In Singen setzte sich bei der Bundestagswahl ein Trend fort, der schon zur Europa- und Kommunalwahl im Juni 2024 zu erkennen war: Die AfD hat in der Stadt unterm Hohentwiel großen Zulauf und holt die meisten Stimmen. Wenn man den Zweitstimmenanteil betrachtet, liegt die rechtspopulistische bis rechtsextreme AfD mit 28,6 Prozent knapp vor der CDU, die 28,4 Prozent bekam.

Bei den Erststimmen überzeugte CDU-Kandidat Andreas Jung mit 34,6 Prozent indes deutlich mehr als AfD-Direktkandidat Bernhard Eisenhut mit 28,6 Prozent. Auf den Plätzen folgen beim Zweitstimmenanteil SPD (12,9 Prozent), Grüne (9,0 Prozent), Linke (7,0 Prozent), BSW (5,1 Prozent) und FDP (5,0 Prozent).

Abstimmen in der Ekkehardschule (von links): Die Wähler Caroline-Annabelle Jahn, Corinne-Cathleen Jahn und Tilo Jahn sowie die ...
Abstimmen in der Ekkehardschule (von links): Die Wähler Caroline-Annabelle Jahn, Corinne-Cathleen Jahn und Tilo Jahn sowie die Wahlhelfer Oliver Huber und Lena Moser. | Bild: Kerle, Helene

In den großen Hegau-Gemeinden ist der Abstand zwischen den beiden erstplatzierten Kräften der Bundestagswahl erheblich größer, besonders deutlich in Engen. Dort erreicht die CDU 35,2 Prozent der Zweitstimmen, die AfD 22,2 Prozent. In Hilzingen sieht es ähnlich aus, mit 35,5 Prozent für die CDU und 23,0 Prozent für die AfD. In Gottmadingen (CDU: 30,4 Prozent; AfD: 24,2 Prozent) und Rielasingen-Worblingen (CDU: 33,1 Prozent; AfD: 25,5 Prozent) liegen beide Parteien näher beieinander.

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Die SPD muss sich in diesen vier Kommunen mit 11,7 bis 13,8 Prozent der Stimmen begnügen, die Grünen mit 10,0 bis 11,6 Prozent und die FDP mit 5,3 bis 7,2 Prozent (alle Gemeinde-Ergebnisse auf der Seite Hegau See). Bei der Bundestagswahl 2021 zeichnete sich in Singen und dem Hegau noch ein anderes Bild. Da lagen CDU und SPD beim Zweitstimmenanteil noch deutlich näher beieinander.

Parteivertreter reagieren teilweise bestürzt

Entsprechend fallen die Reaktionen auf das Wahlergebnis unter Singener Parteivertretern aus. Franz Hirschle, CDU-Fraktionsvorsitzender im Singener Gemeinderat, sagt, er freue sich zunächst einmal, dass die CDU bundesweit gewonnen habe und nun ein Kanzler Friedrich Merz die Richtlinien der Politik bestimme. „Es ist auch gut, dass Merz nun rasch eine Koalition bilden will“, so Hirschle, denn das Ausland und die Wirtschaft würden nicht warten.

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Das starke Abschneiden der AfD erschrecke ihn aber. Als Gegenmittel sieht er: „Wir müssen Probleme lösen, um diese Wähler wieder zurückzuholen.“ Und die CDU müsse wieder den Mut haben, Probleme anzusprechen. Als Regierungskoalition halte er eine Zusammenarbeit von CDU, CSU und SPD für die vernünftigste.

Erschreckend, frustrierend, aber nicht gänzlich unvorbereitet beschreibt Regina Brütsch (SPD) das Ergebnis der Wahl. „Die Zahlen auf Bundesebene waren zu erwarten, wir hatten gehofft, dass es besser wird, aber es war zu erwarten. Was wir allerdings viel mehr hoffen, ist, dass es für unsere Lina Seitzl reicht. Die SPD bei uns braucht eine gute und kompetente Stimme in Berlin“, so Brütsch.

Angesprochen auf das Wahlergebnis in Singen, gibt sich Brütsch bestürzt – vor allem mit Blick auf die AfD: „Ich kann diese Werte für eine undemokratische Gruppierung nicht nachvollziehen.“ Aktuell könne man nicht sagen, was das Ergebnis für Konsequenzen habe: „Aber ein Weiter-so darf es jetzt nicht mehr geben.“

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Eberhard Röhm (Grüne) bezeichnete das Ergebnis seiner Partei auf Bundesebene als ausbaufähig. Allerdings gebe es deutliche Wahlverlierer, und die fänden sich in anderen Parteien wieder. „Das Ergebnis der Grünen ist im Vergleich mit der SPD und der FDP ein ordentliches“, so Röhm. Eine andere Zahl bereite dem Singener Stadtrat allerdings Kopfzerbrechen – und zwar die Zahl der Alternative für Deutschland. „Deren Ergebnis ist erschreckend“, so Röhm.

Vormarsch der AfD schon bei Europawahl zu sehen

Allerdings habe man schon beim Ergebnis der Europawahl im Juni 2024 sehen können, dass die AfD in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Dies sehe er auch darin begründet, dass Themen wie Migration und sichere Grenzen aktuell aufgrund der jüngsten Terrorangriffe in den Vordergrund geraten seien. Themen wie Klima und Umweltschutz – für die seine Partei stehe – hätten dabei eher nicht in erster Linie gestanden.

Das Wahlteam in Ehingen (von links): Tina Beising, Michael Heinermann, Martina Walther und Katja Kraft.
Das Wahlteam in Ehingen (von links): Tina Beising, Michael Heinermann, Martina Walther und Katja Kraft. | Bild: Matthias Güntert

Kirsten Brößke, Fraktionsvorsitzende der FDP im Singener Gemeinderat, ist am Telefon die Erschütterung am Sonntagabend anzuhören: „Wir haben einen guten, sachlichen Wahlkampf geführt“, sagt sie. Nun hoffe sie bis zuletzt, dass die liberalen Werte und das wirtschaftliche Denken, die die FDP vertreten, in Deutschland wahrgenommen würden.

Mit einem fulminanten Sieg habe sie nicht gerechnet, so Brößke, aber doch mit etwa 5,5 Prozent. Sie argumentiert: Deutschland könne nur Einfluss haben, wenn es auch wirtschaftlich eine Macht sei. „Dass das so vielen Menschen nicht mehr klar ist, erschreckt mich.“

Und die Vertreter der AfD? Deren Fraktionschef im Gemeinderat, Thomas Frischmuth, hat bereits im Vorfeld klargemacht, dass er nicht mit dem SÜDKURIER sprechen werde. Und Co-Kreissprecher Steffen Jahnke war am Abend telefonisch nicht erreichbar.