Es hat für überregionales Aufsehen gesorgt, als Singener Polizisten im Februar einen elfjährigen Jungen in Handschellen legten und mit zum Polizeirevier nahmen. Die juristische Aufarbeitung des Falles läuft. Doch bis klar ist, wie es in der Sache weitergeht, heißt es zunächst einmal vor allem – abwarten. Wo der Fall heute steht:
- Stand des Verfahrens: Als Beschuldigte werden bei der Konstanzer Staatsanwaltschaft in dem Fall vier Polizisten geführt. Im Hintergrund steht der grundlegende Vorwurf, dass der Elfjährige ungerechtfertigt in Handschellen mit zum Polizeirevier genommen worden sei. Von Anfang an wurden auch Rassismus-Vorwürfe laut (siehe Text unten). Denn der betroffene Junge gehört zur Gruppe der Sinti und Roma. Die Familie des Elfjährigen erstattete Anzeige. Da die Beschuldigten Polizeibeamten sind, hat die Kriminalpolizei Rottweil die Ermittlungen übernommen. Deren Ermittlungen seien mittlerweile abgeschlossen, sagt Staatsanwalt Andreas Mathy, der auch Sprecher der Konstanzer Staatsanwaltschaft ist.
Der Junge und drei weitere Kinder wurden schon im Frühjahr richterlich vernommen. Diese Art der Vernehmung wurde laut damaligen Auskünften der Staatsanwaltschaft auch deswegen gewählt, weil sie auf Video mitgeschnitten werden darf. Eine erneute Aussage in einem möglichen Gerichtsverfahren bliebe den Kindern dann erspart. Auch die Polizisten hätten inzwischen Stellungnahmen abgegeben, sagt Mathy.
- Gibt es eine Anklage? Ob seine Behörde Anklage erheben wird, stehe derzeit allerdings noch nicht fest, so der Staatsanwalt. Nach den Stellungnahmen der Polizisten würde nun zunächst einmal der Vertreter der Anzeiger die Gelegenheit bekommen, eine Stellungnahme abzugeben. Bis die Staatsanwaltschaft ihre, korrekt ausgedrückt, verfahrensabschließende Entscheidung trifft, werde es daher bestimmt Anfang September, sagt Mathy. Im April lautete seine Einschätzung noch, dass die Entscheidung Mitte oder Ende Mai falle. Aus der weiteren Stellungnahme der Anzeigerseite erkläre sich die Verzögerung.
- Was sagen die Anwälte? Die Familie des Elfjährigen, der in Handschellen mitgenommen wurde, wird von Mehmet Daimagüler juristisch vertreten. Seinen aktuellen Stand in dem Verfahren schildert er so, dass er vor zwei bis drei Monaten in die Akte geschaut habe. Damals hätten die beschuldigen Polizisten noch von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Im Mai habe er dann die Information bekommen, dass einer der Anwälte der Beschuldigten-Seite gesagt habe, für eine Stellungnahme brauche man noch Zeit. „In meinen Augen ist es da langsam mal gut“, kommentiert Daimagüler.
Anwalt sieht Vorwürfe gegen die Polizisten bestätigt – wenn deren Stellungnahmen nichts gründsätzlich Neues ergeben
Aus seiner Sicht haben sich die Vorwürfe gegen die Polizisten bestätigt. Die Beamten hätten keine Veranlassung gehabt, so vorzugehen. Und der Anwalt geht noch weiter: „Aus meiner Sicht ist die Sache anklagereif.“ Wenn es zwischenzeitlich Einlassungen der beschuldigten Polizisten gab, werde er Akteneinsicht beantragen. Sollte sich dabei nichts grundsätzlich Neues ergeben, bleibe er bei seiner Einschätzung: „Es bleibt eine Schweinerei.“ Die Polizisten hätten bei der Durchsuchung die Krankenkassenkarte des Elfjährigen gefunden und hätten um sein Alter wissen können, sagt Daimagüler. Und er vertraue darauf, dass es bei Polizei und Staatsanwaltschaft genügend Leute gebe, die sehen, wie wichtig ein öffentliches Verfahren sei.
Das öffentliche Interesse an einer Gerichtsverhandlung sieht auch Engin Sanli. Er ist als Zeugenbegleiter für drei der vier Kinder an dem Fall beteiligt. Bei einer der Vernehmungen sei dann noch eine weiterer Aspekt zutage getreten, der bislang noch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, erklärt der Anwalt am Telefon. Er erstattete zusammen mit der betroffenen Familie Anzeige wegen Beleidigung. Seine Bewertung lautet: Die Aufarbeitung des Falles ziehe sich inzwischen ziemlich in die Länge, nachdem es am Anfang noch relativ schnell zu gehen schien.
- Was sagt die Polizei? Zu dem laufenden Verfahren, in dem Polizeibeamte betroffen sind, äußert sich die Pressestelle des Konstanzer Polizeipräsidiums seit einiger Zeit nicht mehr. Dies hat sich auch jetzt nicht geändert. „Die Polizei erhebt den Anspruch, rechtmäßig zu handeln“, sagt Dieter Popp, Sprecher des Polizeipräsidiums, dazu. Wird der Vorwurf erhoben, dass dies nicht der Fall sei, solle dieser von einer neutralen Stelle, also der Staatsanwaltschaft, überprüft und bewertet werden, so Popp. Die Sicht der beschuldigten Polizeibeamten lässt sich daher vor einem möglichen öffentlichen Gerichtsverfahren nicht wiedergeben. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.