An die 3000 Arbeitsplätze bietet der Handel in Singen nach Angaben des Standortmarketingvereins Singen aktiv – eine Größe, die nicht zu vernachlässigen ist. Und die Einzelhändler mussten in der jüngsten Zeit einige Umwälzungen ertragen: Derzeit macht die Corona-Pandemie der Branche zu schaffen, stationäre Händler spüren seit Jahren die Konkurrenz durch Online-Riesen und dann wird auch noch ein großes Einkaufszentrum mitten in der Innenstadt gebaut. All das geschah in der Amtszeit von Oberbürgermeister Bernd Häusler, die nun nach acht Jahren zu Ende geht. Häusler möchte das Amt verteidigen und hat sich erneut beworben. Was hat sich in der Singener Handelswelt mit ihm getan? Wo sehen Vertreter des Einzelhandels die Stärken und Schwächen?

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Fragt man Vertreter des Singener Handels nach den entscheidenden Entwicklungen aus Häuslers Amtszeit, landet man sofort bei der Ansiedlung des Einkaufszentrums Cano. Ideen für ein Einkaufszentrum in der Singener Innenstadt gab es zwar schon vor Häuslers Amtszeit, die 2013 begann. Doch um den jetzigen Standort ging es erst, als die Hamburger Firma ECE 2014 Interesse am Grundstück des damaligen Holzer-Baus bekundete.

Das Mega-Bauprojekt war dabei von Anfang an heiß umstritten. Mehr als einmal forderten zahlreiche Demonstranten in der Stadt, an dieser Stelle lieber Wohnraum zu bauen statt eines Shopping-Tempels. 2016 gab es daher einen Bürgerentscheid über das Projekt. Die Singener stimmten mit 21,6 für das Einkaufszentrum, die Gegner des Projekts erreichten nur 15,2 Prozent der Stimmen und verpassten damit das Quorum. Der Gemeinderat hatte schon zuvor seine Zustimmung erteilt. Damit war der Weg frei, im Dezember 2020 wurde das Cano eröffnet.

Pläne für Einkaufszentrum sorgten für geteilte Meinungen

Auch die Singener Händler waren in den Jahren, in denen es um das Cano ging, geteilter Meinung, erzählt Hans Wöhrle. Er ist Vorsitzender des Handelsverbandes Singen, einer berufsständischen Organisation, der 30 Betriebe in Singen angehören. Er habe als Funktionär zwischen den Stühlen gesessen, sagt Wöhrle, und zwischenzeitlich den Vorschlag gemacht, dass ECE weniger groß planen solle. Doch als das Unternehmen auf der Größe beharrte, hätten sich die meisten Händler damit abgefunden. Wenn es kommt, dann solle es auch qualitativ hochwertig sein, sei der Tenor gewesen. Der OB habe in all diesen Diskussionen keinen leichten Stand gehabt, sagt Wöhrle, doch er habe den Prozess sehr demokratisch gestaltet. Gibt es heute noch Gegner des Cano? Ihm sei zumindest keiner bekannt, sagt Wöhrle.

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Bestätigt fühlt sich auch Alexander Kupprion. Er ist Geschäftsführer von Sport Müller und Vorsitzender des Werbebeirats im City Ring, dem Gewerbeverein der Innenstadtbetriebe. Seit neun Jahren arbeite er bereits in Singen, im City Ring sei er aber erst sei zwei Jahren richtig aktiv, sagt er. Als Unternehmen habe man die Ansiedlung des Cano befürwortet. Und darin habe man OB Häusler auch immer unterstützt, der für diesen Plan auch viel Gegensind bekommen habe. Wohnraum an dieser Stelle? Das wäre nicht der geeignete Platz gewesen, sagt Kupprion, dessen Vater in der Immobilienbranche tätig ist. Man müsse den Standort aufladen, damit er spannend wird. Und der Holzerbau, der früher an dieser Stelle stand, sei ein Schandfleck gewesen.

Und wie sieht man die Sache im Singener Süden? Hätte es einen solchen Magneten in der Südstadt geben sollen? „Da wo es steht, gehört es auch hin“, sagt Dirk Oehle, Vorsitzender der IG Singen Süd und Gemeinderat der Neuen Linie. Der IG-Vorstand und er selbst hätten von Anfang an zu den Unterstützern des Projekts gehört – weil es viele Menschen aus der Umgebung anlocke.

Händler loben Häuslers Unterstützung auch in der Corona-Pandemie

Wirklich kritische Töne über den amtierenden OB hört man bei den Handelsverbänden nicht. Häusler habe auch in der Corona-Pandemie möglich gemacht, was man möglich machen könne, sagt Kupprion. Auch Wöhrle hebt die verschiedenen Brandbriefe an zuständige Minister hervor. In Verbindung mit dem Gemeinderat habe Häusler sehr viel für den Handel bewegt, sagt Wöhrle. Und aus Sicht der Südstadt-Betriebe sei sehr viel gelaufen, wie die Erschließung neuer Flächen, die Fortschreibung des Handelskonzepts für die Südstadt oder die Sanierung von Straßen, sagt Oehle. Auch der Kontakt zwischen Handel und Häusler sei sehr gut, lautet die einhellige Bewertung.

Wünsche haben die Vertreter von Handel und Gewerbe aber natürlich trotzdem. Alexander Kupprion bringt die Idee eines Wochenmarkts in der Innenstadt ins Spiel, den habe er sich als Frequenzbringer schon länger gewünscht. Im Schwenninger Geschäft der Firma Sport Müller sehe er, wie viel Betrieb ein Wochenmarkt in eine Stadt bringe. Allerdings fügt er auch gleich an, dass der Herz-Jesu-Platz, auf dem der Wochenmarkt derzeit stattfindet, erst neu gestaltet wurde – unter anderem mit einer Tiefgarage, um Marktbesuchern die Anreise zu erleichtern. Da könne man den Markt dann nicht einfach verlegen.

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Auch die Weiterentwicklung der Fußgängerzone steht auf seiner Wunschliste. Die Neugestaltung der Hegaustraße sei nur ein erster Schritt, um August-Ruf-Straße und Scheffelstraße miteinander zu verbinden. Den Betrieb in die Scheffelstraße zu bekommen, dafür ist Kupprion natürlich auch aus eigenem Interesse, denn der Haupteingang seines Geschäfts befindet sich dort. Auch Hans Wöhrle betont, wie wichtig ein schönes Umfeld für den Handel sei. Auch andere Teile der Fußgängerzone umzugestalten, sei geplant. Doch das sei eine Frage des Geldes, so Wöhrle.

Und er plädiert dafür, die Radwege unter die Lupe zu nehmen, die noch nicht optimal verlaufen. Denn auch ohne Auto müsse die Innenstadt erreichbar sein: Wenn alles voller Autos steht, hätten die Einkaufsgäste nicht das gewünschte Flair. Dirk Oehle betont, die Stadt habe bereits sehr viel getan, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern und das passende Umfeld zu schaffen. Und er wünscht sich, dass Singen weiter zusammenwächst. Aus Sicht der Südstadtbetriebe gebe es keinen großen Wunsch mehr – aber viele Kleinigkeiten, wie Fahrradstraßen oder schöne Sitzgelegenheiten in der Stadt.