Anja Claßen ist entspannt: „Die Schüler gehen mit der Situation super um“, sagt die Rektorin der Waldeck-Schule in Singen. Lediglich ein paar Mal muss sie an diesem Morgen strenger werden: „Setzt Du bitte Deine Maske auf?.“ Hierbei wird deutlich: Der Umgang mit dem Corona-Virus ist in den Schulen zum Alltag geworden.

Schule mit Corona bedarf viel Organisation (von links): Schulleiterin Anja Claßen und ihre Stellvertreterin Sabrina Auer.
Schule mit Corona bedarf viel Organisation (von links): Schulleiterin Anja Claßen und ihre Stellvertreterin Sabrina Auer. | Bild: Matthias Güntert

Und dennoch stellt Covid-19 die Schüler, aber vor allem auch die Lehrkräfte noch immer vor große Herausforderungen. Gerade in Grundschulen. Denn dort ist es mit dem Abstand halten im Alltag nicht immer so einfach, wie Anja Claßen zugibt. „Wir müssen schauen, wie wir die Kinder trotz Corona bestens begleiten“, betont sie. Man müsse die verschiedenen Situationen in der Waldeck-Schule abwägen. „Es gibt Momente, in denen wir Lehrkräfte den Abstand nicht einhalten können“, sagt Claßen weiter.

8.05 Uhr, die Schule beginnt

Rund 400 Grundschüler besuchen die Waldeck-Schule. Damit zählt sie in Singen zu den großen Grundschulen. Verteilt auf 18 Klassen werden die Kinder von 30 Lehrern unterrichtet. Doch die Schulgröße bringt auch Probleme mit sich: Eine Staffelung zum Schultagesbeginn ist laut Claßen aufgrund der Anzahl an Kindern nicht realistisch. An anderen Grundschulen wurden der Schulstart zeitlich entzerrt, damit nicht alle Schüler gleichzeitig an der Schule ankommen.

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An der Waldeck-Schule kommen die Kinder in einem Zeitkorridor zwischen 8 und 8.20 Uhr an und können zwischen fünf Eingängen wählen. „Das Ankommen der Kinder lässt sich bei uns nicht planen. Weil es so viele sind, kommen sie zum Teil sehr individuell“, so Claßen.

Der Schulbeginn an der Waldeck-Schule ist entspannt. Nur ganz selten muss Schulleiterin Anja Claßen die Kinder an die Maskenpflicht beim ...
Der Schulbeginn an der Waldeck-Schule ist entspannt. Nur ganz selten muss Schulleiterin Anja Claßen die Kinder an die Maskenpflicht beim Betreten erinnern. | Bild: Matthias Güntert

Eine Staffelung klassenweise sei vor den Sommerferien ausprobiert worden. Mit mäßigem Erfolg, wie Claßen erklärt: „Das hat nicht funktioniert.“ Auch eine Zuweisung der Eingänge sei in der Praxis nur sehr schwer umsetzbar. Denn Schüler würden zu den gewohnten Eingängen kommen oder sie schließen sich Freunden oder älteren Geschwistern an. „Wir merken einfach, dass die Kinder ein Bedürfnis nach Routine haben“, sagt Claßen.

8,20 Uhr, Händewaschen und ab ins Klassenzimmer

Auf den Begegnungsfeldern der Waldeckschule gilt: Mundschutz auf. „Das betrifft die Bereiche, auf denen wir die Abstände von 1,5 Metern nicht einhalten können“, sagt Anja Claßen. Etwa auf den Fluren oder in den Toilettenanlagen. Eine Maskenpflicht im Klassenzimmer besteht indes nicht, auch nicht für die Lehrer. Es gebe laut Claßen aber auch Kinder, die den Mund- und Nasenschutz auch während des Unterrichtes auflassen. In der Klasse 2b von Lehrerin Andrea Armbrust trägt an diesem Morgen keiner der Schüler im Klassenzimmer einen Mundschutz.

Ab ans Waschbecken: Die Grundschüler der Waldeck-Schule waschen sich mehrfach am Tag die Hände.
Ab ans Waschbecken: Die Grundschüler der Waldeck-Schule waschen sich mehrfach am Tag die Hände. | Bild: Matthias Güntert

Aber ganz hoch im Kurs steht bei der Zweitklässlern nach dem Ausbruch der Pandemie allerdings das Handewäschen. Bevor das Klassenzimmer betreten wird, heißt es für die Waldeck-Schüler: ab ans Waschbecken. „Die Hände werden immer wieder gewaschen, da achten wir Lehrer sehr genau darauf“, betont die stellvertretende Schulleiterin Sabrina Auer. Aber auch beim Händewaschen gilt es Abstriche zu machen, ergänzt Anja Claßen: „Wir können nicht die Hauptzeit des Schultages dazu verwenden, die Kinder einzeln zum Händewaschen zu schicken.“ Auch deshalb habe man sich in der Schulleitung dazu entschieden, auf den Toiletten einen Mund- und Nasenschutz zu tragen, da dann zwei Schüler zeitgleich die Sanitäranlagen nutzen können. „Es muss auch wieder Unterricht passieren“, verdeutlicht Claßen.

9.20 Uhr, Pause, aber wer darf ans Klettergerüst?

Spielen, Toben und Rennen – auf dem großen Schulhof der Waldeck-Schule alles kein Problem. Allerdings mit Abstrichen: Der Schulhof wurde in vier Bereiche unterteilt. Um eine Vermischung der Klassenstufen zu vermeiden, wurde ein rollierendes System eingeführt. So dürfe eine Klassenstufe laut Claßen alle vier Wochen in den Bereich etwa mit dem Klettergerüst. Die anderen Wochen des Monats wird in einem der anderen Bereiche gespielt.

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„Die Jahrgänge dürfen sich beim Spielen vermischen, aber die Klassenstufen nicht“, sagt Sabrina Auer. Dennoch sei man bemüht, ein Stück weit Normalität zu schaffen. Es gelte einen Kompromiss zwischen Schulalltag und Pandemie zu schaffen. „Um den Kindern nicht alles zu nehmen, brauchen wir diese Kompromisse“, so Claßen.

12.15 Uhr, Schule aus

Das Ende des Schultages geht reibungslos vonstatten. Das liegt laut Claßen auch an der Weitsicht der Eltern. „Viele machen draußen Treffpunkte mit ihren Kindern aus und gehen von dort gemeinsam nach Hause“, sagt sie. Claßen berichtet davon, dass sie von den Eltern viel Zuspruch erhält, ob der gefundenen Lösungen.

Corona bringt Lehrkräfte an den Rand des Leistbaren

Auch Britta Binder macht sich an ihrer Schule dafür stark, dass man während der Corona-Pandemie Kompromisse im Schulalltag eingehen muss. Sie leitet die Grundschule in Beuren an der Aach und macht bei aller Weitsicht auch deutlich: „In den Grundschulen können wir Lehrkräfte keinen Abstand zu unseren Schulkindern halten.“ Dies wäre ihrer Einschätzung nach auch nicht im Sinne der Pädagogik. „Grundschullehrer müssen trösten können, umarmen und loben können, wenn es erforderlich ist. Grundschule muss für die Kinder erlebbar sein“, so Binder weiter. Die Schulleiterin betont, dass jede Schulleitung deswegen die Verordnungen an ihre jeweiligen Schulen anpassen müssen.

  • Angstfrei zur Schule: Gerade in kleineren Schulen ist es schwierig, immer einen Abstand von 1,5 Metern einzuhalten. Deswegen ist in der Beurener Grundschule ebenfalls eine Maskenpflicht vorgeschrieben. „Bis zum Klassenzimmer“, sagt Britta Binder. In Beuren gehen 88 Kinder zur Schule. „Die Maskenpflicht in den Begegnungsbereichen ist auch deshalb für uns wichtig, da wir aufgrund unserer Größe nicht verhindern können, dass wir uns treffen“, so Binder. Im Klassenzimmer versuche man allerdings, den Kindern einen möglichst unbeschwerten Alltag zu schaffen. „Die Kinder sollen angstfrei zur Schule kommen. Und da müssen wir es regeln, dass das Virus nicht über Allem steht“, sagt Binder. Daher gelte: Der Schullaltag solle so normal wie möglich gestaltet werden – allerdings mit Regeln und Grenzen an die es sich zu halten gelte.
  • Schulbeginn wird entzerrt: In der Grundschule in Beuren starten die Schüler entzerrt in den Unterricht um 7.55 oder 8.40 Uhr. Die Klassen treffen sich separat auf dem Schulgelände und werden von der Lehrkraft, die die erste Stunde unterrichtet, einzeln abgeholt. Gestaffelte Anfangszeiten im 15 Minuten Takt seien nicht möglich, da sich die Schule nach dem Busfahrplan richten müsse. Dies betreffe laut Binder vor allem die Schüler aus Schlatt.
  • Unterrichten, ohne Pausen: Laut Britta Binder stoßen die Lehrkräfte aufgrund der zeitlichen Verschiebungen im Schullalltag langsam an ihre Grenzen. „Wir arbeiten quasi ohne Pausen“, berichtet sie. Das führe auch dazu, dass das Lehrerzimmer verwaist bleibe. „Dort trifft man eigentlich niemanden mehr“, so Binder. (mgu)