Frau Graf, wenn man schon nicht offiziell feiern kann, was werden Sie dieses Jahr an der Fasnacht machen und was vermissen Sie in diesem Jahr am meisten?
Wir haben beim Pfiffikus verschiedene kontaktlose Aktionen geplant. Unsere passiven und aktiven Mitglieder, sowie alle Freunde des Pfiffikus sind aufgefordert, ihre Häuser närrisch zu dekorieren. Das werde ich mir gemeinsam mit meiner Familie bei einem Spaziergang durchs Dorf natürlich anschauen. Auf alle Fälle sehen wir uns die Fotos und Videos unserer letzten Fasnet an. Dabei werden wir uns nochmals so richtig über den großen Erfolg der Wiederbelebung des Narrenvereins Hilzingen freuen. Vermissen werde ich die vielen schönen Stunden in fröhlicher Runde mit unseren Mitgliedern.
Gibt es Erinnerungen an das Fasnachts-Ausfalljahr wegen des Irak-Kriegs?
1991 war ich erst zehn Jahre alt, allerdings kann ich mich noch gut an den Nachtumzug der Gülläpumpä-Bänd anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens erinnern. Die Bekanntgabe des Fasnachtsverbots fiel damals terminlich auf den Veranstaltungstag und alles war natürlich bereits vorbereitet. So durften die Gäste, unter denen auch ich mit meinen Eltern war, in Hilzingen die einzige offizielle Fasnetsveranstaltung in der Region miterleben.
Worauf freuen Sie sich zur Fasnet 2021 besonders?
Besonders freue ich mich darauf, dass wir am Fasnetsunntig gemeinsam mit Pfarrer Thorsten Gompper den Gottesdienst in der St. Peter und Paul Kirche gestalten dürfen und somit unser 125-jähriges Vereinsjubiläum zumindest in einem kleinen aber gebührenden Kreis feiern können. Spannend bleibt bis zur Fasnet für mich, das Ergebnis unserer Videoaktion, für die unsere Mitglieder das Hilzinger Narrenlied zuhause eingesungen haben und das dann zu einem Gesamtwerk pünktlich bis zum Schmutzige Dunschtig zusammengefügt wird.
Wie bewerten Sie den Umgang der Verbände und Vereinigungen mit den Corona-Herausforderungen?
Die Aufgaben des Vorstands beim Pfiffikus habe ich 2019 übernommen und in unserem Fall galt es einen Verein komplett neu aufzubauen. Bisher ist uns das gut gelungen und auch von Seiten der Vereinigung erfahre ich seither in allen Belangen immer eine sehr gute Unterstützung. So auch in allen Fragen zu Corona. Es ist ein großer Vorteil, dass man sich hier alle Infos und aktuelle Richtlinien an einer zentralen Stelle abholen kann.
Kann das Internet nach Corona die Fasnet der Zukunft bereichern?
Von einer Bereicherung würde ich nicht sprechen, da die Fasnet von den realen Erlebnissen, Emotionen und Begegnungen lebt. Allerdings bietet das Internet viele ergänzende Möglichkeiten, die nicht nur seit Corona von uns Narren genutzt werden. Mehr aus der Not heraus, wird das aktuell natürlich besonders ausgespielt und wir haben uns schon daran gewöhnt, online Videos zu betrachten oder virtuelle Treffen abzuhalten. Vielleicht wird die Sehnsucht nach Fasnet dadurch aber auch intensiviert und wir werden zukünftig wieder verstärkt den gelebten Brauchtum erleben dürfen.
Was ist für Sie der Geist der Fasnet, der auch ohne Veranstaltungen weiterlebt, und was zeichnet die Fasnet in ihrem Heimatort aus?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Fasnet in Hilzingen neben Höhen bekanntlich auch Tiefen hatte und dennoch nie wirklich wegzudenken war. Es fanden sich immer wieder begeisterte Menschen, die sich für die Traditionen stark machten. Gerade in der heutigen Zeit ist das nicht selbstverständlich und dass sich, wie in unserem aktuellen Beispiel, ein Verein von zuletzt einer Hand voll Hansele innerhalb weniger Monate auf eine Mitgliederzahl von 150 Aktiven entwickelt, ist schon bezeichnend. Hier steckt wohl auch der Geist der Fasnet drin und somit die wiederentdeckte Faszination am Brauchtum, am Verkleiden und natürlich an der Gemeinschaft.
Wer ist denn in diesem Jahr das wichtigste Mitglied in der Narrenzunft?
Da es in diesem Jahr mehr denn je um eine gute Korrespondenz zwischen Mitgliedern und Vorstandschaft geht, ist das sicherlich unsere Schriftführerin Elke Philipp. Was sonst viel in persönlichen Gesprächen geklärt wird, läuft nun verstärkt über sie. Sie transportiert auch alle Infos zu den Mitgliedern und sammelt die Rückmeldungen.
Glauben Sie, dass die Fasnet 2022 sein wird, wie immer?
Nein, nach den Erfahrungen der letzten Monate wird das an der Fasnet, wie wir sie kennen, nicht spurlos vorübergehen. Da ich aber von Natur aus ein sehr optimistischer Mensch bin, hoffe ich, dass wir dann zumindest wieder gemeinsam auf der Straße feiern können. Gerade für unseren Narrensome wünsche ich mir das.
Kommt Ihr Häs‘ in diesem Jahr überhaupt zum Einsatz?
Klar, ich hatte es bereits für den virtuellen Narrentag der Vereinigung und einen kleinen Videodreh schon einmal an. Auch werde ich an der Fasnet ins Häs schlüpfen.
Haben Sie ein persönliches Motto für diese Saison?
Lieber ein Jahr verzichten und dann hoffentlich nächstes Jahr wieder richtig feiern.
Und was haben Sie für den Aschermittwoch geplant?
Üblicherweise würde ich am Aschermittwoch im Haus die Überreste der Fasnacht beseitigen, dass fällt dieses Jahr leider weg und daher werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit einfach arbeiten.
Zu Person, Zunft und Serie
- Zur Serie: Zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus finden in diesem Jahr praktisch keine offiziellen Fasnachtsveranstaltungen statt. Welche Stimmung das bei Fasnetliebhaber und Zunftmitgliedern auslöst, wo es vielleicht doch ein bisschen Freude gibt und welche Hoffnungen die Narren in die Zukunft setzen – dazu kommen in der Serie elf Narren zu Wort. Jeder von ihnen bekommt die gleichen elf Fragen vorgelegt, die die Singener SÜDKURIER-Redaktion erstellt hat
- Zur Person: Kathrin Graf hat zur Generalversammlung im Juli 2019 die Verantwortung für die Hilzinger Narren übernommen. Nachdem acht Jahre zuvor die Holzer und deren Partnerinnen aus der Eselgruppe dem Pfiffikus den Rücken kehrten, wurde es immer schwieriger die traditionellen Fasnachtsveranstaltungen zu stemmen. Mit Katja Guggemos und Elke Philipp beschloss sie selbst aktiv zu werden und den Narrenverein zu übernehmen. Wolfgang Reichle fungiert als stellvertretender Vorsitzender wiedergewählt. Katja Guggemosist aktuell die Kassiererin der Hilzinger Narren, Anne Lenz ist Protokollführerin und Elke Philipp ist Schriftführerin.
- Zur Zunft: Nur noch rund 15 Mitglieder zählte der 1896 gegründete Verein vor zwei Jahren. Seither geht es wieder aufwärts und inzwischen sind wieder über 130 Narren, darunter allein 50 Kinder, beim Pfiffikus aktiv.
- Zur Geschichte: Im Jahre 1860 wurde in Hilzingen das „Narren-Comitè“ gegründet, ein Vorläufer des Narrenvereins, der 1896 gegründet wurde. 1965 wurde der Verein Mitglied der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee.