Es ist nicht das erste Mal, dass ein 21-Jähriger und ein 20-Jähriger an diesem Tag vor Gericht stehen. Verantworten müssen sie sich vor dem Amtsgericht Radolfzell dieses Mal wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichem Angriff. Es geht um einen Vorfall im November 2023, der sich am Singener Bahnhof ereignete: Bei einer Drogenkontrolle schlug ein Zollhund bei dem 21-Jährigen an. Danach soll die Situation derart eskaliert sein, dass die beiden Zollbeamten Verstärkung anfordern mussten. Drogen wurden jedoch nicht gefunden.

„Ich war ein Problemkind“

Vor allem das Leben des 21-Jährigen wird im Gerichtssaal ausgebreitet: früh getrennte Eltern, Probleme in der Schule, mehrfach gescheiterte Ausbildungen, psychische Belastungen, eine Zeit in einer Klinik. Die Jugendgerichtshilfe beschreibt eine schwierige Kindheit mit „nächtlichen Abwesenheiten“ und darauf folgend eine Phase der Orientierungslosigkeit. „Ich war ein Problemkind“, sagt der Angeklagte über sich selbst. Seit einiger Zeit sei er nun bereits arbeits- und orientierungslos. Er lebt bei seiner Mutter, die ihrerseits auf Bürgergeld angewiesen ist.

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Der mitangeklagte 20-Jährige fiel in der Vergangenheit bereits wegen Diebstahls auf. Eine gerichtlich angeordnete Betreuungsmaßnahme blieb damals unvollendet. Die Richterin erinnert sich: „Damals sind wir zwei ja irgendwie nicht so richtig warm geworden.“ Mitunter fällt ihr fast pädagogisch anmutender Ton auf, etwa als sie den beiden deutlich ihre Lage bewusst macht: „Eigentlich heißt es doch überall, es werden dringend Leute gesucht. Aber Sie sitzen beide bei den Eltern und halten die Hand auf.“

Die Aussagen widersprechen sich

Zur Nacht im November 2023 schildert einer der damals anwesenden Beamten, der 21-jährige Angeklagte habe sich nach dem Anschlagen des Hundes mehrfach geweigert, die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. Als der Beamte ihn am Arm habe greifen wollen, sei er in „Angriffsposition“ übergegangen. „Ich wollte nicht abwarten, bis ich eine Faust im Gesicht habe“, so der Beamte. Er brachte den 21-Jährigen zu Boden, der sich dabei gewehrt habe.

Der Angeklagte selbst schildert es allerdings anders. Er habe sich nur befreien wollen und sei dann auf den Boden geworfen worden. Auch jegliche Aggression oder Bedrohung seinerseits leugnet der junge Mann: „Dann würde ich wahrscheinlich auch sagen, komm doch her.“ Der Zollhund, so behauptet er, habe ihn beinahe gebissen: „Der hat auch meine Jacke kaputt gemacht.“ Doch laut einer zweiten Zeugin, der damals anwesenden Beamtin, blieb der Hund im Platz, wie es in solchen Situationen üblich sei. Auch Verletzungen seien vor Ort nicht festgestellt worden.

Glimpflicher Ausgang für einen Angeklagten

Der 20-Jährige habe zunächst abseits gestanden, sei dann aber auf die Beamtin zugegangen und habe sie am Arm gepackt, als sie ihrem Kollegen zur Hilfe eilen wollte. Sie habe ihn zum Loslassen aufgefordert und auf seinen Arm eingeschlagen, woraufhin der 20-Jährige von ihr abgelassen habe. Sein Verteidiger betont, dass der junge Mann die Situation hätte eskalieren lassen können – es aber nicht getan habe.

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Das Gericht folgt dieser Sichtweise. Für den 20-Jährigen endet der Prozess daher glimpflich: Freispruch, quasi gegen Zahlung seiner eigenen Anwaltskosten – und der mahnende Hinweis der Richterin, die alten Betreuungsmaßnahmen nun endlich ernst zu nehmen: „Die habe ich Ihnen nicht ohne Grund auferlegt.“

Dass es zuletzt ruhig war, sei ein gutes Zeichen

Der 21-jährige Angeklagte hingegen wird schuldig gesprochen. Die Aussagen der Beamten hätten „nicht übertrieben gewirkt“, urteilt Richterin Julia Elsner. Dass der junge Mann alkoholisiert gewesen sei, sei zwar möglich, aber nicht beweisbar. Die geschilderte Aggressivität passe zum Gesamtbild. Trotzdem zeigt sich das Gericht nachsichtig: 500 Euro Geldstrafe, zahlbar in Raten, dazu 100 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich. Vonseiten des Verurteilten gibt es Einsicht. „Ich bereue es“, sagt der 21-Jährige. „Das war mein Fehler.“

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Die Richterin spricht klare Worte: „Ich habe da überhaupt keine Zweifel, dass es genauso war, wie die Zeugen berichtet haben.“ Und doch erkennt sie positive Ansätze: „Dass in den letzten zwei Jahren nichts passiert ist, werten wir als gute Entwicklung. Ich sehe Sie auf einem guten Weg.“