Tobi und Elias haben ihre Campingstühle schon aufgeklappt, bevor das Spektakel so richtig beginnt. Es wird gerade dunkel, als sie mit Freunden vor ihren schwarzen Autos sitzen. Sie kommen aus Friedrichshafen, teilweise sogar aus Lindau nach Singen, weil der Karfreitag hier ein Event sei. An dem Feiertag treffen sich traditionell die Tuner und Poser, um in die Saison zu starten – deshalb wird der Tag auch Car-Freitag genannt. Als Tuner könne man ihn bezeichnen, aber nicht als Poser: „Wenn es rein um die Blicke gehen würde, würde ich ein lautes Serienauto kaufen“, sagt Elias. Stattdessen fährt er einen Mercedes von 1991, an dem er mit seinem Vater schraubt. Der ist auch dabei und bedauert, dass das gemeinsame Hobby gesellschaftlich so wenig akzeptiert sei.

Diese Gruppe aus dem Bodenseekreis sah den Karfreitag in Singen als Event und machte es sich mit Campingstühlen bequem.
Diese Gruppe aus dem Bodenseekreis sah den Karfreitag in Singen als Event und machte es sich mit Campingstühlen bequem. | Bild: Tesche, Sabine

Tatsächlich hatten Stadt und Polizei angekündigt, den Saisonstart der Szene beobachten und kontrollieren zu wollen. Die Stadt erließ eine Allgemeinverfügung, laut der eine Ansammlung von fünf Autos verboten ist. Und die Polizei war mit einigen Einsatzkräften vor Ort, wenn auch ohne die angekündigten Schweizer Kollegen. Das habe gewirkt, es waren deutlich weniger Autos in der Stadt als in der Vergangenheit. „Aus meiner Sicht war die Lage für einen Freitagabend normal. Es war kein größeres Aufkommen von Tuningfahrzeugen festzustellen“, sagt Oberbürgermeister Bernd Häusler nach einem Ortsbesuch.

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Sieben Autos durften nicht weiterfahren

Harald Klaiber vom Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Konstanz bestätigt am Samstagmorgen den Eindruck, den der Einsatzleiter gegen 22 Uhr aussprach: Es war ein ruhiger Abend ohne größere Ansammlungen. 37 Verstöße habe man bei Kontrollen festgestellt. „Sieben Mal haben die Kollegen die Weiterfahrt untersagt, weil die Veränderungen an den Fahrzeugen so groß waren“, erklärt er.

Bild 2: Die meisten Tuner posierten daheim: So war der Car-Freitag in Singen
Bild: Tesche, Sabine

Einmal habe der kommunale Ordnungsdienst der Stadt Singen eingegriffen, als sieben Fahrzeuge mit Schweizer Kennzeichen an der Aral-Tankstelle standen. Gegen 1 Uhr sei der Einsatz der Polizei dann beendet gewesen.

Schweizer ärgert sich über Strafe – und will wieder kommen

Maßnahmen wie das Eingreifen des kommunalen Ordnungsdienstes empfindet Thomas als Schikane. „Hier werden die Fahrer von sieben Autos bestraft, die anständig hergefahren sind und ihr Auto abgestellt haben. Währenddessen sind sechs andere viel zu schnell und zu laut vorbeigefahren. Nehmt doch denen die Strafe ab“, sagt der 22-Jährige aus dem schweizerischen St. Gallen, der seinen Nachnamen nicht nennen will. Für Leute, die laut vorbeifahren, habe er nur ein Kopfschütteln übrig, denn das müsse nicht sein.

Abmarsch für ein Schweizer Auto, das in einer Gruppe an der Aral-Tankstelle geparkt war.
Abmarsch für ein Schweizer Auto, das in einer Gruppe an der Aral-Tankstelle geparkt war. | Bild: Tesche, Sabine

Doch Autofreunde würden mit Tempo30, Allgemeinverfügung und Blitzern schon genug gegängelt. Dass am Freitagabend ein Blitzer an der Georg-Fischer-Straße stand, war laut dem Einsatzleiter der Polizei tatsächlich kein Zufall.

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Er sei seit zwei, drei Jahren regelmäßig hier. Nur im vergangenen Jahr habe er etwas pausiert, weil er keine Lust auf Stress im Zusammenhang mit der andauernden Allgemeinverfügung hatte. „Singen ist schon seit 30 Jahren eine Autostadt, deshalb ist es ein Treffpunkt“, sagt Thomas. Dafür nehme er eine einstündige Anreise in Kauf – und notfalls auch eine Strafe. „Das ist lächerlich, aber ok. Wir sind nächste Woche wieder da.“

Parken und gucken? Gerne. Doch lärmen und rasen will diese Gruppe aus dem Hegau nicht, wie sie erklärt.
Parken und gucken? Gerne. Doch lärmen und rasen will diese Gruppe aus dem Hegau nicht, wie sie erklärt. | Bild: Tesche, Sabine

Wenige Meter weiter steht eine Clique aus Singen und dem Hegau um einen knallgelben Toyota versammelt. Zufällig, wie sie anfangs betonen, doch wenig später wird klar: Dass aufgemotzte Autos an Karfreitag in der Südstadt zusammen kommen, ist natürlich kein Zufall. Einer von ihnen wurde schon auf der Anfahrt kontrolliert, doch er habe ja alles eingetragen. „Es ist schon geil, wenn man im Tunnel beschleunigt und es knallt“, erklärt ein anderer die Faszination sportlicher Autos. Früher entstand das Knallen bei einer Fehlzündung, heute wird dafür nachgeholfen. Knallen lassen würde er es aber nicht freitagabends in der Singener Südstadt, wenn Anwohner schlafen wollen. Da seien es eher Schweizer, die laut um die Kreisverkehre heizen.

Die Polizei war mit mehreren Einsatzwagen beim Car-Freitag präsent.
Die Polizei war mit mehreren Einsatzwagen beim Car-Freitag präsent. | Bild: Tesche, Sabine

Es soll nicht wieder alles abgesperrt werden

Für viele Schweizer seien die Bußgelder ein Trinkgeld, sagt wenige Meter weiter eine Gruppe aus Tuttlingen. In Singen sei mehr los als bei ihnen im Schwarzwald, deshalb hätten sie die Stadt unterm Hohentwiel angesteuert. „Manche meinen, sie müssen übertreiben, und dann wird hier wieder alles abgesperrt“, bedauert einer. Doch am Karfreitag haben laut Verantwortlichen nur die wenigsten übertrieben. Die Polizei hatte laut Einsatzleiter zwar Absperrungen vorbereitet, doch die seien nicht nötig gewesen.

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Allgemeinverfügung gilt noch bis Montagnacht

Harald Klaiber vom Polizeipräsidium Konstanz hat am Samstag keine Zahlen dazu vorliegen, wie viele deutsche und wie viele schweizerischen Fahrzeuge sanktioniert wurden. In den nächsten Wochen soll beobachtet werden, wie sich die Szene aus Tunern und Posern verhält: „Wir werden natürlich auch in den kommenden Wochen die Situation an den Freitagen im Blick behalten“, sagt OB Bernd Häusler. „Sollte es wieder zu größeren Ansammlungen von Tuningfahrzeugen und dieses zu Belästigungen der Anwohnerschaft führen, werden wir wieder mit entsprechenden Maßnahmen von Seiten der Stadt sowie Polizei reagieren.“

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