Verbesserter Kinderschutz – unter dieser Devise arbeitet neuerdings eine Kinderschutzgruppe des Hegau-Bodensee-Klinikums Singen mit dem Amt für Kinder, Jugend und Familie des Landratsamts Konstanz zusammen. Dank dieser neuen Zusammenarbeit soll es möglich werden, Fälle von Gewalt an Kindern und Jugendlichen eher festzustellen, um dann entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.
„Mit unserer neuen Vereinbarung betreten wir Neuland in der Region“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung des Gesundheitsverbunds des Landkreises Konstanz (GLKN), Bernd Sieber, bei einer Videokonferenz.
Vorreiterrolle in Südbaden
Professor Andreas Trotter, Leiter der Kinderklinik Singen, und Oberärztin Ricarda Schreiber sowie Thomas Geiger, Leiter des Amts für Kinder, Jugend und Familie im Landratsamt, und Simone Scholz, Leiterin des Referats Soziale und psychologische Dienste, stellten das neue Projekt vor.
„Kinderschutz ist bei uns natürlich immer ein Thema,“ sagte Andreas Trotter. Mit Ricarda Schreiber hat die Kinderklinik nun eine Oberärztin, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigt und auch eine Zusatzausbildung als Kinderschutzärztin hat.
Vor der Gründung der Gruppe hatte der diensthabende Arzt, der einen eventuellen Kindesmissbrauch vermutet, entschieden, was die weiteren Schritte sind. Mit der Kinderschutzgruppe ändert sich das Prozedere nun. In einem Team aus Fachleuten wie Kinderärzten, Psychologen, Krankenpflegern und Sozialdienst wird der Fall besprochen und danach über weitere Schritte entschieden.
Bislang habe man in der Kinderklinik nur sehr wenige Fälle von Kindesmissbrauch festgestellt. „Heute sind es aber so 25 bis 30 im Jahr“, schätzt Andreas Trotter.
Die Mediziner setzen, wenn sie bei jungen Patienten Veracht auf Gewalt oder Vernachlässigung in Familien haben, auf gezielte Zusammenarbeit mit weiteren Experten. „Die Kinderschutzgruppe arbeitet eng mit dem Jugendamt, Beratungsstellen und niedergelassenen Ärzten zusammen. Dieser Austausch ist extrem wichtig“, sagt Ricarda Schreiber. Um bei Verdachtsfällen richtig zu reagieren, müsse es klare Ablaufpläne geben. Und die gibt es mit der Kinderschutzgruppe nun.
Vorbild Freiburg
Bei Jürgen Geiger und Simone Scholz stießen die beiden Klinikärzte Andreas Trotter und Ricarda Schreiber für die Installation der Kinderschutzgruppe auf offene Ohren. Eine ähnliche Gruppe gebe es nur an der Uni Freiburg, hatte Sieber eingangs betont. „Mit der Gruppe werden die Anlaufstellen gestärkt und die Handlungssicherheit verbessert“, sagte Geiger. Ein gegenseitiges, professionsübergreifendes Verständnis sei äußerst wichtig.
Damit kein Kindesschicksal verloren geht, sei es äußerst sinnvoll, mit den Fachleuten aus der Klinik zu kooperieren, ist auch Simone Scholz überzeugt. Das Amt für Kinder, Jugend und Familie in der Außenstelle Singen bekomme im Schnitt etwa 30 Gefährdungsmeldungen pro Monat, sagte Geiger.
Für die Arbeit stellt der Landkreis 35.000 Euro im Jahr für die Strukturen zur Verfügung, so Landrat Zeno Danner. Die Partner haben für die Arbeit eine detaillierte Leistungsvereinbarung unterschrieben.