Eisig pfeift der Wind den Besuchern aus Stuttgart um die Ohren: Singens Hausberg Hohentwiel ist bei der Landesregierung zum Sorgenkind geworden. Die Ruine ist für Besucher gesperrt, weil sich Steinbrocken aus dem Fels lösen, und das Naturschutzprojekt Beweidung steht auf der Kippe, weil die Schafhaltung am Berg mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen hat.
Doppelter Unglücksfall
Der Ausnahmezustand ist für Michael Thonnet und Hanne Pföst von der Hohentwiel-Domäne zum Normalfall geworden: Erst kostet ein Unglücksfall über 50 Schafen und Lämmern das Leben, als sie von einem Zug erfasst wurden, nur wenige Monate später wird der große Schafstall ein Raub der Flammen.
Lediglich ein Viertel des abgebrannten Stalls kann im Moment noch genutzt werden. Darin können die männlichen Jungtiere untergebracht werden. Die Lämmer und Ihre Mütter sind im unteren Stall.

Schäfer übernehmen wichtige Funktion im Naturschutz
Frostig ist auch die Ertragssituation für die Domänenpächter. Auch ohne solche Widernisse sei das Leben als Schafzüchter kein Leichtes, weiß Thilo Herbster vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) im Kreis Konstanz: „Dabei ist dieser Einsatz ein wichtiger Baustein im Naturschutzkonzept“, betont er. Der Aufwand, derartige Naturschutzflächen in Steillagen zu pflegen sei immens. „Das ist hartes Brot für eine Schäferei.
Ohne öffentliche Unterstützung liegt der Stundenlohn deutlich unter der Mindestlohngrenze“, erklärt Herbster. Schäfer zu sein, sei ein Job für Liebhaber. Bei der Beweidung des Berges würden die Schafe und Ziegen der Domäne zudem nicht nur als ökologische Rasenmäher wirken, die für den Naturschutz bedeutsame Pflanzen wie Ysop oder Disteln stehen lassen, sondern nebenbei die Magerwiesen düngen. „Das schafft auch Nahrungsplätze für bedrohte Insektenarten“, ergänzt die Grünen-Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger, die den Termin mit Staatssekretärin Gisela Splett, der Parteifreundin aus dem Finanzministerium, in Singen eingefädelt hat.

Wiederaufbau des Stalls derzeit noch offen
Noch ist aber offen, wann die abgebrannten Teile des Stalls wieder aufgebaut werden können. Nachdem die Brandursache nicht geklärt werden konnte, übernehme die Versicherung den Schaden. Doch die Planung des Neubaus ist abhängig von den Genehmigungsbehörden. Denkmal- und Naturschutz reden mit. „Das Verfahren wird ergebnisoffen durchgeführt, Vorschläge der Pächter werden berücksichtigt“, erklärt Wehinger und hofft mit den Domänen-Pächtern, dass der kommende Winter nicht zu nass ausfällt. Dann ist die Unterbringung der Schafe teils draußen, teils in den verbliebenen Ställen gewährleistet. „Auf der Domäne wird für den Natur- und Landschaftsschutz durch die Beweidung des Geländes mit Schafen und Ziegen eine sehr wertvolle Arbeit geleistet“, so Wehinger. Es sei deshalb wichtig, dass der Neubau des Schafstalls zügig vorangeht und die Schafe wieder optimal untergebracht werden können.

Immerhin: „Der Auftrag an die Firma, die alles was verbrannt ist, abholt, ist vergeben“, berichtet Thonnet beim Besuch der Regierungsvertreterin. Jetzt müsse abgewartet werden, bis das beauftragte Unternehmen kommt, um die Brandreste abzutransportieren. Derweil werde ein Konzept erarbeitet, um den Neuaufbau umzusetzen. Staatsekretärin Gisela Splett signalisierte Unterstützung. Das Interesse der Landesregierung sei groß, den Betrieb der Domäne zu erhalten. Der Hausberg ist ja auch ein Leuchtturm für den Naturschutz. „Aber ein ordentlicher Plan muss her.“

Behörden ist Bedeutung des Hohentwiels für Singen bewusst
Dass die Zeit drängt, betonte Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler einmal mehr. Auch wenn es natürlich darum gehe, die Formalitäten öffentlicher Ausschreibungen einzuhalten, dürfe nicht vergessen werden, dass der Berg eine besondere Bedeutung für die Stadt habe. Sein Appell: Zügig eine Lösung zur Zukunftssicherung finden. Die Domäne dürfe in dieser Situation nicht alleine gelassen werden. „Der Neubau des Schafstalles muss zügig angegangen werden“, so Häusler.
Splett sicherte als zuständige Regierungsvertreterin des Landesbetriebes Vermögen und Bau Baden-Württemberg zu, dass man mit den zuständigen Fachbehörden in Kontakt stehe und sich der Dringlichkeit der Lage bewusst sei. So können Michael Tonnet und Hanne Pföst zuversichtlich nach vorne schauen: Sie wären schon froh, wenn der neue Stall bis Ende nächsten Jahres stehen würde.
Dass der Hohentwiel auch anderweitig im Fokus der Landesregierung stehe, merkte Splett am Rande an: Die imposante Burgruine sei ein vorrangiges Projekt der Digitalisierung im Arbeitsbereich der staatlichen Schlösser und Gärten. Ein virtueller Rundgang entstehe derzeit. Auch deshalb sei es wichtig, dass nach dem neuerlichen Felssturz die Schäden am Fangzaun schnell beseitigt werden, um die Aufnahmen für den virtuellen Rundgang bald abschließen zu können. Alle Beteiligten hoffen deshalb auf einen baldigen Einsatz des Spezialteams aus Würzburg und, dass ein früher Wintereinbruch, der die Reparaturarbeiten weiter verzögern würde, ausbleibt. „Das käme uns nicht gelegen“, so Splett.
Was passiert war
Ende Juli ist es an der Domäne Hohentwiel zu einem Großbrand gekommen. Dabei wurden eine Lagerhalle, Geräte, Fahrzeuge sowie zahlreiche Heu- und Strohballen in Schutt und Asche gelegt.
Der Gesamtschaden des Brands wird von der Polizei auf mehr als eine halbe Million Euro geschätzt. Thonnets gut 500 Schafe sind aktuell in den Überresten des Stalls und andernorts untergebracht.
Das war der zweite Schicksalsschlag für Thonnet innerhalb eines Jahres: Erst im vergangenen Jahr wurden 53 seiner Schafe von einem Zug überrollt und getötet. (sk)