Dieser Kraftakt hat sich gelohnt. Gut gelaunt schlendert Catharina Scheufele über den Rathausplatz. Zusammen mit zahlreichen Helfern und mit Unterstützung des Stadthallenteams hat die Chefin des Kulturbüros das Singener Programm im Rahmen der grenzüberschreitenden Museumsnacht 2024 Hegau-Schaffhausen organisiert. Offenbar hat sie genau den Nerv des Publikums getroffen.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Zahl der Besucher weiter gewachsen ist. Und das liegt wohl an der Mischung aus bildender Kunst, Show, Musik, digitalen Formaten und einem Mitmachangebot für alle Generationen.
Die Museumsnacht hat etwas Spielerisches. So konnte man sich zum Beispiel im Rahmen der Doppelausstellung im Kunstmuseum in historische Gewänder stürzten und vor einer großformatigen alten Ansicht des Hohentwiel fotografieren lassen, während sich Architekturinteressierte von Museumsleiter Christoph Bauer die Industriefotografien von Marcus Schwier erklären ließen.
Besucher dürfen für einen guten Zweck Oldtimer fahren
Doch zurück zum Anfang, wo das Jugendblasorchester, ergänzt durch ältere Musiker, unter der Leitung von David Krause die Besucher auf dem Rathausplatz begrüßte. Da standen schon die Oldtimer des rollenden Museums bereit. Für fünf Euro konnten sich Besucher zugunsten der Lebenshilfe in so einem Schätzchen durch die Innenstadt kutschieren lassen. „Ich mache das gerne, weil es für einen wohltätigen Zweck ist“, sagte Eugen Assfalg, der seinen MG aus dem Jahr 1947 schon seit 45 Jahren fährt. In der Fußgängerzone war der Andrang der Schaulustigen dann groß.
Schnell einen Abstecher zum Café Schröder, wo die Band „Rebetiko“ mit ihrem griechischen Blues Fernweh erzeugte. Apropos Fernweh: Am Bahnhof feierte der Seehas mit einer Ausstellung Jubiläum. Seit 30 Jahren pendelt die S-Bahn der SBB nun schon auf der Strecke zwischen Engen und Konstanz. Dort wurde auf Tafeln an die 160-jährige Geschichte der Bahn in Singen erinnert.
Walafried Schrott erinnerte sich sogar noch daran, wie er als zehnjähriger Bub die Randenbahn über die heutige Fahrradtrasse von Singen über Hilzingen nach Tengen fahren sah. Und auch an den langen Überzeugungskampf im Landkreis bis zur ersten Fahrt des Seehas kann sich der SPD-Stadtrat noch gut erinnern. Man könnte hier natürlich verweilen und der Live-Musik lauschen, aber weitere Programmpunkte riefen.
Modeschau des Berufskollegs: „Kleidung hat eine Aussage“
Auf den Stufen der Stadthalle zeigten zwei Klassen des Berufskollegs für Mode und Design unter der Leitung von Isabel Schwarz in einem beeindruckenden Walk zum vierten Mal ihre Kreationen. Thema war diesmal: Dekonstruktion. „Kleidung hat eine Aussage“, sagt Isabel Schwarz.
„Ein Anzug demonstriert zum Beispiel Macht. Wir haben die Teile auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Es ist ein Experiment.“ Die Schüler hatten nur wenig Zeit dafür. Einige haben gerade erst mit der Ausbildung begonnen. Doch die Begeisterung beim Publikum für diese Show wächst von Jahr zu Jahr.
In der Stadthalle selbst durfte die Malerin Petra Ehinger erstmals einen lichtdurchfluteten Konferenzraum zum Atelier umwandeln. Ihre kraftvollen Bilder ziehen den Betrachter an und sorgten für Überraschung beim Publikum. Sichtlich erfreut über diesen neuen, temporären Kunstort zeigte sich auch Oberbürgermeister Bernd Häusler. Und gleich gegenüber konnte man im Foyer des Holiday Inn Express in die großformatigen Leinwandgesichter von Birgit Brandys blicken.
Basilika ist mit Kunst gefüllt
Es ist einfach nicht möglich, das gesamte Angebot einer Museumsnacht wahrzunehmen. So konzentrierte man sich auf die Ausstellungen und Aktionen, die nur an diesem einen Tag zu sehen sind. Deshalb führte die subjektive Auswahl die Autorin in die Basilika. Dort, wo sonst Theater gespielt wird, war das Haus bis unter die Decke mit Kunst gefüllt.
Zusammen mit ihrem Partner Daniel Rahm und Daniel Möhrle hat Victoria Graf den Theatersaal mit einer Kunst-Licht-Installation ausgefüllt. Ausgangspunkt sind Architekturfotografien von Industrieanlagen, wie zum Beispiel der Zeche Zollverein.

Auf der Suche nach Formen löst die Künstlerin Details heraus und vervielfältigt sich im Linoldruckverfahren auf Leinwänden, Stoffen, Platten. Schließlich werden die Motive technisch animiert und besonders ausgeleuchtet zu bewegten Bildern. In der Basilika entstand so ein begehbares Kunstwerk. Die Erklärung lieferte eine verfremdete Stimme.
Einen Raum weiter erinnerte Milana Alaro mit einem goldenen, paillettenbestickten Tuch an die Geschichte der Einwanderer. Die Künstlerin mit tschetschenischen Wurzeln beschäftigt sich mit verschiedenen Ausdrucksformen mit der Zerrissenheit und den Erschwernissen von Einwanderern. So auch in einer fragilen Skulptur, bestehend aus Trümmern oder in einem Film, der eine Frau in den 60-er-Jahre-Kleidung mit Boxhandschuhen beim Kuchenbacken zeigt.
Im Dialog mit einem Roboter
Im Obergeschoss der Basilika zeigte Alessandro Mac-Nelly, wie Mensch und Maschine zusammenarbeiten können. Der aus Singen stammende Künstler hat einen Roboterarm programmiert, der auf Pinselstriche von Menschen antwortet. Auf der Ars Electronica in Linz wurde er dafür gerade mit dem Campus-Award ausgezeichnet.

In der Basilika durften die Besucher der Museumsnacht selber in den von künstlicher Intelligenz gesteuerten Dialog mit dem Roboter treten. „Es geht nicht um das perfekte Bild“, sagte Mac-Nelly. „Es geht um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine.“ Die Ergebnisse auf kleinen quadratischen Blättern erinnerten ein wenig an archaische Schriftzeichen.