
Sie waren zu zweit und fuhren Mitte August von Stockach kommend auf der A98 in Fahrtrichtung Singen. Beim Wechsel auf die A81 am Autobahnkreuz Hegau überholten die beiden Porsches mit Schweizer Kennzeichen gegen 20.30 Uhr mehrere Fahrzeuge, setzten sich auf beiden Fahrenspuren nebeneinander und beschleunigten laut Augenzeugen stark. In „Rennmanier“, wie die Polizei es ausdrückte, rasten sie über die Autobahn A81 bis zum Grenzübergang Thayngen.
Mehrere Augenzeugen des illegalen Autorennens hatten inzwischen die Polizei verständigt. Noch an der Grenze konnten Beamte die zwei Porsche-Fahrer im Alter von 34 und 51 Jahren stoppen und ihre hochmotorisierten Sportwagen sicherstellen. Ihnen droht nun eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe sowie der Entzug des Führerscheins.
Kein Kavaliersdelikt mehr
Erst seit Mitte 2017 darf die Justiz illegale Autorennen als Straftaten verfolgen. Seitdem kann schon die Teilnahme an einem solchen Rennen mit einer Haftstrafe geahndet werden. Darunter fallen auch „Alleinrennen“ gegen die Uhr oder mit dem Ziel, das maximale Tempo des Wagens zu erreichen.
Sollten die beiden Rennfahrer bei ihren Überholvorgängen andere Verkehrsteilnehmer gefährdet haben, drohen ihnen sogar bis zu fünf Jahre Haft. Wäre ein Mensch verletzt oder getötet worden, was nicht der Fall war, kann ein Gericht nun sogar eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren verhängen. Zuvor galten illegale Kraftfahrzeugrennen fast als Kavaliersdelikt und wurde lediglich als Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld verfolgt.
Mordanklage und lebenslange Haft möglich
Seit 2020 können rücksichtslose Rennfahrer sogar wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden, wenn sie bewusst das Leben von Menschen riskiert haben und diese starben. Das bestätigte kürzlich der Bundesgerichtshof. Anlass war ein illegales Autorennen im Jahr 2016 mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 170 km/h im Zentrum vom Berlin, bei dem ein unbeteiligter und bei grüner Ampel einbiegender Autofahrer am Kurfürstendamm starb.

Trotz dieser Strafverschärfungen werden der Polizei im Südwesten immer mehr illegale Autorennen angezeigt, die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen: Im ersten Halbjahr 2021 registrierte die Polizei in Baden-Württemberg 263 illegale Kraftfahrzeugrennen – elf mehr als im gesamten Jahr 2019 und im Frühjahr 2020 zusammen, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Hans-Peter Storz (SPD) hervorgeht.
Rund 20 Rennen auf A81-Abschnitt
Die meisten Rennen im ersten Halbjahr 2021 wurden demnach im Südwesten im Ortenaukreis gemeldet (20), gefolgt vom Rems-Murr-Kreis (16) und dem Kreis Böblingen (15 Fälle). Im Landkreis Konstanz waren es im ersten Halbjahr acht illegale Rennen. 13 Fahrzeuge konnten die Beamten dabei anhalten und eben so viele Lenker anzeigen.

Seit 2018 registrierte die Konstanzer Polizei im Landkreis mehr als 50 illegale Straßenrennen. Die mit Abstand beliebteste „Rennstrecke“ ist dabei die A81, auf der auch die beiden Porschefahrer mit Schweizer Kennzeichen unterwegs waren. Etwa 20 Rennen wurden auf dem rund 50 Kilometer langen Abschnitt zwischen zwischen dem Autobahnkreuz Hegau und Geisingen angezeigt.
Dabei gilt zwischen Geisingen und Engen in beide Richtungen ein Tempolimit von 130 km/h, das laut Uwe Vincon, Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, regelmäßig überwacht wird. „Als Begründung für die Geschwindigkeitsbeschränkung hat die Straßenverkehrsbehörde die Gefahrenlage in Verbindung mit Rennen auf der A81 angeführt“, sagt Vincon.
80 Kilometer langes Rennen
Auffällig ist auch ein Straßenrennen, das laut Polizeidaten im Jahr 2020 auf der A81 zwischen Geisingen und Bietingen gefahren worden sein soll, was einer Strecke von rund 80 Kilometern Länge entsprechen würde. Auf Nachfrage handelte es sich dabei um ein „Einzelrennen“.
Ein Mann soll aus einem Autohaus einen Pkw gestohlen haben und ohne Kennzeichen gefahren sein. „Andere Verkehrsteilnehmer meldeten seine gefährliche Fahrweise. Erst ab Geisingen konnte das Fahrzeug durch die Polizei gesichtet und verfolgt werden“, sagt Polizeisprecher Vincon.

Anhaltesignale habe der Mann ignoriert. Am Ende der Autobahn bei Bietingen wendete er und befuhr dann die A81 bis Tuningen, wo er verunfallte. „Es dürften zirka 80 Kilometer gewesen sein, während der die Beamten das Fahrzeug verfolgten und zum Anhalten aufforderten“, sagt Vincon. Auch die Flucht vor der Polizei wird unter anderem als illegales Kraftfahrzeugrennen gewertet.
Lückenloser Nachweis nötig
Aber was tut die Polizei gegen illegale Straßenrennen? Wenn ein Rennen gemeldet wird, sei es oft schwer, die Fahrzeuge zu lokalisieren, gerade auf Autobahnen wie der A81, sagt der Polizeisprecher. Hinzu komme die Besonderheit der Region, dass viele mutmaßliche Rennfahrer mit hochmotorisierten Leasing- oder ausgeliehenen Fahrzeugen unterwegs seien – oft aus der Schweiz. Bei ihnen sei es nicht so einfach möglich, die Fahrzeuge einzuziehen, weil sie auch im Eigentum Dritter stehen.
Zudem sei der Tatbestand des illegalen Kraftfahrzeugrennens oft schwer nachweisbar, auch trotz Zeugen. Um eine Strafverfolgung gerichtlich durchzusetzen, hat die Polizei eine große Dokumentations- und Nachweispflicht.
Zivilstreifen mit Videokameras
„Deshalb setzen wir verstärkt auf Verkehrsüberwachung mit Abstandsmessungen, Geschwindigkeitskontrollen, mobile Tempomessgeräte und Zivilstreifen mit Videokameras, die Fehlverhalten aufzeichnen“, sagt Vincon. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Präsenz der Polizei für mehr Sicherheit sorge. Absolut verhindern könne man illegale Autorennen freilich nicht.