Nur noch zwei Krankenhäuser statt drei soll der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) künftig im Kreis betreiben: Dieser Vorschlag der Gutachter von der Beratungsfirma Lohfert und Lohfert hat für ein deutliches Rumoren gesorgt. Beim Pressetermin zur Vorstellung der entscheidenden Ergebnisse wurde klar: Die Gutachter äußern sich eindeutig. Die bestehenden Krankenhäuser in Radolfzell und Singen sind in ihrer jetzigen Form nicht zukunftsfähig. Beide sollen geschlossen werden und stattdessen soll es einen neuen Standort für den westlichen Hegau geben. Die Vertreter der GLKN-Gesellschafter, die das Gutachten vorgestellt haben, haben beim Pressetermin keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Vorschläge der Gutachter umsetzen wollen.

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Doch entscheiden müssen die Kommunalpolitiker. Und davon sprechen ziemlich viele mit. Denn 52 Prozent des GLKN gehören dem Landkreis und je 24 Prozent den Klinikgesellschaften aus Konstanz und Singen. Dadurch sind der Kreistag und der Konstanzer Gemeinderat im Boot. Und bei der Fördergesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum sind die Gemeinderäte aus Singen, Radolfzell und Engen sowie ebenfalls der Kreistag beteiligt – denn all diese Körperschaften halten Anteile. Ziel sei, eine möglichst breite Mehrheit für die Pläne zu gewinnen, sagte Landrat Zeno Danner beim Mediengespräch. Wie die Stimmung bei Kommunalpolitikern aus Singen ist:

Wie stehen die Fraktionen im Singener Gemeinderat dazu?

Die Fraktionsvorsitzenden signalisieren Zustimmung zu den Vorschlägen der Gutachter. „Die Stimmung in der Fraktion ist sehr positiv. Wir waren überrascht, wie klar die Aussagen waren“, sagt Franz Hirschle (CDU). Für die SPD sagt Walafried Schrott: „Auch in Singen tut es weh, das jetzige Krankenhaus zu verlieren. Aber wenn man immer wieder anbauen würde, würde es nichts Richtiges mehr geben.“ Doch er sagt auch, dass über das Gutachten durchaus diskutiert werden müsse. Daher habe seine Fraktion im Kreistag einen Prozess der Bürgerbeteiligung beantragt. Grünen-Fraktionschef Eberhard Röhm zeigte sich überrascht, dass die Aufgabe des jetzigen Singener Krankenhauses empfohlen wurde. Die Lage sei jetzt so schlimm, dass man eben auch Unpopuläres umsetzen müsse. Doch er sagt auch: „Uns wäre es auch sympathischer, es am jetzigen Standort zu machen.“

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Hubertus Both, Fraktionschef der Freien Wähler, spricht von einer Riesenherausforderung, aber auch einer Riesenchance. Ein Neubau sei auch ein Baustein für mehr Wertschätzung des Personals. „Man kann nicht einfach so weitermachen.“ Dirk Oehle von der Neuen Linie zeigt sich gespalten. Einerseits gebe es jetzt die Chance, aus dem finanziellen Desaster herauszukommen. Andererseits werde es viel Unverständnis geben, wenn ein Krankenhaus als Teil der Nahversorgung wegfällt. Doch es bringe nichts, wie bisher Defizite anzuhäufen: „Wenn man Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen kann, wird auch nichts erhalten.“ In den Augen von Kirsten Brößke (FDP) ist es alternativlos, den Empfehlungen zu folgen, wenn die Krankenhäuser kommunal bleiben sollen. Nun sei Zeit für Entscheidungen. Sie hänge auch selbst am Singener Krankenhaus, in dem ihre beiden Söhne zur Welt gekommen seien. SÖS-Sprecherin Birgit Kloos verwies darauf, dass das Studium des Gutachtens Zeit brauche und sie daher nicht so kurzfristig antworten könne.

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Wie zuversichtlich ist man, dass das neue Krankenhaus in Singen bleibt?

In diesem Punkt schwanken die Einschätzungen zwischen Hoffnung und Überzeugung. Die Gutachter haben sich nicht auf eine bestimmte Kommune als Standort festgelegt. Die Radolfzeller Stadtspitze hat ihre Stadt bereits offensiv ins Gespräch gebracht. Und es gibt noch andere Kommunen, die verkehrsgünstig liegen. Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler hatte beim Medientermin bereits gesagt, er sei zuversichtlich, dass der Gemeinderat mit ihm auf die Suche nach einem passenden Bauplatz gehen würde. Die Fraktionschefs bestätigen dies nun.

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Walafried Schrott (SPD) zählt die Herausforderungen auf. Das Grundstück, das laut den Gutachtern immerhin sieben bis zehn Hektar groß sein muss, müsse verkehrsgünstig an Straße und Seehas-Linie liegen. Man brauche eine möglichst freie Fläche, denn: „Wir kriegen keine zehn Hektar Waldumwandlung genehmigt.“ Wenn man Wald roden will, muss das genehmigt werden. Außerdem dürfe das Grundstück nicht zu viele verschiedene Eigentümer haben, damit sich die Kaufverhandlungen nicht zu lange hinziehen. Für Singen spreche die Infrastruktur mit einigen Facharztzentren, sagt Franz Hirschle (CDU). Und er sagt auch, dass es schon Ideen für einen Standort gebe – ohne sich allerdings tiefer in die Karten schauen zu lassen. Eberhard Röhm (Grüne) plädiert für Singen als zentrale Stadt im Einzugsbereich.

Wird das wirklich die bessere Lösung?

Es sei immer günstiger, die gesamte Kompetenz in einem Haus zu bündeln, sagt CDU-Mann Hirschle, der selbst niedergelassener Facharzt ist. Das sei auch für die Ausbildung von Ärzten besser. Und: Wenn ein Haus zu wenige Eingriffe einer bestimmten Art mache, würden diese nicht mehr vergütet. Auch diesem Problem der Mindestmengen könnte ein großes Krankenhaus besser begegnen. Hubertus Both (Freie Wähler) sagt: „Gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, halte ich für ein zentrales Thema. Die Pflegekräfte haben in der letzten Zeit wahnsinnig viel geleistet.“ Und Kirsten Brößke (FDP) plädiert dafür, nun sachlich gute Entscheidungen für den gesamten Landkreis zu treffen, statt zu viele Leidenschaften einzubringen. Der Blick zurück sei nicht förderlich: „Wir müssen nach vorne schauen.“

Und hat niemand Sorge wegen der riesigen Investition?

Die Gutachter schätzen die Kosten für den Neubau auf 270 Millionen Euro. Im Großen und Ganzen blicken die Singener Stadträte gelassen darauf. „Es graut mir nicht, wenn man bedenkt, dass wir zuletzt etwa 20 Millionen Euro im Jahr reinbuttern“, sagt Franz Hirschle (CDU). Für Eberhard Röhm (Grüne) ist die Finanzierung darstellbar, wenn man Landes- und Bundesmittel bekommt. Dirk Oehle (Neue Linie) sagt, dass es eine große Summe sei – aber beispielsweise wichtiger als ein Hallenbad. Und Hubertus Both (Freie Wähler) erklärt, dass auch hohe Summen für Sanierungen notwendig wären, wenn man doch mit den bisherigen drei GLKN-Standorten im Kreis Konstanz weitermachen wolle. Die Differenz zu Neubaukosten sei dann nicht mehr so hoch.

Sorgen und Gutachterfirma

  • Sorgen in Radolfzell: Dass man sich in Radolfzell gegen die empfohlene Schließung des dortigen Krankenhauses wehrt, können die Singener Fraktionsvorsitzenden nachvollziehen. Man wolle aber die bestmögliche Lösung auch für das Umfeld finden, sagt Dirk Oehle (Neue Linie). Walafried Schrott (SPD) ist der Meinung, dass drei Krankenhäuser keine Chance hätten, egal in welcher Trägerschaft. Hubertus Both (Freie Wähler) weist darauf hin, dass schon jetzt viele Radolfzeller Patienten mit akuten Beschwerden in ein anderen Krankenhaus gehen dürften. Und Franz Hirschle (CDU) sagt, dass Radolfzell keineswegs von der medizinischen Versorgung abgehängt werde.
  • Die Gutachterfirma: Das Unternehmen Lohfert und Lohfert platziert sich selbst als führende Beratungsfirma für Krankenhäuser und arbeitet nach eigener Darstellung an der Schnittstelle von Wirtschaftlichkeit und Medizin. 1970 gründete Peter Lohfert in Kopenhagen ein Vorgängerunternehmen, 1975 ging daraus die Lohfert und Lohfert AG mit Sitz in Hamburg hervor. Die Gutachter hätten nicht nur theoretisch gearbeitet, sondern auch viele Gespräche vor Ort geführt, sagte GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber beim Medientermin.