Das Handy-Video zeigt einen auf dem Bauch am Boden liegenden, hilflosen, blutüberströmten Mann, dem zweimal mit dem Fuß gegen den Kopf getreten wird. Der Täter, der filmte, sagt zur Entstehung des Videos: „Ich hab das Handy gehalten und getreten.“ Aufgenommen wurde der Film von einem der drei jungen Männer, die sich nun vor dem Konstanzer Landgericht wegen gemeinschaftlichem Raub, besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung verantworten mussten.
Sie gaben vor Gericht zu, am 30. August vergangenen Jahres, früh morgens gegen 3.30 Uhr einen damals 39-Jährigen brutal geschlagen, getreten und beraubt zu haben und dann geflüchtet zu sein. Das Video und die Fotos der Verletzungen ließen selbst den ermittelten Kommissar, der nach eigenen Angaben schon viel gesehen hat, fassungslos zurück. „Wenn das Taxi nicht gekommen wäre, wäre der Mann jetzt wahrscheinlich tot“, erklärte er als Zeuge im Verfahren.
Täter sprachen das Opfer vor der Bar an
Das 39-jährige Opfer hatte sich in der Tatnacht ein Taxi gerufen, nachdem er vorher die Café-Bar Olympia in der Südstadt besucht und schwer angetrunken mit 2,6 Promille verlassen hatte, schilderte Staatsanwältin Morgenthal den Ablauf. Er wartete vor der Bar auf die Ankunft des Taxis. Da seien die drei jungen Männer, 17, 18 und 21 Jahre alt, aufgetaucht, hätten den Wartenden angesprochen, nach Zigaretten gefragt und danach, ob er genug Bargeld für ein Taxi habe.
Der 39-Jährige habe den jungen Männern seine Zigaretten gegeben, jeder nahm sich eine, doch der 21-Jährige habe die ganze Schachtel eingesteckt. Als der 39-Jährige diese zurückverlangt habe, bekam er einen Schlag gegen das linke Auge. Er ging zu Boden und habe dann versucht, zu flüchten. Doch die Täter holten ihn ein, stahlen ihm 500 Euro und die Bankkarte aus dem Geldbeutel und forderten unter Tritten ins Gesicht die Herausgabe der Pin-Nummer. Als das herbeigerufene Taxi kam, flüchteten die Täter.
Das 39-jährige Opfer leidet bis heute unter den Folgen des Angriffs. Die Entschuldigungen der Täter im Gerichtssaal wollte er nicht annehmen und auch nicht hören. Der aus Rumänien stammende Mann wurde per Videoschalte befragt, weil die Anwesenheit der Beschuldigten ihn zu sehr belastete. Er hatte Mühe, die Befragung durchzustehen.
39-Jähriger durch den Angriff zerstört
Er sei durch den Angriff zerstört worden, übersetzte die Dolmetscherin übersetzte. Er habe durch den Schlag und die Tritte Verletzungen am Kopf erlitten, die Nase sei gebrochen worden und er habe Prellungen am Oberkörper und den Rippen davongetragen, die immer noch schmerzten. Nach dieser Nacht traue er sich mehr im Dunkeln nicht auf die Straße, seine Chefs würden ihn nach der Arbeit nach Hause fahren. Er habe Angst, herauszugehen, und leide unter Panikattacken.
Obwohl die drei jungen Täter zugaben, dass sich alles so zugetragen habe, wie von der Staatsanwältin vorgetragen, sagten sie immer wieder, dass sie sich nicht an den Ablauf erinnern könnten. Sie hätten den ganzen Mittag und Abend über hochprozentigen Alkohol – die Rede war von mehreren Flaschen – und Drogen konsumiert und deshalb Erinnerungslücken.
Richter Joachim Dospil und Richterin Karoline Krüger fragten wiederholt nach Details und stellten in Aussicht, dass ein Mitwirken bei der Aufklärung Auswirkungen auf das Strafmaß hätte. Das lasse sich reduzieren, wenn man zur Aufklärung beitrage. Auch die Rolle eines vierten Mannes, der bei dem Angriff dabei gewesen sein soll, sei nicht geklärt.
Alle drei Angeklagten gaben an, seit ihrer Jugend, Alkohol und Drogen zu konsumieren. Der 21-Jährige, der seit dem Raub in Untersuchungshaft sitzt, berichtete, bis zu seiner Inhaftierung täglich zehn Dosen Jack Daniels und eine Flasche Wodka getrunken und zusätzlich Kokain genommen zu haben. Eine Ausbildung habe er abgebrochen, die Eltern seien hilflos: „Sie haben alles probiert, aber es hat nichts geholfen.“ Sein Ziel sei, sein Suchtproblem in den Griff zu bekommen, Arbeit zu finden und eine Familie zu gründen.
Beim jüngsten Angeklagten, der bei der Tat 17 Jahre alt war, hat die U-Haft seinen Angaben nach zum Umdenken bewogen. Er habe, seit er 15 Jahre alt sei, sechs bis acht Joints geraucht, rühre jetzt aber keine Drogen und keinen Alkohol mehr an und wolle seinen Hauptschulabschluss nachholen. Der dritte Angeklagte verlor durch die Tat seinen Ausbildungsplatz. Er trinke nach wie vor Alkohol und konsumiere Kokain, nur nicht mehr so viel wie früher und bemühe sich um einen neuen Ausbildungsplatz, erklärte er.
Brutalität der Tat schockiert
Die Brutalität der Tat war ausschlaggebend für das Urteil: „Sie haben Glück, dass der Mann noch lebt“, sagte Richter Dospil. Der älteste Beschuldigte war mit 21 Jahren bei der Tat bereits erwachsen. Er sei laut Staatsanwaltschaft bereits zwei Mal wegen Körperverletzung verurteilt worden. Das Video zeige ihn gemeinsam mit dem 18-Jährigen als denjenigen, der den hilflos am Boden liegenden Mann getreten habe. Für ihn spreche, dass er dem Opfer 2000 Euro als Wiedergutmachung gezahlt habe und weitere 8000 Euro überweisen will, wenn er wieder Arbeit habe. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.
Der zweite Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tat gerade 18 Jahre alt, doch die Jugendgerichtshilfe attestierte ihm, nicht die Reife eines Erwachsenen zu haben. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ohne Bewährung, weil bei ihm erzieherische Maßnahmen notwendig seien.
Für den jüngsten Angeklagten forderte die Staatsanwältin eine zweijährige Jugendstrafe auf Bewährung, zu der er auch verurteilt wurde. Für ihn spreche, dass er nach der Tat einen Notruf abgesetzt hatte. Außerdem habe aus der Haft einen Entschuldigungsbrief geschrieben, dem Opfer 1000 Euro Schmerzensgeld überwiesen und sei laut dem Richter auf einem guten Weg. Eine Schuldminderung durch die Drogen und den Alkohol sah das Gericht bei den beiden älteren Angeklagten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.