Im Mittelpunkt eines aufsehen erregenden Prozesses vor dem Konstanzer Landgericht steht ein 62-jähriger Mann aus Singen, dessen Misstrauen gegenüber seiner Ehefrau und seiner Nachbarschaft in blindem Hass und Gewalt endete. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe wiegen schwer: Versuchter Mord, schwere Körperverletzung und ein Verstoß gegen das Waffengesetz werden ihm zur Last gelegt.

Am zweiten Verhandlungstag stand der schwerwiegendere Teil der Anklage gegen den 62-Jährigen im Mittelpunkt. Nachdem zum Prozessauftakt überwiegend über eine Schussattacke auf einen jungen Nachbarn verhandelt worden war, ging es nun um eine brutale Messerattacke auf einen weiteren Nachbarn. Im Gerichtssaal wurde dabei deutlich, wie heftig die Tat gewesen sein muss. Denn die Verletzungen seien „potenziell lebensbedrohlich“ gewesen, wie eine Rechtsmedizinerin später schilderte.

Die beiden Verteidiger Jens Janssen (Mitte) und Toralf Duve (rechts), stehen vor einer schwierigen Gerichtsverhandlung. Sie vertreten ...
Die beiden Verteidiger Jens Janssen (Mitte) und Toralf Duve (rechts), stehen vor einer schwierigen Gerichtsverhandlung. Sie vertreten einen 62-jährigen Mann, der aufgrund vermeintlicher Eifersucht zwei Nachbarn brutalst attackiert haben soll. | Bild: Maximilian Huber

Der Angeklagte war offenbar von Eifersucht, Wahn und Verdächtigungen getrieben. Dieses Bild entstand jedenfalls am ersten Prozesstag angesichts des ersten Falles: Im Sommer 2023 soll er zunächst einen 22 Jahre alten Nachbarn mit einer Schreckschusspistole attackiert haben – in der Annahme, dieser habe ein Verhältnis mit seiner Ehefrau.

Nur ein halbes Jahr später eskalierte die Situation erneut: Der Angeklagte soll einem weiteren Nachbarn mit demselben Motiv aufgelauert sein und ihm dabei mit mehreren Messerstichen schwere Verletzungen zugefügt haben. Die Staatsanwaltschaft spricht von zwei gezielten Angriffen und wirft dem Mann unter anderem versuchten Mord vor.

Beschuldigter hat brutal zugestochen

Wie brutal die Tat gewesen sein muss, zeigte sich in den Aussagen eines ermittelnden Polizeibeamten. Er berichtete, wie er am Tatort Blutspuren im Schnee dokumentierte, bevor er sich dem verletzten Mann im Rettungswagen zuwandte. Bei der Untersuchung seiner Kleidung entdeckte er mehrere blutige Schnitte im Schulter- und Hüftbereich. Erst nachdem der Geschädigte notoperiert worden war, erfuhr der Beamte das volle Ausmaß der Verletzungen: Eine 13 Zentimeter tiefe Stichwunde im sensiblen Dammbereich zwischen After und Geschlechtsorgan. Ob der Mann dabei seine Zeugungsfähigkeit verlor, sei den Ärzten zu jenem Zeitpunkt zunächst unklar gewesen, schilderte der Polizist.

Richter Arno Hornstein zeigte sich daraufhin überrascht, wie ein Messer mit einer nur sieben Zentimeter langen Klinge eine derart tiefe Wunde verursachen konnte. Die Rechtsmedizinerin lieferte eine plausible Erklärung. Denn durch die Wucht des Stiches habe sich das Gewebe nach innen gedrückt. Laut ihrem Gutachten habe der Geschädigte großes Glück gehabt. „Bei einem minimal abweichenden Treffer hätten eventuell Organe getroffen werden können und eine potenzielle Lebensgefahr wäre dadurch nicht gänzlich auszuschließen gewesen“, hielt die Rechtsmedizinerin am Ende ihres Gutachtens fest.

Verdächtigungen wurden nicht ernst genommen

Neben weiteren Polizeizeugen trat auch ein langjähriger Bekannter des Angeklagten in den Zeugenstand. Er habe regelmäßig mit ihm Kaffee getrunken und von den Verdächtigungen gegen die beiden Nachbarn gewusst – sie aber nicht wirklich ernst genommen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein 22-Jähriger mit einer 60-jährigen Frau ein Verhältnis haben soll, was will er mit so einer alten Frau“, erklärte er beinahe belustigt.

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Kurz nachdem der Angeklagte den älteren Nachbarn auf offener Straße attackiert hatte, sandte er seinem Kaffee-Kollegen noch eine Nachricht mit dem Inhalt: „Ich habe den Türken abgestochen“, wie Richter Hornstein mittels einer Bildschirmaufnahme erklärte. Dass sein Bekannter zu einer solchen Tat fähig sei, habe der Zeuge zuvor nicht für möglich gehalten. Nach der Nachricht sei ihm aber klar gewesen, dass dieser nun ein Problem habe, hielt er sinngemäß fest.

Aber das Opfer will bislang nicht aussagen

Auch der zweite Prozesstag beleuchtete die Tat eindringlich, besonders die Gewalt und das Motiv hinter der Messerattacke. Doch eine zentrale Aussage fehlt weiterhin: Der 22-jährige Nachbar ist bislang zu keinem der Termine erschienen. Verteidiger Jens Janssen kündigte an, auf Einstellung des Verfahrens in diesem Punkt zu plädieren, sollte der Zeuge auch zum dritten und letzten Verhandlungstag am 9. Juli nicht erscheinen.