Am Tisch darf der Mund-Nase-Schutz abgenommen werden. „Masken sind wichtig – Abstand halten, ist noch wichtiger“, sagt Stefan Bushuven, während er lächelnd seinen Stuhl nach hinten schiebt. Der 42-Jährige muss es wissen. An diesem Vormittag wird er als neuer Chefarzt des Hygieneinstituts vorgestellt.

Bushuven ist kein Unbekannter – weder im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) noch in der Öffentlichkeit. GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber, in dessen Büro der Pressetermin stattfindet, formuliert es so: „In den vergangenen Monaten ist Doktor Bushuven ja quasi als der Christian Drosten unseres Landkreises in Erscheinung getreten.“

Geschäftsführer Bernd Sieber (links) freut sich, Stefan Bushuven als neuen Chefarzt des Hygieneinstituts gewonnen zu haben.
Geschäftsführer Bernd Sieber (links) freut sich, Stefan Bushuven als neuen Chefarzt des Hygieneinstituts gewonnen zu haben. | Bild: Tesche, Sabine

Der Vergleich mit Deutschlands Vorzeige-Virologen passt: In einer Zeit, in der viele Menschen Fragen rund um das Thema Corona haben, bemüht sich Stefan Bushuven, Antworten zu geben. Bernd Sieber ist sichtlich erfreut, wie gut seinem neuen Chefarzt das bislang gelingt. „Er hat in der schwierigen Hauptphase der Corona-Pandemie seine Expertise und seinen Biss unter Beweis gestellt“, betont der Geschäftsführer.

Hygiene- und Corona-Aufklärer

Bushuven, der schon seit 2007 für den GLKN tätig ist, habe während der Covid-Krise ein Diagnostikzentrum in Singen aufgebaut und die ärztliche Leitung der Corona-Hotline übernommen. „Er hat ein E-Learning Tool entwickelt, das anschaulich vermittelt, welche Maßnahmen ein Ansteckungsrisiko vermindern“, berichtet Sieber. „Und er war an einer App beteiligt, die den Bürgern Schritt für Schritt erklärt, was zu tun ist, wenn erste Symptome auftreten.“

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Auch den Lesern des SÜDKURIER hat Stefan Bushuven bereits erklärt, wie man eine Maske richtig trägt und worauf beim Kaufen und Tragen eines Mund-Nase-Schutzes zu achten ist.

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Dass seine Arbeit als Leiter des zwölfköpfigen Hygiene-Teams so öffentlichkeitswirksam beginnen würde, habe er nicht erwartet, sagt Bushuven. „Wir stellen zwar mittlerweile schon fest, dass alle zwei, drei Jahren Pandemien ausbrechen“, berichtet der 42-Jährige und verweist auf Krankheiten wie das Zika-Virus, die Schweinegrippe und Ebola. „Das Ausmaß von Corona ist aber für uns alle neu.“

Mittlerweile scheint er sich an die Rolle des Pandemie-Erklärers gewöhnt zu haben. Die Hauptregel, die er dabei weitergibt: den gesunden Menschenverstand einschalten. „Geht es zum Beispiel um die Frage, wie riskant es ist, ältere Verwandte zu besuchen, muss ich abwägen, mit wie vielen Menschen ich in meinem Alltag in Kontakt bin. Es macht einen enormen Unterschied, ob ich alleine im Home-Office arbeite oder in einem belebten Einkaufszentrum tätig bin.“

Zu viel und zu wenig Vorsicht

Apropos Einkaufen: Von Hygienehandschuhen, wie sie manche Supermarktkunden aus Angst vor Ansteckungen tragen, kann der Hygienefachmann nur abraten. „Bereits nach kurzer Zeit bilden sich Keime darauf.“ Ein weiteres Missverständnis, mit dem er gerne aufräumen möchte: dass junge Menschen nicht an Corona erkranken.

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„Bei Covid-19 handelt es sich um ein Virus, das vom Tier auf den Mensch übertragen wurde. Wie der einzelne Mensch dann aber darauf reagiert, ist individuell sehr unterschiedlich.“ Gesundheitsrisiken zu unterschätzen, könne gefährliche Folgen haben, ist Bushuven überzeugt. Er zieht als warnendes Beispiel die USA heran: „Ich befürchte, dass Corona dort noch vielen jungen Menschen das Leben kosten wird.“

Das bisherige Erfolgsgeheimnis?

Warum Deutschland und unser Landkreis relativ glimpflich aus den ersten Pandemie-Monaten hervorgegangen sind? „Wir haben früh damit begonnen, zu testen“, erklärt Bushuven. So sei es beispielsweise gelungen, vergleichsweise junge Menschen, die sich im Skiurlaub angesteckt hatten, zu isolieren, bevor sie Risikopatienten infizieren konnten.

Nach Angaben von Pressesprecherin Andrea Jagode lagen in den Kliniken Singen und Konstanz stationär bislang 80 Patienten, die nachweislich an Covid-19 erkrankt waren. „Etwa die Hälfte davon war intensivpflichtig, also richtig schwer krank“, erklärt sie.

Aber: Die Zahlen steigen wieder an

Nachdem über einen längeren Zeitraum keine Neuinfektionen mehr festgestellt werden konnten, sei nun wieder ein leichtes Aufflammen im Landkreis zu beobachten, ergänzt Bernd Sieber. Er und Stefan Bushuven rechnen mit weiteren Corona-Patienten aufgrund der Urlaubszeit, was sich dann zeitverzögert im Herbst bemerkbar machen könnte.

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Nicht nur darauf müssen sich die Kliniken in Singen und Konstanz einstellen: „Bereits im Frühjahr kamen Menschen ins Krankenhaus, die nicht an Corona, sondern einem Schnupfen erkrankt waren“, beschreibt Bushuven. In der Erkältungszeit könne dieses Phänomen wieder verstärkt auftreten. „Dazu kommt dann die Influenza.“ Trotzdem blickt der neue Chefarzt den Herausforderungen der kalten Jahreszeit optimistisch entgegen. Er fühlt sich vorbereitet.

Mit Corona leben lernen?

Auf lange Sicht hofft der Vater zweier Kinder darauf, dass sich Corona durch einen Impfstoff unter Kontrolle bringen lässt. Selbst wenn es soweit ist, wird dem Hygieneexperten die Arbeit so schnell nicht ausgehen: „Meine Tätigkeit ist nicht auf Corona beschränkt“, betont Stefan Bushuven. So beschäftige sich sein Team im Moment zum Beispiel damit, wie sich ein verantwortungsbewussterer Einsatz von Antibiotika vermitteln lässt.

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Und auch an diesem Nachmittag hat der neue Chefarzt noch einiges vor. „Jetzt geht es erst einmal zu einem Treffen mit unseren Chirurgen“, sagt der 42-Jährige, bevor er sich die Maske aufsetzt und sich freundlich verabschiedet.