Hunger im Bauch, aber kein Bargeld – und dann am Dönerimbiss abgewiesen. So ging es SÜDKURIER-Redakteurin Isabelle Arndt kürzlich, was sie in einer Glosse zum Thema machte – das offensichtlich einen Nerv traf. Der Text hat einige Reaktionen hervorgerufen. Auf dem Facebook-Profil der Singener SÜDKURIER-Redaktion gab es zum Beispiel ironische Mitleidsbekundungen, den Ratschlag, einfach einen Rucksack mit Essen und Trinken mitzunehmen, oder den altbekannten Spruch „Nur Bares ist Wahres“. Ein Facebook-Nutzer befürchtete, nach der Abschaffung des Bargelds gläsern zu werden, weil man die Kartenzahlungen leicht nachvollziehen kann. Und den Hinweis darauf, dass bei Kartenzahlung ohnehin nur die Banken verdienen würden, den gab es auch. Aspekte, denen nachzugehen sich lohnt.

In der Tat sind es die Finanzen, die manch einen Händler kritisch über die Kartenzahlung denken lassen. Einer von ihnen ist Jörg Nothnagel, Apotheker und Inhaber der Apotheke am Berliner Platz in Singen. Er bietet Kartenzahlung nur für EC-Karten an. Die Anschaffung eines Kartenlesers sei nicht sehr teuer, gibt Nothnagel zu. Doch die laufenden Kosten sind für ihn das Thema.
Kartengebühren oder zwei Minijobber
Er listet auf: Fällig werden zum Beispiel eine monatliche Grundgebühr für den Kartenleser von 22 Euro sowie ein Fixbetrag von derzeit 8 Cent und eine Servicegebühr von 0,22 Prozent für jede Transaktion, die alle vom Händler getragen werden. Seinen eigenen Aufwand, um Kartenzahlung anzubieten, beziffert Nothnagel mit etwa 400 Euro im Monat. In einem Markt mit regulierten Preisen wie bei Medikamenten kann der Apotheker diese Beträge nicht an die Kunden weitergeben.
Dabei nehme die Apotheke keine Kreditkarten an, weil die Gebühren dafür noch höher wären: „Wenn ich 1000 Euro im Monat für Kartendienstleistungen ausgebe, könnte ich für diesen Betrag auch zwei Minijobber einstellen“, lautet seine Abwägung. Nothnagel möchte daher eine Lanze brechen für alle kleinen Händler, die versuchen, ihre Preise fair zu kalkulieren.

Ein Imbissbetreiber, der keine Kartenzahlung anbietet, ist Hakan Karapinar. Auch er verweist auf die Gebühren, die bei der Bank für die Transaktionen anfallen: „Bei einer Flasche Wasser für 2 Euro lohnt sich das nicht.“ Die wenigsten Kunden würden sich regelrecht beschweren, wenn sie in seinem Imbiss in der Scheffelstraße nicht mit Karte zahlen könnten, sagt Karapinar.
Für andere ist Kartenzahlung unausweichlich
Alexander Kupprion hat einen völlig anderen Blick auf die Kartenzahlung. Er ist Vorsitzender der Vereinigung der Singener Innenstadthändler City Ring. Unter den dort angeschlossenen Händlern sei die Kartenzahlung noch nie ein Diskussionsthema gewesen, sagt er. Und er geht davon aus, dass nahezu der ganze City Ring diese Bezahlmethode anbiete. „Wir fahren ja auch nicht mehr mit der Dampflok“, lautet seine Einstellung. In seinen Augen gebe es nur Punkte, die für Kartenzahlung sprechen.

Bei Sport Müller, dessen Geschäftsführer Kupprion ist, schätzt er den Anteil am Umsatz, der über Kartenzahlung gemacht wird, auf etwa 80 Prozent. Und da er die Sache ohnehin nicht zurückdrehen könne, könne er sich auch gleich Gedanken über die Zukunft des Bezahlens machen: „Zahlen mit dem Handy wird ein stärkeres Thema werden, da werden auch die Döner-Imbisse nicht drum herumkommen.“ Bei den Bäckern gehe das auch.
Das sagen die Banken: Auch Bargeld kostet Geld
Die Bäckereien führt auch Frank Lammering, Vorstandsmitglied bei der Sparkasse Engen-Gottmadingen, als Beispiel für die Zunahme von Kartenzahlungen an. Für sein Institut sei das zwar ein Randthema. Politisch sei die Kartenzahlung aber gewollt – denn nicht zuletzt gehen alle Zahlungen sauber auf einem Konto ein, Geldwäsche gehe dann nicht. Die Gebühren seien nach einer EU-Regelung im Jahr 2015 gesunken.
Der Bänker gibt zu bedenken: „Bargeldversorgung kostet auch Geld.“ Bei der Kontoführung sei sie sogar der größte Kostenpunkt. Gleichzeitig sei die Versorgung der Menschen mit Bargeld ein Daseinszweck von regionalen Geldhäusern, weshalb Lammering nicht unglücklich darüber ist, dass viele Menschen in Deutschland nach wie vor Bargeld wollen.
Die Sparkasse Hegau-Bodensee mit Sitz in Singen habe eine dreistellige Zahl von Händlern als Kunden, die ein von ihr vermitteltes Kartenlesegerät nutzen, schreibt Nico Winter, Assistent des Vorstandsstabes, auf Anfrage. Er gibt zu bedenken, dass man in Deutschland im Vergleich zu Skandinavien und manchen afrikanischen Ländern in puncto Kartenzahlung stark hinterherhinke. Doch er registriert wie seine Kollegen von anderen Banken und die Händler durch die Corona-Pandemie einen deutlichen Schub für die Kartenzahlung.
Warum Kartenanbieter Gebühren verlangen
Die Preisgestaltung hänge aber maßgeblich von den Kartenanbietern ab. Zur konkreten Höhe ihrer Kartengebühren machen die Banken keine Angaben und verweisen darauf, dass diese von vielen Faktoren abhänge und daher nicht pauschal beziffert werden können. Dass überhaupt Gebühren berechnet werden, begründet Winter damit, dass für die Abwicklung der elektronischen Zahlungen auch ein Kommunikationsnetz, Computersysteme und Sicherheitsupdates bereitgehalten werden müssen.
Bei der Volksbank mit Sitz in Villingen-Schwenningen und Offenburg, die ebenfalls im Hegau aktiv ist, biete der überwiegende Teil der Händler Kartenzahlung an, die meisten auch per Kreditkarte. Die Zahl der Karten-Bezahlungen habe sich auf hohem Niveau stabilisiert, so Matthias Fink, Leiter des elektronischen Bankings, und Bernd Münzer, Teamleiter der Zahlungsverkehrsberatung.
Sie geben zu bedenken, dass die Girocard im internationalen Vergleich bereits sehr günstig sei. Im Gegensatz zur Girocard, die von der Deutschen Kreditwirtschaft herausgegeben wird, würden Kreditkarten von internationalen Unternehmen herausgegeben – und diese würden ihre eigenen Preisemodelle umsetzen.
Künftig doch häufiger Kartenzahlung?
Dass Kartenzahlung im Wettbewerb um die Kunden ein wichtiger Faktor ist, ist indes für alle Händler klar. „Ohne sie kann man nur schwer bestehen“, sagt Apotheker Jörg Nothnagel. Und auch Imbissbetreiber Hakan Karapinar findet Kartenzahlung grundsätzlich gut. Wenn diese für ihn als Händler nicht so teuer wäre, würde er sie anbieten – damit man auch ohne Geldschein in der Tasche nicht hungrig bleiben muss.