Samstagmittag in Singen, die Sonne scheint, die Innenstadt ist voller Menschen. Genau zwischen zwei Bekleidungsgeschäften steht – umgeben von kleineren Sitzgelegenheiten – eine rote Bank. Aber ob die Botschaft, die hinter der Aktion steckt, auch wirklich ankommt? Gespräche mit Passanten zeigen es.

Seit ein paar Tagen steht die Rote Bank an der exponierten Stelle auf der August-Ruf-Straße in Singen. Sie soll ein sichtbares Zeichen setzten, aufmerksam machen, zum Denken anregen. Der Verein „Frauen helfen Frauen in Not“ will mit dieser Aktion ein Exempel statuieren – die Rote Bank als Mahnmal, das auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“ aufmerksam machen soll. Damit ist auch der Appell verbunden, diese Gewalt nicht zu dulden.

Für viele ist es nur ein netter Sitzplatz

Ein Mann steuert auf die Bank zu und setzt sich. Aufgefallen ist ihm dabei nichts. Er warte auf seine Frau, die noch im Geschäft gegenüber etwas anprobieren wolle, erklärt er gegenüber dem SÜDKURIER und stutzt kurz, als er auf die Bedeutung des Sitzmöbels hingewiesen wird: Eine Initiative, die am Weltfrauentag mit dem Aufstellen der Bank vor dem Konstanzer Konzil begann, und seitdem in Städten und Gemeinden des Landkreises fortgeführt wird.

Bürgermeisterin Ute Seifried und Marcel Da Rin, Leiter der Singener Kriminalprävention, freuen sich über den farbenfrohen Zuwachs in der ...
Bürgermeisterin Ute Seifried und Marcel Da Rin, Leiter der Singener Kriminalprävention, freuen sich über den farbenfrohen Zuwachs in der Fußgängerzone. | Bild: Steven Seifert

Beim Aufstellen der Bank, auf der im linken Teil der Lehne steht: „Kein Platz für Gewalt gegen Frauen“ waren in Singen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Netzwerkarbeit Singen mit dabei, wie Bürgermeisterin Ute Seifried, Marcel Da Rin von der Stabsstelle Singener Kriminalprävention (SKP), Bianca Neusser von der Gewaltprävention „Jede kann sich wehren“ sowie Petra Martin-Schweizer, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Konstanz.

Zunehmend das Gefühl von mehr Gewalt

Zurück zu dem Herrn auf der Bank, Adrian Meister heißt er und kommt aus Schaffhausen. Er schaut sich noch einmal den Schriftzug auf der Rückenlehne der Bank an, nickt zustimmend und meint schließlich: „Es ist mir aufgefallen, dass die Belästigungen von Frauen und Gewalt an Frauen zunehmen.“ Spätestens seit den Vorkommnissen in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof höre man das immer wieder, so meint er. Männer, die Frauen weniger respektvoll behandeln würden, gebe es anscheinend immer häufiger. Der Schweizer ist Rentner und lebt mit seiner Frau in Thailand. Dort gäbe es solche Vorfälle nicht in dem hohen Maße.

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Kurze Zeit später nimmt eine Mutter mit ihrer Tochter auf der Bank Platz. Auf die Frage, ob ihr an der Bank etwas auffallen würde, zuckt sie die Schultern, nein, es wäre eben eine Bank. Der Schriftzug war weder Mutter noch Tochter aufgefallen.

Botschaft erreicht Passanten oft erst mit Verspätung

Wenig später spaziert eine Familie an der mittlerweile wieder frei gewordenen Bank vorbei: „Schöne Bank“, sagt die Frau und setzt den Weg fort. Ihr Begleiter nickt. Der Mann, Robert Sacer, erzählt, er habe die Bank schon letztens entdeckt und sie sei ihm wegen der Farbe aufgefallen. Jetzt erst würde er den Schriftzug sehen. „Ich vermute, dass es vielen so geht“, meint er. „Es ist die Farbe, die auffällt, aber die Botschaft, die darauf steht, die geht irgendwie unter.“

Ein Kommen und Gehen, die Bank ist gut frequentiert. Die Menschen verweilen kurz, freuen sich über die bequeme Sitzgelegenheit, genau betrachtet wird sie jedoch nicht. Eine weitere Familie nähert sich. Während die Frau in das Bekleidungsgeschäft geht, setzen sich der Vater Oliver Braunagel und sein Sohn Lennox auf der Bank. Vom SÜDKURIER angesprochen, antwortet beide fast gleichzeitig: „Ja, das steht was von Gewalt gegen Frauen auf der Banklehne.“

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Ob Täter die Botschaft ignorieren?

Nachgehakt, was sie darüber denken, antwortet Oliver Braunagel. „Gewalt, egal in welcher Form, egal, ob gegen Frauen, Kinder, Tiere oder Gewalt unter Männern, ist ein absolutes No-Go! Da braucht man gar nicht drüber zu diskutieren! Und es ist traurig, dass man auf Gewalt gegen Frauen überhaupt hinweisen muss, weil es offensichtlich ein großes Thema ist.“ Und Lennox reflektiert die Botschaft, die die „Rote Bank“ transportieren soll: „Klar, mir ist der Schriftzug aufgefallen, aber ich glaube nicht, dass das wirklich etwas ändert oder die Botschaft eine langfristige Wirkung haben wird.“

Vater und Sohn vermuten: Wer Gewalt gegen Frauen ablehnt, der fühle sich ohnehin nicht angesprochen und Täter würden die Botschaft wahrscheinlich ignorieren. Man könne damit wohl auch ihr zukünftiges Verhalten nicht beeinflussen.