Es dürfte der Albtraum eines jeden Autofahrers sein: Man ist auf der Autobahn in normalem Tempo unterwegs und denkt an nichts Böses. Da kommen plötzlich mit hoher Geschwindigkeit andere Fahrzeuge herangeschossen, fahren dicht auf, nötigen per Warnblinker zum Spurwechsel oder überholen gefährlich. Man ist in ein illegales Autorennen auf einer Autobahn hineingeraten.
War in früheren Zeiten in Mitteilungen der Polizei von illegalen Autorennen die Rede, so fanden diese meistens in der Nacht oder den frühen Morgenstunden statt – gegen 2 oder 3 Uhr, wenn wenig Verkehr auf der Autobahn herrscht. Nun hat die Polizei innerhalb von etwas mehr als drei Wochen von zwei illegalen Autorennen auf der Autobahn 81 berichtet, die mitten am Tag stattfanden – einmal an einem Samstag gegen 8.30 Uhr, das andere Mal am Pfingstsonntag gegen 10.50 Uhr. Im letzteren Fall waren laut der Mitteilung sogar zehn Autos an dem Rennen beteiligt. Beide Male trugen die Fahrzeuge Schweizer Kennzeichen.
Illegale Autorennen sind eine Straftat
Ein neues Phänomen? Polizeisprecherin Nicole Minge vom Polizeipräsidium Konstanz ist vorsichtig: „Ob es sich hierbei um ein neues Phänomen handelt, kann nicht gesagt werden.“ Doch sie erklärt auf Nachfrage auch, dass sich die Täter von illegalen Autorennen normalerweise Tageszeiten mit wenig Verkehr aussuchen.
Täter – das klingt nach Kriminalität. Illegale Autorennen sind in Deutschland tatsächlich eine Straftat, erklärt die Polizeisprecherin. Wie diese Straftat sanktioniert wird, ist in Paragraf 315d des Strafgesetzbuches geregelt. Demnach stehen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen auf illegale Autorennen. Bestraft werden nach dem Paragrafen Menschen, die ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichten oder durchführen, daran teilnehmen oder „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ fahren, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Sind Leib und Leben anderer Menschen oder fremde Sachen gefährdet, sieht das Gesetz noch deutlich höhere Strafen vor, bis hin zu zehn Jahren Gefängnis.
Das ist geschehen
Warum tut jemand so was? Ist es vielleicht gerade der Nervenkitzel, den Raser bei illegalen Autorennen mitten am Tag suchen? Zu den Motiven der Täter sei derzeit nichts bekannt, erklärt Polizeisprecherin Minge. Dass illegale Rennen tagsüber ein Ersatz für die inzwischen unterbundenen Tuner- und Posertreffen in Singen geworden sind, davon gehe die Polizei indes nicht aus. Die Szene sei in der Stadt nicht mehr so aktiv wie früher, was auch an intensiven Kontrollen liegen könnte. Doch illegale Rennen auf der A81 habe es schon früher gegeben – mit ein Grund für die Beschränkung auf 130 Kilometer pro Stunde zwischen Engen und Geisingen.
Weil die Fahrer eine Straftat begehen, sei auch der Bußgeldkatalog nicht von Belang bei der Strafverfolgung. Und Schweizer Bußen auf deutschem Boden zu verhängen, sei ohnehin nicht möglich, so Minge. Was allerdings auch bei Fahrern aus dem Ausland möglich ist, sind Fahrverbote für Deutschland, erklärt Frank Grundke, Staatsanwalt und Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil. Im Fall der beiden illegalen Rennen auf der A81 im Mai ist seine Behörde für die Strafverfolgung zuständig, weil beide Rennen im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Rottweil beendet wurden. Wird jemand erwischt, der trotz Fahrverbot in Deutschland Auto fährt, so werde das als Fahren ohne Fahrerlaubnis bestraft.
Und bei EU-Bürgern mit Wohnsitz im Inland können auch deutsche Behörden den Führerschein einziehen, heißt es im Paragraf 69b des Strafgesetzbuchs. Die Sperre, bis jemand den Führerschein zurückbekommt, ist laut Paragraf 69a des Strafgesetzbuchs mindestens ein halbes Jahr lang. Kommt es dazu, so könne der Weg lang und steinig werden, bis man den Führerschein zurück erhält, sagt Staatsanwalt Grundke. Denn die Landratsämter können dann unter Umständen auch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund auch als Idiotentest bezeichnet, verlangen.
Ermittler setzen auf Fotos und Videos
Bei den Ermittlungen setzen die Polizisten hauptsächlich auf Videos und Fotos. Und die Chancen darauf, dass es entsprechendes Material gibt, stehen offenbar nicht schlecht: „Generell ist es üblich, dass sich Rennteilnehmer untereinander filmen“, schreibt Polizeisprecherin Minge. Falls die Beamten solche Aufnahmen sichern könnten oder auch Bilder oder Videos von Zeugen bekämen, sei es gut möglich, weitere Teilnehmer zu ermitteln. „Wichtig ist in so einem Fall, dass Zeugen sich die Kennzeichen der Fahrzeuge merken“, so Minge weiter. Auf dem Armaturenbrett installierte Kameras, auch bekannt als Dashcams, die permanent filmen, seien in Deutschland hingegen verboten und ohnehin selten.
Warum die Staatsanwaltschaft in den beiden Fällen im Mai so unterschiedlich hart vorging, könne man nicht pauschal beantworten, erklärt Staatsanwalt Grundke. Im ersten Fall wurde ein Auto eingezogen, im zweiten Fall durften die beiden Fahrer nach der Polizeikontrolle weiterfahren. Das hänge unter anderem davon ab, ob jemand wiederholt auffällig geworden sei, ob das Rennen Schäden oder gar Verletzungen verursacht habe. Wichtig sei, so Polizeisprecherin Minge, dass konsequent gegen illegale Rennen vorgegangen werde, „damit allen Beteiligten klar ist, dass so etwas nicht geduldet wird“.