Für das Singener Krankenhaus ist es eine wichtige Erfolgsmeldung im Kampf um die neurochirurgische Versorgung der Patienten in der Region: Zum 1. Mai wird Sven Gläsker als Neurochirurg seine Arbeit am Hegau-Bodensee-Klinikum beginnen. Dies hat der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN), zu dem das Singener Krankenhaus gehört, mitgeteilt.

Lücke in der Versorgung schließt sich

Damit ist der Name eines Arztes bekannt, der für Ersatz für die Arbeit von Aram Bani und seiner Praxis sorgen soll. Die Kooperation zwischen dem Krankenhaus und Banis Praxis endete zum 1. April. Das Krankenhaus stand ohne neurochirurgische Versorgung da. Ein Zustand, den GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber von vornherein nicht dauerhaft zulassen wollte. Denn das Krankenhaus Singen gehört zum Traumanetzwerk Schwarzwald-Bodensee und betreibt eine regionale Schlaganfall-Abteilung.

Beides hängt eng damit zusammen, dass eine neurochirurgische Rufbereitschaft zur Verfügung steht. Die Lücke in der Versorgung soll nun nur im Monat April bestehen: „Mit Unterstützung der Unfallchirurgie können wir dann wieder die Rufbereitschaft sicherstellen“, sagt GLKN-Chef Sieber. Dass die Verpflichtung von Gläsker gelungen ist, habe ihn sehr gefreut.

Zu Vorgeschichte und Person

Nach der Vertragsunterzeichnung (von links): Rebecca Sellmann, kaufmännische Direktorin des Hegau-Bodensee-Klinikums, Sven Gläsker, der ...
Nach der Vertragsunterzeichnung (von links): Rebecca Sellmann, kaufmännische Direktorin des Hegau-Bodensee-Klinikums, Sven Gläsker, der Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN), Bernd Sieber, und Moritz Wente, Direktor Medizin und Pflege im GLKN. | Bild: Andrea Jagode

Gläsker wird Chefarzt

Sven Gläsker werde zu 100 Prozent am Krankenhaus angestellt und den Rang eines Chefarztes bekleiden, so Sieber. Diese Position hat er laut der Pressemitteilung des GLKN als Leiter einer neuen Sektion für Neurochirurgie, die wiederum Teil der Klinik für Unfall- und Handchirurgie wird. Dass deren Leiter Axel Probst die neue Sektion in seiner Klinik aufnimmt, lobt der GLKN-Chef. Probst lasse eine gute Zusammenarbeit erwarten. Gläsker soll die Sektion aufbauen, sagt Sieber, was zunächst mit einem hohen Einsatz durch den neuen Arzt einher gehen werde. Das Ziel sei, schnellstmöglich mehr Mitarbeiter zu haben.

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Das unterstreicht Sven Gläsker. Mehrere Mediziner im Rang eines Oberarztes sollen dazu kommen. Und er ist optimistisch, die Stellen auch besetzen zu können, denn nicht zuletzt liege das Singener Krankenhaus in einer sehr interessanten Region. Von seinen früheren Stationen her sei er gut vernetzt. Durch ein ausgeklügeltes System mit der Unfallchirurgie könne man nun die 24 Stunden-Rufbereitschaft vorerst sichern.

Das Krankenhaus will mehr

Die Pläne des Krankenhauses gehen indes noch weiter: „Wir kämpfen beim Land darum, eine neurochirurgische Hauptabteilung zu bekommen“, sagt Sieber. Diese sei in der Region, die von anderen neurochirurgischen Behandlungsmöglichkeiten relativ weit entfernt sei, notwendig, wirbt der Geschäftsführer. Mit einem eigenen Chefarzt könne man eine Hauptabteilung beim Land beantragen: „Ob wir die auch bekommen, ist allerdings noch nicht klar.“

Für Sieber ist die Verpflichtung des neuen Neurochirurgen auch „ein schöner Durchbruch in der strategischen Ausrichtung“ des Krankenhauses. Denn einerseits wolle man die umfassende Notfallversorgung erhalten. Andererseits sei das Singener Krankenhaus dann auch gut aufgestellt, um für die Zukunft eine bessere Ausgangsposition zu haben. Denn das Bundesgesundheitsministerium plant einen relativ grundlegenden Umbau der Krankenhauslandschaft. Was diese konkret bringt, ist laut Sieber aber noch nicht klar, es gebe dazu noch Bund-Länder-Gespräche.

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Viele mögliche Einsätze für den Neurochirurgen

Frank Hinder, ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikums, kann jedenfalls eine Menge Gelegenheiten aufzählen, bei denen es wichtig ist, einen Neurochirurgen im Haus zu haben. Dazu gehören natürlich Unfälle mit Kopfverletzungen, aber auch Vorfälle, bei denen es im Gehirn blutet, etwa wenn ein Blutgefäß platzt. Und nach einem Schlaganfall könne das Hirngewebe anschwellen. Bei all diesen Vorfällen kann steigende Druck das Gehirn schädigen – mit bleibenden Folgen für den Patienten.

„Dann muss man schnell handeln“, sagt Hinder. Im vergangenen Jahr habe es im Singener Krankenhaus allein 52 Eingriffe am Kopf gegeben, bei denen der Patient notfallmäßig in den nächsten freien Operationssaal geschoben worden sei – nur ein kleiner Teil der Gesamtmenge an neurochirurgischen Eingriffen.

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Grundsätzlich sei die Neurochirurgie in den zurückliegenden Jahren immer wichtiger geworden. Es habe daher einen gewissen Druck gegeben, nach dem Ende der Kooperation mit der Praxis Bani eine Nachfolge zu finden: „Das haben die Ärzte so gesehen, und die Geschäftsführung hat mit aller Macht daran gearbeitet.“ Gläsker ergänzt, dass mehrere Krankenhäuser in dieser Größe zuletzt ihre Neurochirurgie aufgebaut hätten: „Das gehört hier einfach hin“, sagt er über die Situation in Singen.

Auch der wirtschaftliche Beitrag der Disziplin dürfte groß sein

Gleichzeitig dürfte die Neurochirurgie einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag zum Krankenhaus leisten. Geschäftsführer Sieber lässt sich zwar nicht in die Karten schauen, was den Umsatzanteil angeht, der mit neurochirurgischer Beteiligung erwirtschaftet wird. Schaut man in die einschlägigen Tabellen, kommt man aber leicht auf fünfstellige Beträge, die für einen neurochirurgischen Eingriff abgerechnet werden können – etwa mehr als 18.000 Euro für eine Spondylodese, eine Operation zur Versteifung der Wirbelsäule.

Gläsker sagt, dass im Bereich Neurochirurgie alles angeboten werde, was es bisher gab – und es werde ausgebaut. Bei Kopf-Operationen wolle das Singener Krankenhaus etwa künftig nicht nur Notfälle behandeln, schreibt GLKN-Chef Sieber auf Nachfrage. Um solche Eingriffe anbieten zu können, würden Gespräche mit dem Land laufen. Der ärztliche Direktor Frank Hinder bezeichnet Gläsker als ausgewiesenen Tumor-Chirurgen.

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Mit Aram Bani, der nun nicht mehr für das Singener Krankenhaus arbeitet, ist Gläsker übrigens gut vertraut. Von 2019 bis 2022 war er in dessen Praxis angestellt. Nun kommt er als Ersatz für seinen früheren Arbeitgeber ans Singener Krankenhaus zurück.

Bani selbst sagt: „Ich gehe nicht mit einem weinenden Auge raus.“ Fast 17 Jahre sei er am Singener Krankenhaus tätig gewesen und habe immer das beste Personal gehabt. „Jetzt habe ich ein Stück Freiheit zurück“, sagt er zum Ende der 24 Stunden-Bereitschaft, die seine Praxis zuletzt sichergestellt hat. Die Praxis bleibe natürlich offen, solle aber möglichst bald umziehen, so der überregional bekannte Neurochirurg. Und er bekräftigt, dass er weiterhin mit Kliniken verhandle, um wieder operieren zu können.