Bäume und Solaranlagen passen nicht unbedingt gut zusammen. Denn Bäume werfen Schatten. Und Solaranlagen brauchen Sonne, um möglichst viel Energie zu erzeugen. Das kam im Frühjahr schon im Singener Gemeinderat auf, als es um die geplante Neugestaltung der Masurenstraße ging. Dort werde man darauf achten, nicht zu hohe Bäume zu pflanzen, damit mögliche Solaranlagen nicht verschattet werden, hieß es damals von der Verwaltungsbank.

Weniger klar liegt die Sache offenbar im Ortsteil Hausen an der Aach. Ein Konflikt zwischen dem Besitzer einer Solarstrom-Anlage und der Stadt landete sogar vor Gericht und endete kürzlich in zweiter Instanz vor dem Landgericht Konstanz – wenn auch ohne Urteil, weil der Kläger seine Berufung zurückzog. Pikantes Detail an der Sache: Bei dem Kläger handelt es sich um den früheren Singener Oberbürgermeister Oliver Ehret.

Ursprung des Streits liegt im Jahr 2007

Was war nun geschehen? Ehret und die Stadtverwaltung schildern übereinstimmend, dass der Ursprung des heutigen Konflikts im Jahr 2007 liege. Damals hat Ehret, bereits im Amt als Singens OB, das Grundstück gekauft und das Haus gebaut. „Dass der Baum da steht, war mir natürlich bewusst“, sagt er. Doch mit dem damaligen Leiter der Baurechtsbehörde bei der Stadtverwaltung habe er besprochen, dass dieser Baum etwas stärker geschnitten werde. „Und das verträgt der auch, es ist eine Stieleiche“, so die Ansicht von Oliver Ehret.

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Doch besprochen gewesen sei das nur mündlich, und nachdem der damalige städtische Mitarbeiter in den Ruhestand ging, will Ehret bemerkt haben, dass der fragliche Baum immer weniger zurückgeschnitten worden sei. Heute erzeuge seine Anlage nur noch etwa die Hälfte des Stroms, den sie in früheren Zeiten geliefert habe, sagt Ehret. Dafür macht er den mittlerweile sehr großen Baum verantwortlich, den man seiner Meinung nach auch beizeiten so hätte schneiden können, dass er gar nicht erst so groß wird.

Hat der Anwohner nun ein Recht darauf, dass der Baum geschnitten wird? Diese Frage habe er vor Gericht klären lassen wollen, nachdem die Kommunikation mit der Stadtverwaltung ein paar Mal hin und her gegangen sei, erzählt Ehret. Die Stadt hält auf Anfrage dagegen, dass eine angebliche Absprache zum Rückschnitt nicht aktenkundig sei und deren möglicher Inhalt daher streitig bleibe.

Und die Presseabteilung legt nach: „Eine solche Absprache als Begünstigung im Einzelfall wäre rechtlich äußerst bedenklich.“ Absprachen zur generellen Freihaltung von Solaranlagen gebe es nicht. Ehret betont hingegen, ihm sei es nicht um eine Begünstigung gegangen, sondern um bloß etwas stärkeres Zurückschneiden.

Ob es ein starker Schattenwurf ist, ist umstritten

Dass es an der strittigen Stelle zu einem Schattenwurf kommt, bestätigt die städtische Pressestelle. Ob dieser Schattenwurf als stark einzustufen sei, sei vor Gericht allerdings ebenfalls streitig geblieben. Und: Der Baum sei mehrfach gestutzt worden, allerdings orientiert an den Vorgaben des Nachbarrechtsgesetzes und an dem, was baumpflegerisch vertretbar sei. Ein Interessenausgleich zwischen Baumschutz und PV-Anlage werde berücksichtigt.

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Das Amtsgericht Singen entschied in erster Instanz gegen den Kläger, wie die Presseabteilung des Konstanzer Landgerichts mitteilt. Es erkannte also keinen Rechtsanspruch auf stärkeres Zurückschneiden des fraglichen Baums. Der Kläger ging laut dem Landgericht in die zweite Instanz, eben vor das Landgericht. Beim dortigen Termin habe Ehret dann die Berufung zurückgezogen, nachdem das Gericht die Rechtslage erläutert habe.

Das bestätigt der frühere Oberbürgermeister. Eine ablehnende Entscheidung der nächsten Instanz habe er nicht gebraucht und habe auch keine Kosten dafür verursachen wollen. Insofern ist der Rechtsstreit nun mit dem Urteil des Amtsgerichts beendet, denn das Urteil der Singener Richter ist nun rechtskräftig geworden. „Das Urteil habe ich akzeptiert, weil ich an den Rechtsstaat glaube“, sagt Ehret dazu.

Ehret argumentiert mit Erneuerbare-Energien-Gesetz

Im Gespräch klingt es allerdings nicht so, als wäre er mit dem Verlauf der Sache wirklich zufrieden. Er verweist auf die aktuelle Version des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2023. Dort ist in Paragraf 2 geregelt, dass die Erzeugung erneuerbarer Energien „im überragenden öffentlichen Interesse“ liege und der „öffentlichen Gesundheit und Sicherheit“ diene. „Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden“, heißt es dort weiter.

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Doch Ehret sagt auch, dass es dazu noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe – dafür müsse wohl ein Kläger den Weg durch die Instanzen weiter beschreiten. Das Landgericht beurteilte die Rechtslage hingegen auf einer anderen Grundlage, nämlich einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bürgerlichen Gesetzbuch.

Stadt betont den Baumschutz

Die Stadtverwaltung, deren erklärtes Ziel die Klimaneutralität der Stadt bis 2035 ist, positioniert sich hingegen etwas anders dazu. Die Stromproduktion sei nur ein Aspekt, wenn sich Baum und Solaranlage in die Quere kommen. Auch Bäume hätten eine erhebliche Bedeutung für den Klimaschutz und für das Mikroklima in ihrer Umgebung sowie als Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Ein Zielkonflikt zwischen Solarstrom und Baum sei daher unvermeidlich und gerade bei alten Baumbeständen könne man nicht alles neu ordnen. „Hier geht der Baumschutz wegen seiner herausragenden klimaschützenden Bedeutung dem wirtschaftlichen Einzelinteresse an optimierter Wirkung der PV-Anlage regelmäßig vor“, heißt es abschließend in der städtischen Stellungnahme.