Der Fahrgastverband Pro Bahn übt scharfe Kritik an der Gäubahn. Dies betrifft vor allem die durch Bauarbeiten erfolgten Teilsperrungen der Bahnlinie zwischen Singen und Stuttgart. „Wie mittlerweile leider üblich, sind in den Ferienzeiten unzählige Strecken baubedingt gesperrt. Ganz besonders massiv betroffen durch vier verschiedene Bausperrungen ist die Gäubahn. Was dort als Ersatzverkehr angeboten beziehungsweise nicht angeboten wird, ist aus Sicht der Fahrgäste nicht mehr akzeptabel“, erklärt Stefan Buhl aus Radolfzell, Landesvorsitzender von Pro Bahn Baden-Württemberg. Dies schrieb er auch wie nachfolgend gegenüber dem SÜDKURIER getätigten Ausführungen an den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Herrmann und Volker M. Heepen, Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft des Landes. Antworten gibt es laut Buhl bisher nicht. Dabei sieht er bei der ausreichenden Bestellung von Zügen und Ersatzverkehren das Land gemeinsam mit den anderen Beteiligten, wie Nahverkehrsgesellschaft und Bahn, in der Pflicht.
Lange Fahrt zwischen Singen und Stuttgart
„Sonntags ist die früheste Ankunft in Stuttgart aus dem Landkreis Konstanz um 11.24 Uhr. Und tagsüber gibt es einen völlig unzureichenden Zwei-Stunden-Takt“, so Buhl. In der Gegenrichtung gebe es am Wochenende einen morgendlichen Drei-Stunden-Takt mit Abfahrten in Stuttgart um 5.37 Uhr oder 8.37 Uhr mit Ankunft Singen pünktlich zum Mittagessen erst um 11.25 Uhr. Tagesausflüge am Wochenende seien damit unmöglich – und das in den Sommerferien. Das passe weder zur propagierten Verkehrswende mit Verdoppelung der Fahrgastzahlen in sehr kurzer Zeit noch zur angeblichen Bedeutung der Gäubahn.
„Dass auf der Gäubahn formal eigenwirtschaftlicher Fernverkehr stattfindet und damit das Land keinen unmittelbaren Einfluss auf das Angebot hat, ist hier bestens bekannt. Wenn das Land aber auf bestellte Verkehre verzichtet, muss zwingend auf die Einhaltung von gewissen Mindeststandards geachtet werden“, betont Buhl. Pro Bahn bitte also dringlichst darum, unverzüglich nachzusteuern und für ein Angebot Sorge zu tragen, das wenigstens halbwegs den eigenen Ansprüchen des Ministers entspreche.
„In diesen Sommerferien findet momentan auf der Gäubahn ein wechselnder Notverkehr statt, mit dem die Pendler vergrault werden“, erklärt auch Andreas Heide aus Radolfzell, Vorstandsmitglied von Pro Bahn. Auch für die Sommerferien 2022 und 2023 sei ähnliches geplant. „Wir vom Fahrgastverband Pro Bahn protestieren gegen die stümperhaften Ersatzverkehre während der Ferien-Baustellen auf der Gäubahn. Tagesausflüge werden dadurch in vielen Relationen unmöglich, eine Verdopplung der Fahrgastzahlen – offizielles Ziel der Landesregierung – erst recht“, so Heide.
Öffentlicher Verkehr müsse an 365 Tagen im Jahr ganztägig und am besten auch nachts funktionieren. „Es ist keine Errungenschaft, wenn man den Fahrgästen antrainiert hat, vor jeder Fahrt eine Online-Auskunft einzuholen. Bei dieser Schlechtleistung von DB Fernverkehr wird die Singener Kurve in ferner Zukunft nur noch die wenigen verbliebenen Fahrgäste betreffen.“ Die Singener Kurve steht in einer hitzigen Diskussion, weil durch einen Bahn-Hauptumstieg an der Haltestelle Landesgartenschau die Fahrzeit zwischen Zürich – Singen und Stuttgart verkürzt werden soll.
Die Deutsche Bahn, Niederlassung Stuttgart, wirbt in ihrer Pressemitteilung um Verständnis. „Wir wissen, dass Baustellen für unsere Bahnkunden zum Teil eine große Belastung sind. Dennoch sind sie notwendig, um unsere Infrastruktur instand zu halten und zu modernisieren“, schreibt die Bahn. Durch die Arbeiten schaffe die Deutsche Bahn die Voraussetzungen für einen stabilen Bahnbetrieb und für Kapazitätserweiterungen. So werde die klimafreundliche Schiene zu einem leistungsstarken Verkehrsträger.
„Die Deutsche Bahn versucht, die Einschränkungen für ihre Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. Dazu bündeln wir Maßnahmen und arbeiten parallel“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Bahn führe die Bauarbeiten vorrangig während Schulferien aus. In diesen länger zusammenhängenden Zeiträumen wirke sich ein reduziertes Angebot nicht auf den Schülerverkehr und auf den Pendlerverkehr nur deutlich eingeschränkt aus. Zu alledem gebe es bei der Deutschen Bahn langfristige Planungen. Bei der Gäubahn lasse sich wegen des Umfangs notwendiger Maßnahmen und der dadurch erforderliche Zeitaufwand, und auch wegen der Finanzierung, eine Aufteilung der Bautätigkeiten auf mehrere Jahre leider nicht vermeiden.
Mehrere Streckenteile mussten gesperrt werden
„In diesem Sommer haben im Bereich der Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen mehrere Arbeiten stattgefunden. Davon betroffen waren auch angrenzende Bereiche.“ Die Deutsche Bahn habe unter anderem zwischen Aldingen und Spaichingen das Gleis erneuert. In Herrenberg, Bondorf und Eutingen im Gäu seien insgesamt 19 alte Weichen gegen neue getauscht worden. Während der Arbeiten habe es notwendige Abschnitts- und zeitweise Streckensperrungen oder andere Einschränkungen im Zugverkehr gegeben. Für Bahnkunden stünden Echtzeit-Informationen für Reiseverbindungen zur Verfügung. Aktuelle Auskünfte könnten auf m.bahn.de, in der DB Navigator-App sowie auf www.bahn.de/Reiseauskunft abgerufen werden.