Mit großen Hoffnungen und vielen Erwartungen ist das neue Parkhaus Am Gleis der Stadtwerke Singen im Sommer 2022 an den Start gegangen. Es ist nicht nur eines der teuersten Vorhaben des städtischen Eigenbetriebes, sondern auch eines der am hitzigsten diskutierten Projekte der Stadtwerke. Gut ein halbes Jahr nach der Eröffnung steht fest: Bei den Stadtwerken sind die Erwartungen an das Parkhaus zumindest ein stückweit zu hoch angesetzt worden. Häufig leuchten darin mehr grüne als rote Leuchten, um freie Parkplätze zu verkünden. „Wir haben im Wirtschaftsplan 2022 zum Teil ein wenig zu optimistisch geplant“, bestätigt Axel Blüthgen, Geschäftsführer der Stadtwerke, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Von 100 Langzeitparkern kamen nur 40
Das Projekt sei langsamer angelaufen, als es prognostiziert worden sei – und zwar mit Blick auf Langzeit- und Kurzzeitparker. „Wir sind von einer schnelleren Akzeptanz und Nutzung ausgegangen“, sagt Axel Blüthgen
Inzwischen sei diese Zahl zwar auf knapp 100 angestiegen, hinke den Erwartungen aber
immer noch hinterher. Auch wenn Blüthgen deutlich zu verstehen gibt: „Wir kommen jetzt dorthin, womit wir anfangs geplant haben.“Wer tagsüber am Parkhaus Am Gleis vorbeifährt, sieht nur vereinzelt Autos darin stehen. Dabei sei die Auslastung gerade mit Blick auf die Langzeitparker inzwischen gut: Knapp ein Drittel der 319 Stellplätze sei mit Langzeitparkern belegt. „Die Stellplätze befinden sich allerdings alle erst ab der sechsten Ebene“, so Blüthgen. Von unten seien diese nicht immer zu sehen.
„Singen hat nicht zu viele Parkhäuser“
Das Parkhaus sei dafür gedacht, um die Innenstadt herum genügend oberirdische Parkplätze zu bieten, betonte Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler bei der Einweihung. Man wolle das Parken in der Innenstadt nicht komplett verbieten. „Wir wollen aber, dass Autos nicht mehr in die Bereiche einfahren dürfen, in denen Menschen flanieren“, so Häusler damals. Dadurch solle sich die Aufenthaltsqualität verbessern.
Angesprochen auf die These vieler Kritiker des Parkhauses Am Gleis, dass Singen über zu viele Parkhäuser und Tiefgaragen verfüge, gibt es von Stadtwerke-Chef Blüthgen eine klare Antwort: „Das ist definitiv nicht der Fall, Singen hat nicht zu viele Parkhäuser.“ Dies würde auch die Stellplatzbilanz 2021 deutlich aufzeigen. Denn darin sei festgehalten, dass alleine in der östlichen Innenstadt über 1000 Parkplätze fehlen würden.
Auch dafür sei das Parkhaus gebaut worden: Zum einen, da es für Anwohner im Bereich Innenstadt Ost ein Defizit an Stellplätzen gebe, und zum anderen, da das Parkhaus auch für die Einpendler vorgesehen sei. „Die Entscheidung für den Bau war eine politisch richtige und wichtige für unsere Stadt“, so Blüthgen weiter.
Doch wie sollen die Nutzungszahlen steigen?
Laut Axel Blüthgen gibt es erste Überlegungen, um die Nutzungszahlen weiter zu steigern. Eine davon könnte die Anpassung der Tagesgebühren sein. Aktuell belaufen sich diese auf 10 Euro pro Tag. Bereits im Dezember sei das während einer Testphase auf 5 Euro pro Tag reduziert worden – und zwar mit Erfolg. „Das wurde gut angenommen, es wäre eine denkbare Maßnahme“, sagt Blüthgen.
Zudem erhoffe er sich eine Zunahme der Parkgastzahlen aufgrund der Änderung von Langzeit- in Kurzzeitparkplätze in der Freiheit-, Ekkehard-, Schwarzwald-, Bahnhof- und August-Ruf-Straße zum Februar. „Wir müssen unser Angebot an den Bedarf anpassen. Die Arbeitswelt hat sich verändert“, sagt Blüthgen.

Vor allem das Homeoffice mache sich bemerkbar. Viele Nutzer würden nicht mehr jeden Tag an den Arbeitsplatz kommen. Was der Stadtwerke-Chef allerdings ausschließt, ist eine grundsätzliche Tarifreduzierung. „Das Parkhaus muss auch wirtschaftlich sein“, sagt er. Blüthgen mache sich trotz der Zahlen keine Sorgen um das Parkhaus Am Gleis. „Es kann niemand erwarten, dass wir am 30. Juni die Bauarbeiten beenden und am 1. Juli ist das Parkhaus picke-packe voll“, sagt er.
Rote Zahlen der Tiefgaragen und Parkhäuser
Laut Axel Blüthgen sieht der Wirtschaftsplan der Stadtwerke Singen für das Jahr 2023 ein Defizit bei den Parkhäusern und Tiefgaragen von rund 140.000 Euro vor. Zudem sei beim laufenden Unterhalt der Tiefgaragen und Parkhäuser mit spürbar höheren Kosten zu rechnen.
Auch ein Blick in das zurückliegende Jahr 2022 macht deutlich: Bei den Parkhäusern und Tiefgaragen des städtischen Eigenbetriebes ist noch Luft nach oben. „Die Nutzerzahlen der Tiefgaragen Heinrich-Weber-Platz und Stadthalle sind in Folge der Corona-Pandemie in 2020/2021 eingebrochen – und liegen auch 2022 unter den Zahlen vor Corona“, erklärt Stadtwerke-Chef Axel Blüthgen. „Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Umsatzerlöse auf absehbare Zeit nicht das Niveau erreichen werden, das ohne Corona-Auswirkungen erwartet wurde“, so Blüthgen weiter.

Teils halb so viele Parkvorgänge wie 2018
Ein Beispiel: Durch die Absage des Hüttenzaubers 2022 auf dem Rathausplatz seien etwa 6000 Parkgastzahlen in der Tiefgarage unter der Stadthalle weniger zu verzeichnen gewesen. Anhand von Zahlen wird der Einbruch der Parkvorgänge am deutlichsten: 2021 gab es insgesamt 82.000 Parkvorgänge in der Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz. 2018, also vor Corona, waren es laut Blüthgen 153.000 – und damit fast doppelt so viele. Er schätzt, dass 2022 rund 95.000 Mal geparkt wurde.
In der Tiefgarage unter der Stadthalle wurden 2022 rund 39.000 Parker gezählt. 2021 waren es 65.0000 Euro, aber dies habe vor allem am Kreisimpfzentrum gelegen.
Eine positive Ausnahme gibt es:
Erfreulich sei allerdings die Entwicklung der Tiefgarage Herz-Jesu-Platz. „Dort haben wir seit der Inbetriebnahme 2019 stetig steigende Zahlen. 2022 wurden dort etwa 40.000 Parkvorgänge gezählt“, schildert Blüthgen.