Wo unten Verbrenner rasen und oben Photovoltaik-Module Sonnenlicht verarbeiten, prallen Glaubensgrundsätze aufeinander. Vereint werden sie durch ein Solardach über der Fahrbahn. Die Idee eines solchen Vorhabens an der Autobahn 81 sorgte bereits im Mai 2021 für Aufsehen. Ein Pilotprojekt internationaler Forschungsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz will erneuerbare und fossile Energien an einem Ort vereinen. Dieser Ort soll die Hegau Raststätte Ost nahe Engen werden. Bald schon soll dort eine fünfeinhalb Meter hohe Konstruktion emporragen, und auf einer Fläche von 17 auf 10 Metern Sonnenlicht in Strom umwandeln.
Doch seit Bekanntgabe ist es relativ still um das Projekt geworden. Ursprünglich sollten die Bauarbeiten im ersten Quartal dieses Jahres starten. Bisher fehlt davon aber jede Spur. Nachfragen bei dem CDU-Bundestagsabgeordneten und energiepolitischen Sprecher seiner Partei Andreas Jung ergeben, dass sich der Baubeginn nun auf das zweite Quartal verzögern soll. Die Gründe sind bislang nicht bekannt.
Durchfahrtsstraße statt Autobahn
Mit dem Dach wollen das Fraunhofer Institut, Forster FF und das Österreichische Institut für Technologie untersuchen, wie Solarstromerzeugung über Autobahnverkehr stattfinden könnte. Dafür weicht man allerdings von der Raserei der Autobahn auf das gemächliche Tempo der Durchfahrtsstraße der Rastanlage aus.
Petra Peter-Antonin, Pressesprecherin der den Bau begleitenden Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast), erklärt die Entscheidung damit, dass „jede Bautätigkeit den Verkehrsfluss stört, deshalb wurde eine Nebenfläche an der Zufahrt zur Raststätte ausgewählt“.
Rastanlagen-Betreiber sind im Unklaren
An der Raststätte selbst weiß man kaum etwas über das Solardach. Dass es kommen soll, ja. Aber wann es gebaut werden soll oder wie sie es nutzen könnten, wisse sie nicht, berichtet Anja Rösner. Sie leitet die Rastanlage und sagt: „Die zuständigen Ämter haben schon lange nichts mehr von sich hören lassen.“ Eine Idee hat sie, wie der gewonnene Strom genutzt werden könnte: „Die Laternen könnten versorgt werden.“

Die Fläche und die Parkplätze auf dem Areal der Rastanlage gehören dem Land Baden Württemberg, so Rösner, deshalb sei es nicht an ihr, darüber zu verfügen. Eines weiß sie allerdings ganz gewiss: Auf dem Dach der Rastanlage wird bereits Solarstrom produziert und ins Netz der Stadtwerke Engen eingespeist.
Ein Dach für Energie und Sicherheit
Das war für die Wahl der Rastanlage Hegau Ost als Ort des Pilotprojekts ein Auswahlkriterium: „Die Raststätte Hegau hat bereits eine Photovoltaik-Anlage und somit Erfahrung mit PV-Strom und deren Einbindung“, sagt Martin Heinrich, Koordinator Photovoltaik für Mobilitätsanwendungen beim Fraunhofer Institut. Zudem wurde ein Verbraucher für den Solarstrom des Dachs benötigt. Eine Raststätte sei dafür ideal, so Heinrich. Dass die Wahl schließlich auf eine Rastanlage im Hegau fiel, begründet Heinrich damit, dass „der Standort nahe zu allen drei beteiligten Ländern sein sollte“.

Die Beteiligten investieren Einiges in das Projekt: Grob geschätzt belaufen sich die Kosten für ein Dach dieser Art auf 180.000 Euro, so Martin Heinrich vom Fraunhofer Institut. Die Gesamtkosten für das Forschungsprojekt gibt Heinrich mit 2,4 Millionen Euro an. Die Summe enthalte alles von der Konzeptentwicklung bis zu wissenschaftlichen sowie technologischen Grundlagenuntersuchungen.
Strom könnte Raststätte und E-Fahrzeuge versorgen
Der Ertrag des geplanten Dachs wird diese Ausgaben nicht decken können: Martin Heinrich rechnet mit einem Ertrag von rund 39 Megawattstunden pro Jahr, also 39.000 Kilowattstunden. Das entspricht ungefähr dem, was zehn Vier-Personen-Haushalte pro Jahr verbrauchen. Damit könne die Anlage „den Eigenverbrauch der Raststätte unterstützen sowie für die Netzeinspeisung verwendet werden“, wie er erklärt. „Es ist ebenfalls geplant, Ladestationen für E-Fahrzeuge zu installieren. Diese könnten ebenfalls über die PV-Anlage versorgt werden.“
Neben der Energiegewinnung gibt das Fraunhofer Instituts auf der Internetseite des Projekts einige weitere Vorteilen eines solchen Solardaches an. Ihr flexibler Einsatzort ermögliche die Energieversorgung eines Rastplatz, einer Mautanlage, einer Brücke oder eines Tunnelportals.

Die Überdachung schütze außerdem die Fahrbahn vor Überhitzung, Niederschlägen und biete nebenbei zusätzlichen Lärmschutz, während der gewonnene Strom die Verkehrssicherheit durch zusätzliche Beleuchtung steigern könnte. Zu guter Letzt bebaue man Fläche, die so oder so schon bebaut sei. So nutze man sie doppelt.