Manchmal zeigen sich bei Gericht die sehr menschlichen Folgen des Justizbetriebs. Als der Vorsitzende Richter Joachim Dospil am Ende von drei Verhandlungstagen das Urteil gegen die vier jungen Männer verliest, die sich wegen besonders schweren Raubes verantworten mussten, ist so ein Moment. Der Hauptangeklagte Omran A., zur Tatzeit im Herbst 2023 gerade 22 Jahre alt, muss demnach für fünf Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.
Zu viel für die Lebensgefährtin und die Mutter des Angeklagten, die den Prozess von Anfang an verfolgt haben und nach diesem Schuldspruch in Tränen ausbrechen. Die Mutter kann sich nur mit Mühe wieder beruhigen. Zur menschlichen Dimension gehört auch, dass der Angeklagte und seine 18 Jahre alte Freundin erst im März Eltern geworden sind – ein Umstand, der vor dem Gesetz indes keine Rolle spielen darf.
Gericht sah besonders schweren Raub als erwiesen an
Das Landgericht Konstanz sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls schuldig ist. Mit der Gesamtfreiheitsstrafe sei man noch am unteren Rand des Strafrahmens von fünf bis 15 Jahren geblieben, der auf besonders schweren Raub steht, sagte Dospil in der Urteilsbegründung -zumal der Angeklagte derzeit nach Bewährungsbruch eine Haftstrafe wegen eines Fahrraddiebstahls verbüßt. In dem Fall hatte er einen jungen Mann, der ihn stellte, mit einem Fahrradschloss verprügelt.
Zur Verhandlung stand nun eine Tat, die sich im Oktober 2023 zugetragen hat und bei der es auch um die Sicherheit auf den Straßen der Stadt geht. Nach einem Konflikt zwischen zwei Gruppen vor dem Singener Hallenbad und auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der östlichen Innenstadt haben, so ergab es die Beweisaufnahme vor Gericht, drei junge Männer einen weiteren jungen Mann aus der anderen Gruppe verfolgt und mit Stuhlbeinen krankenhausreif geprügelt.
Geschädigter hatte schlimme Folgen zu tragen
Der Geschädigte klagte im Zeugenstand über die schlimmen körperlichen und lang anhaltenden psychischen Folgen – und vermutete sogar, dass er aufgrund vieler Fehlzeiten nach dem schlimmen Erlebnis seine Arbeitsstelle verlor. Zwei der Angeklagten haben dem Geschädigten außerdem seine Wertsachen gestohlen und danach aus einem unverschlossenen Auto weitere Wertsachen gestohlen.
Entsprechend verhängte das Landgericht nicht nur eine Haftstrafe von mehreren Jahren. Ein zweiter Angeklagter, Omer A., wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. Auch bei ihm sah das Gericht es als erwiesen an, dass er sich des besonders schweren Raubes samt gefährlicher Körperverletzung und eines anschließenden Diebstahls schuldig gemacht habe.
Diese beiden Haftstrafen können nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, das geht nur bei Haftstrafen bis zu zwei Jahren. Beim Angeklagten Ahmad A. blieb das Gericht knapp unter diesem Strafmaß und verhängte ein Jahr, elf Monate und zwei Wochen als Gesamtstrafe, in die ein Strafbefehl des Amtsgerichts Singen einbezogen wurde. Ahmad A. bleibt unter Bewährung auf freiem Fuß, das Gericht sah lediglich als erwiesen an, dass er bei der gefährlichen Körperverletzung dabei war – in Sachen Raub und Diebstahl wurde er freigesprochen.
Ein vierter junger Mann, Mohammad A., kassierte schließlich eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten für unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln. Er war am Tag vor der Prügelei mit 2,4 Gramm Kokain im Zug erwischt worden, bei einer späteren Hausdurchsuchung war noch mehr Rauschgift gefunden worden. Alle anderen Punkte der Anklage sah das Landgericht in seinem Fall als nicht erwiesen an.
Verteidiger sehen Körperverletzung, aber keinen Raub
Beim Strafmaß halfen auch die flammenden Plädoyers der beiden Verteidiger von Omran A., Sylvester Kraemer und Sandro Durante, nicht, die sie am letzten der drei Verhandlungstage hielten. Das Hauptargument der beiden Verteidiger war, dass ihr Mandant im Oktober 2023 zwar eine gefährliche Körperverletzung begangen habe, aber nicht mehr.
In ihrer Argumentation habe der junge Mann die Gegenstände, die den beiden Geschädigten abhanden kamen, nicht behalten wollen. Und da diese im Juristendeutsch so genannte Zueignungsabsicht fehle, sei es eben auch kein besonders schwerer Raub.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Durante brachte zudem noch die schweren Drohungen ins Spiel, denen sich die Lebensgefährtin von Omran A. während der Vorgeschichte der Auseinandersetzung ausgesetzt sah. Da habe ein junger Mann, der eine Goldkette mutmaßlich der minderjährigen Schwester der Lebensgefährtin geschenkt hatte, diese Kette wieder zurück gefordert – und zwar unter heftigen Drohungen gegen die Lebensgefährtin, die damals schon hochschwanger war. Durante wies auf ihre Aussage im Zeugenstand hin, der Schenker habe gedroht, ihr den Bauch aufzuschlitzen. „Da bleibt kein werdender Vater cool“, so Durante.
Doch die Vorgeschichte rund um die Goldkette stand beim Landgericht nicht zur Verhandlung. Und eine Begründung für einen minder schweren Fall sah das Gericht ebenfalls nicht und urteilte im regulären Strafrahmen. Omran A.s Verteidiger wollen sich damit indes nicht zufriedengeben: Sie haben Revision eingelegt, wie Mirja Poenig, Richterin am Landgericht und dessen Pressesprecherin, auf Anfrage mitteilt. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.