Die Singener Feuerwehr hat kürzlich einen kuriosen Aufruf gestartet: Die Nutzer in den sozialen Medien sollten schätzen, zu wie vielen Einsätzen die Feuerwehr rausfahren musste. Am nächsten dran sei laut Feuerwehrkommandant Mario Dutzi eine Schätzung von ungefähr 580 Einsätzen gewesen. „Leider entspricht die Zahl nicht ganz der Realität, sie liegt noch etwas höher“, so Dutzi. Bei einem Gespräch mit dem SÜDKURIER gibt Dutzi die Einsatzzahl preis: 639, das ist Rekord.

„Es haben sehr viele Feuerwehren ringsherum wesentlich mehr Einsätze als normal.“ Jean Pierre Müller, Kommandant der ...
„Es haben sehr viele Feuerwehren ringsherum wesentlich mehr Einsätze als normal.“ Jean Pierre Müller, Kommandant der Feuerwehr Hilzingen | Bild: Ingeborg Meier

Aber nicht nur in Singen sei es ein Rekordjahr gewesen. Der SÜDKURIER hat auch bei den Kommandanten in Hilzingen, Gottmadingen und Engen nachgefragt. Alle bestätigen die Rekordzahlen auch für ihren Einsatzbereich. Jean-Pierre Müller, Kommandant in Hilzingen, erweitert diese Aussage noch: „Es ist nicht nur im Kreis Konstanz so, sondern es zieht sich ein wenig durch das Ländle. Es haben sehr viele Feuerwehren ringsherum wesentlich mehr Einsätze als normal.“

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Dabei möchte er eigentlich nicht von einem Rekordjahr sprechen. „Rekordjahr, das hört sich immer positiv an – ja, es ist ein Rekordjahr, aber es ist auch immer negativ, weil es ein ganzer Haufen an Einsätzen war“, sagt Müller.

Woran es liegen könnte, ist nicht ganz klar

Für diesen Haufen an Einsätzen gebe es aber keinen bestimmten Grund, der herausstechen würde, sagen die vier Kommandanten. Einen wesentlichen Teil dazu beigetragen habe aber der Schneebruch Anfang Dezember. Laut Stefan Kienzler, Kommandant bei der freiwilligen Feuerwehr in Gottmadingen, seien alleine durch die Schneemassen im Dezember ungefähr 20 Einsätze dazu gekommen. „Wir liegen in Gottmadingen aktuell bei knapp über 100 Einsätzen dieses Jahr.“ Der Hilzinger Kommandant Müller beschreibt das Wochenende Anfang Dezember ebenfalls als intensiv.

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Der Kommandant aus Engen, Markus Fischer, will es hingegen nicht nur auf Anfang Dezember beschränken, sondern spricht von einer allgemeinen Zunahme an Unwetterereignissen. So sei es zu einem Sturmeinsatz im März gekommen, bei dem zahlreiche Dachziegel von den Dächern gefallen seien.

Alte Menschen brauchen öfter die Feuerwehr

Doch es gibt laut Mario Dutzi einen weiteren Grund, der zu einem Anstieg der Einsatzzahlen führt: den demografischen Wandel. Hierbei gehe es um mögliche Notlagen in Wohnungen, bei denen die Tür geöffnet werden muss, erklärt er. Er stelle fest, dass viele ältere Menschen alleine leben und die Angehörigen nicht mehr wie früher ein Haus weiter wohnen. „Dann ist im medizinischen Notfall keiner vor Ort, der die Tür öffnen kann. Das hat zur Folge, dass öfter die Feuerwehr gerufen wird“, gibt Dutzi einen Einblick.

Singens Feuerwehrkommandant Mario Dutzi registriert immer mehr Einsätze, wo ältere Menschen Hilfe brauchen.
Singens Feuerwehrkommandant Mario Dutzi registriert immer mehr Einsätze, wo ältere Menschen Hilfe brauchen. | Bild: Tesche, Sabine

Das sei auch ein Thema für die kommenden Feiertage. Gerade die vergangene Silvesternacht habe gezeigt, was für die Feuerwehr los sein könne. „Silvester 2022 war der Start in das neue Jahr, der uns gezeigt hat, wo es hingehen wird. Ich glaube, es waren über zehn Einsätze in der Silvesternacht„, sagt Dutzi.

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Ein erhöhtes Risiko sei zu dieser Zeit etwa durch Kerzen immer da, erklärt Kommandant Fischer. Allgemein seien die Feiertage Ende Dezember für die Kommandanten normale Arbeitstage. „Wir nehmen die Tage so, wie sie kommen. Wir machen da auch nicht etwas Besonders an Bereitschaft oder so. Wir können das nicht steuern“, ergänzt Kommandant Kienzler.

Und auch für Müller sei die Arbeit an Weihnachten kein Problem, aber die Einsätze zu dieser Jahreszeit seien bei ihm immer wieder mit Bauchschmerzen verbunden. Erst kürzlich gab es in Hilzingen einen Verkehrsunfall mit Todesfolge. Der Kommandant der Feuerwehr Hilzingen denke vor allem auch an unschöne Einsätze an den Weihnachtstagen 1999 zurück. Damals zog das Sturmtief „Lothar“ durch Deutschland. „Ich habe mit der Einsatzhäufigkeit gar kein Problem, aber wenn Menschen zu Schaden kommen, ist es der Teil, den keiner braucht“, sagt Müller.

Weniger Selbstständigkeit bei den Menschen

Kienzler kann ebenfalls ein Lied davon singen, aber ein Problem habe laut dem Gottmadinger Kommandanten die Feuerwehr dabei: „Die Selbstständigkeit der Bürger geht ein bisschen verloren.“ Ähnlich ergehe es Müller: „Die Menschen sind manchmal sehr bequem, wenn man sieht, wegen was man rausfährt.“

Das bestätigt auch Fischer. Die Entwicklung über die Jahre zeige, dass die Bürger schneller die Feuerwehr rufen würden als früher. Hierfür würden sich die Kommandanten ein wenig mehr Eigeninitiative der Bürger wünschen, so Fischer. Die Leute würden es sich oft zu einfach machen. „Gerade bei Unwettern wie Anfang Dezember, wenn mal ein kleiner Ast auf der Straße liegt“, erzählt Kienzler.

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Denn bei all diesen Einsätzen dürfe man nicht vergessen, dass es sich um freiwillige Feuerwehren handle. Das bedeutet: Die Feuerwehrleute üben ein Ehrenamt aus und gehen hauptberuflich arbeiten. Durch die hohen Einsatzzahlen müssten die Kräfte öfter ihren Arbeitsplatz verlassen. „Ärgerlich sind die Fehlalarme, wenn wir unsere Leute aus ihrem Arbeitsprozess rausholen und nachher nichts ist“, so Kienzler.