt sei ein Wackelkandidat und vor allem die Nebenlagen würden bluten. Dort gebe es heute schon einen Abwärtstrend bei den Geschäften. In den nächsten fünf bis zehn Jahren würde sich das dann verstärken.
Jörg Lehnerdt von der Beratungsfirma BBE erklärte, das Center sei „eine der wenigen Chancen, große und zukunftsfähige Filialisten“ anzulocken. Singen sei eine „C-Stadt“ für Investoren und gehöre nicht zu den Top-40-Städten in Deutschland. Mit einer „Käseglocke“ werde es nicht funktionieren. Singen könne „die Konstanzer Altstadt nicht nachmachen und liegt auch nicht am See“, meinte Lehnerdt. Deshalb sei das ECE „eine Chance für Singen“.
Probleme mit dem Verkehr werde es nicht geben, betonte Wolfgang Wahl von der Planungsfirma Rapp-Trans. Berechnungen hätten ergeben, dass die Belastung mit dem ECE nur um zehn Prozent zunehmen werde. Das entspreche 250 zusätzlichen Autos pro Tag.
So stimmten die Räte über das ECE ab:
Für die CDU erklärte Veronika Netzhammer, dass Singen Einkaufspotenzial habe, das noch nicht ausgeschöpft werde. ECE liege im Zentrum der Stadt. Der städtebauliche Missstand des Holzerbaus werde beseitigt. Jede Investition tue der Stadt gut. „Eine Stadt, in die investiert wird, hat Zukunft“, sagte Netzhammer. Die Chancen würden überwiegen.
Walafried Schrott als Sprecher der SPD erklärte, die Stadt und der Rat hätten „mit offenen Karten gespielt“. Viele Center seien besichtigt worden. Gutachten seien immer auch Momentaufnahmen. Singen habe sich auf eigene Kosten Fachleute geleistet, um die Situation zu analysieren. Geholfen habe, dass die „neutrale Instanz Regierungspräsidium Ja gesagt hat“. „ECE braucht die Innenstadt und die Innenstadt braucht ECE“.
Für die Freien Wähler erklärte Hubertus Both, dass seine Fraktion gespalten sei, „aber nicht zerrissen“. Sein Vertrauen in Gutachten sei erschüttert, angesichts katastrophaler Beratungspannen bei Klinik und GVV. „Wenn ECE kommt, wird sich die Stadt verändern“, sagte Both. „ECE wird Erfolg haben, da habe ich bestes Vertrauen. Doch die Folgeschäden werden wir alle tragen müssen.“
Dirk Oehle als Sprecher der Neuen Linie sagte, „Singen ist top. Wir müssen uns aber verändern, um gut zu bleiben oder besser zu werden“. Die Stadt müsse voran schauen. „Konstanz hat die Hosen voll, dass wir ihnen etwas wegnehmen“, erklärte Oehle. Holzerbau und Bahnhofsplatz könnten gelöst werden. ECE sei der „vielleicht beste Investor“.
Eberhard Röhm (Grüne) hatte kritische Worte parat. „Ich habe große Bedenken, dass die Konzepte der Vergangenheit für die Zukunft gut sind." 8500 zusätzliche Fläche für Bekleidung im Center sei „eine Schock-Therapie“ für den Handel. Der Gemeinderat sei „nicht der Schutzpatron des Einzelhandels“. Singen werde es ohne ECE besser gehen. Röhms grünen Fraktionskolleginnen stimmten für das Center.
Peter Hänssler (FDP) sagte, er sei froh, dass der Stadtrat die Entscheidung nicht alleine schultern müsse, sondern die Bürger mit abstimmen lasse. Singen werde noch stärker in die Region ausstrahlen, wenn ECE komme. Der Konkurrenzkampf werde allgemein härter. „Es wird ganz sicher Leerstände im Handel geben.“ Klaus Forster als Gegner betonte, das Center sei „uns übergestülpt worden“. Es sei ein „Auslaufmodell“. Wem das Center zu groß sei, müsse gegen das Projekt stimmen.
So geht es weiter
Nach der Ratsentscheidung im Bebauungsplanverfahren ist die wichtigste Hürde genommen. Der Gemeinderat muss zwar noch drei weitere Male in verschiedenen Verfahren abstimmen, aber die Grundrichtung – pro ECE – ist nun klar. Der Konstanzer Gemeinderat berät noch, ob er gegen die Singener Pläne rechtlich klagen wird. ECE stellt am Mittwoch seine Pläne näher vor und die Bürgergruppen pro und contra informieren am Freitag.