Worum ging es nun wirklich bei der Prügelei mit Stuhlbeinen im Oktober 2023? Das Landgericht Konstanz versucht, das in einem mehrtägigen Prozess herauszufinden. Angeklagt sind vier junge Männer wegen besonders schweren Raubes, Mindeststrafmaß fünf Jahre Freiheitsentzug.
Grob gesagt, ergab sich vor Gericht der folgende Ablauf der Ereignisse am Donnerstag, 12. Oktober 2023: Zwei Gruppen von jungen Männern standen sich zunächst am Singener Hallenbad und später an einem Supermarkt in der östlichen Innenstadt gegenüber. Schon am Hallenbad ist es demnach zu Handgreiflichkeiten gekommen, angeblich kamen eine Mütze und 100 Euro in bar abhanden.
Um sich die Sachen zurückzuholen, ging die dabei geschädigte Gruppe zum Supermarktparkplatz, um sich die Sachen zurückzuholen. Auf dem Weg brachen sie die Beine von einem Stuhl ab, der als Sperrmüll an der Straße lag – und verfolgten die andere Gruppe, erwischten schließlich einen eigentlich unbeteiligten jungen Mann, verprügelten ihn mit den Stuhlbeinen und stahlen seine Wertsachen. Danach räumten sie noch die Wertsachen eines weiteren jungen Mannes aus einem Auto aus.
Goldkette war der Auslöser
Der eigentliche Auslöser für die Auseinandersetzung war allerdings ein anderer, nämlich eine Goldkette. Diese kam über Umwege zu einem der Angeklagten, Omran A. Mit dem ursprünglichen Besitzer der Kette, der schon am ersten Prozesstag als Zeuge aussagte, gab es einen Streit über die Rückgabe, den A. am 12. Oktober vor dem Hallenbad klären wollte.
A.s Freundin, 18 Jahre alt und inzwischen Mutter eines Kindes, das laut den Informationen vor Gericht A. gezeugt hatte, erzählte nun, wie es dazu kam. Über eine Freundin habe sie den früheren Besitzer der Kette kennengelernt, sagte sie im Zeugenstand. Dieser habe dadurch ihre damals zwölf Jahre alte Schwester kennengelernt und dieser Avancen gemacht, wollte sogar eine Heirat mit dem Kind. Dagegen habe sie sich gewehrt, erzählt die Zeugin nun. Bei einem Treffen der Gruppe habe der junge Mann ihrer Schwester dann die Goldkette um den Hals gelegt – als Geschenk.
Doch offenbar hielt diese Absicht nicht sehr lang, denn später habe sie Anrufe des früheren Halskettenbesitzers bekommen, der die goldene Kette unter Drohungen ihr gegenüber habe zurückholen wollen. Doch: Da war die Kette offenbar schon weg. Der Angeklagte A., den sie als ihren Verlobten bezeichnete, habe die Kette verkauft, nachdem er sie bei einem Wettrennen mit ihrer Schwester gewonnen habe. „Die Kette war ein Geschenk an meine Schwester, dann kann sie damit machen, was sie will“, sagte die Zeugin dazu auch noch. Ein Ermittlungsverfahren zur Goldkette laufe bei der Staatsanwaltschaft, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Dospil – ohne mehr Details zu verraten.
Staatsanwaltschaft fordert mehrjährige Haftstrafen
Was aus der ganzen Sache geworden ist, könnte zumindest drei der vier jungen Männer, die nun auf der Anklagebank sitzen, für mehrere Jahre in Haft bringen – zumindest wenn es nach den Forderungen der Staatsanwaltschaft geht. Die sah es als erwiesen an, dass drei der Angeklagten, Omran A., Omer A. und Ahmad A., gemeinsam einen jungen Mann verfolgt, erwischt und mit abgebrochenen Stuhlbeinen verprügelt haben. Handy und Bauchtasche des Mannes haben sie gestohlen, auch das sah die Staatsanwaltschaft als erwiesen an. Und danach haben sie noch Wertsachen eines zweiten Geschädigten aus einem Auto gestohlen.
Sie forderte Freiheitsstrafen von fünf Jahren und einem Monat für Omer A. und Ahmad A. sowie von fünf Jahren und drei Monaten für Omran A. Die menschlichen Schicksale hinter einer nüchternen Gerichtsverhandlung offenbarten sich in dem Umstand, dass seine Freundin, die zuvor noch als Zeugin ausgesagt hatte, bei der Verkündung dieser Forderung in Tränen ausbrach. Sollte das Gericht auf einen minder schweren Fall erkennen, forderte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und sieben Monate für Omran A., zwei Jahre und fünf Monate für Omer A. sowie zwei Jahre und vier Monate für Ahmad A. – allesamt Zeiten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können.
Lediglich Mohamad A. käme mit einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten davon, denn bei ihm geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass nur ein Drogendelikt vom Vortag der Prügelei ins Gewicht fällt. Bei der eigentlichen Prügelei sei er zwar in der Nähe, aber nicht beteiligt gewesen.
Verteidiger plädieren auf Bewährung
Die Verteidiger sahen die Sache in ihren Plädoyers naturgemäß anders. Matthias Biskupek sagte beispielsweise für seinen Mandanten Ahmad A., dieser könne allein für eine gefährliche Körperverletzung belangt werden, weil es keine Anhaltspunkte gebe, dass er gestohlene Dinge tatsächlich behalten wollte – im Juristendeutsch Zueignungsabsicht genannt. Eineinhalb Jahre auf Bewährung halte er für tat- und schuldangemessen.
Ähnlich argumentierte auch Arnulf Heidegger für den Angeklagten Omer A. Er sei in die Sache eher durch den mitangeklagten Omran A. hineingerutscht und es habe keinen gemeinsamen Tatplan gegeben. Außerdem habe sein Mandant eine positive Sozialprognose und sei derzeit in einer Vollzeitbeschäftigung. Auch er forderte eineinhalb Jahre Bewährungsstrafe.
Michael Busching brachte für seinen Mandanten Mohammad A. eine Geldstrafe ins Spiel, die er für ausreichend halte. Sollte es eine Freiheitsstrafe werden, halte auch er ein halbes Jahr auf Bewährung für richtig. Die beiden Verteidiger vom Omran A., Sylvester Kraemer und Sandro Durante, halten ihr Plädoyer erst am nächsten Prozesstag, Freitag, 22. November. Ab 9 Uhr wird der Prozess dann am Landgericht Konstanz fortgesetzt.