Sabine Tesche protokolliert

Herr Hespeler, wenn man schon nicht offiziell feiern kann, was werden Sie dieses Jahr an der Fasnacht machen und was vermissen Sie am meisten?

Ich werde jetzt nicht unbedingt mein Ornat ins Bett anziehen, aber die zahlreichen Veranstaltungen mit persönlichen, launigen Kontakten zu lieb gewonnenen Narrenfreunden fehlen am meisten. Das können auch virtuelle Veranstaltungen nicht ersetzen. Trotzdem ist es besser als gar nichts und bringt zumindest etwas fastnächtliche Fröhlichkeit in die Wohnzimmer. Ich werde, so gut es geht, an den wenigen Veranstaltungen im Häs teilnehmen, mir tolle Fastnachtsvideos unserer Zünfte anschauen, werde versuchen, unsere Zünfte zu unterstützen und mich darüber hinaus um die Spendenaktion für den Museumsneubau kümmern.

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Gibt es Erinnerungen an das Fasnachts-Ausfalljahr wegen des Irak-Kriegs?

Oh ja. Wir haben damals noch in Waiblingen gewohnt, waren jedoch bereits bei der Narrenzunft Käfersieder Mühlhausen engagiert. Ich erinnere mich, dass wir trotz des Ausfalls die Kinder des Kindergartens befreit haben. Auch ein Umzug durch den Ort wurde spontan und ohne Häs durchgeführt. Es lag viel Schnee und so fand am Fasnetsunntig kurzfristig ein Schlittenfahren am Mägdeberg statt, das in einem ausgedehnten Fasnetshock endete. Das geht dieses Jahr natürlich nicht. Manche haben behauptet, das sei die schönste Fastnacht gewesen.

Die Käfersieder aus Mühlhausen.
Die Käfersieder aus Mühlhausen.

Worauf freuen Sie sich zur Fasnet 2021 besonders?

Die diesjährige Fastnacht könnte trotz aller Einschränkungen die kreativste Fastnacht seit Jahren werden. Es ist toll zu erleben, was für neue Formate und Aktionen sich manche Zünfte überlegen. Darauf bin ich gespannt. Das sind teilweise Neuerungen, die auch nach Corona unsere Fastnacht bereichern können.

Wie bewerten Sie den Umgang der Verbände und Vereinigungen mit den Corona-Herausforderungen?

Wir haben uns innerhalb der Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Narrenverbände, die immerhin aus 14 Verbänden mit etwa 700 Narrenzünften besteht, über das weitere Vorgehen abgestimmt. Ziel ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der Situation. Das bedeutet, dass die Gesundheit der Akteure, Teilnehmer und Gäste oberste Priorität haben muss. Trotzdem sind wir der Meinung, dass eine komplette Absage der falsche Weg wäre, weil sich ein echter Narr die Fastnacht einfach nicht verbieten lässt und dadurch die Gefahr von unkontrollierten Treffen mit hohem Ansteckungsrisiko noch viel größer wäre. Wir haben deshalb klare Regeln vorgegeben. Grundlage aller Aktivitäten ist die geltende Corona-Verordnung. Was gemäß dieser möglich ist, muss jedoch mit den Gemeinden abgestimmt werden, bevor es umgesetzt werden darf. Das ist aus meiner Sicht richtig und konsequent.

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Kann das Internet nach Corona die Fasnet der Zukunft bereichern?

Unbedingt. Ich gehe davon aus, dass es die Fastnacht nicht grundlegend verändern, aber bereichern wird. Und zwar dahingehend, dass durch diese Maßnahmen ein bisschen Freude an unserer Fastnacht auch zu den Leuten gebracht wird, die nicht mehr aktiv daran teilnehmen können.

Was ist für Sie der Geist der Fasnet, der auch ohne Veranstaltungen weiterlebt, und was zeichnet die Fasnet in ihrem Heimatort aus?

Das ist eine schwierige Frage. Fastnacht steht nicht nur im Kalender, sondern Fastnacht ist ein Gefühl. Aber zur Fastnacht gehören nun mal auch Veranstaltungen. Die Fastnacht vereint Alt und Jung, verbindet Menschen aus unterschiedlichen Ländern und aus unterschiedlichen sozialen Schichten mit einem freundschaftlichen „Du“. Der Gründer der Schmieder-Kliniken und erste Präsident unseres Fasnachtsmuseums Schloss Langenstein, Friedrich Georg Schmieder, hat einmal gesagt: „Fastnacht ist für manchen eine Therapieform, die Stunden beim Psychotherapeuten ersparen kann.“ Aber ohne den persönlichen Kontakt, ohne sich in die Arme zu nehmen, geht es nicht.

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Wer ist denn in diesem Jahr das wichtigste Mitglied in der Narrenzunft?

Der Wichtigste bei uns ist immer Walter Benz (...ist natürlich nicht ganz ernst gemeint). Aber eine ganz wichtige Funktion kommt in diesem Jahr auf die Medienverantwortlichen in den Zünften zu, da vieles über Internet, YouTube und die sozialen Netzwerke läuft.

Glauben Sie, dass die Fasnet 2022 sein wird, wie immer?

Wir wissen es nicht aber wir hoffen und wünschen uns, dass wir 2022 wieder ein Stück weit zur Normalität zurückkehren können.

Kommt Ihr Häs in diesem Jahr überhaupt zum Einsatz?

Ja natürlich! Bei virtuellen Veranstaltungen und vielleicht auch beim einen oder anderen kleineren Anlass.

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Haben Sie ein persönliches Motto für diese Saison?

Klein, fein und im Freien... oder virtuell.

Und was haben Sie für den Aschermittwoch geplant?

Nachdem wir über Fastnacht nicht sündigen können, entfällt die Beichte. Somit nur Aschenkreuz empfangen und Schnecken essen – vermutlich zu Hause.

Zu Person, Zunft und Serie

  • Zur Serie: Zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus finden in diesem Jahr praktisch keine offiziellen Fasnachtsveranstaltungen statt. Welche Stimmung das auslöst, wo es vielleicht doch ein bisschen Freude gibt und welche Hoffnungen die Narren in die Zukunft setzen – dazu kommen in der Serie elf Narren zu Wort. Jeder von ihnen bekommt die gleichen elf Fragen vorgelegt, die die Singener SÜDKURIER-Redaktion erstellt hat
  • Zur Person: Rainer Hespeler stammt aus Singens Süden und ist Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee (NVHB) mit rund 35.000 Mitgliedern und 20.000 Hästrägern. Die närrische Laufbahn hat er bei den Käfersiedern aus Mühlhausen gestartet. Seine Brötchen verdient er im Privatleben bei der Singener Maschinenbaufirma Breyer. Die Gottmadinger Gerstensackzunft ernannte ihn 2016 zum „Ehren-Gerstensafter“ ernannt. Hespeler hat sich als würdiger „Bier-Botschafter“ für die Gottmadinger Zunft erwiesen.
  • Zur Zunft: Die Narrenvereinigung Hegau-Bodensee (NVHB) wurde am 19. April 1959 im Mohren in Volkertshausen aus der Taufe erhoben. 24 Vertreter von Zünften kamen zusammen und erklärten ihren Beitritt zur Narrenvereinigung. Bei einem Narrentreffen im Jahr zuvor entstand die Idee. Aktuell gibt es 121 Mitgliedszünfte und Vereine aus den sechs Landschaften Hegau-Randen, Heuberg, Nellenburg, Rosenegg, Linzgau und Höri-Bodanrück. (sk)