Ein Parkhaus ohne Schranken, ein Automat, an dem man nicht bezahlen kann – und am Ende eine Rechnung von 49 Euro. All das treibt Wolfram Reichhart aus Radolfzell auf die Palme. Kassiert hat er die Rechnung, nachdem er sein Auto Mitte Februar für eine knappe Stunde in der Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz in Singen abgestellt hat. Einen Monat später flatterte der unliebsame Brief in seinen Kasten. Die Firma Avantpark berechnet ihm 45 Euro erhöhtes Nutzungsentgelt, was an der Tiefgarage auch auf Schildern so angekündigt wird, und 4,76 Euro als Gebührenersatz für die Halterabfrage beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg.

Was war geschehen? An dem besagten Tag Mitte Februar, kurz nach der Fasnacht, habe er etwas in Singen besorgen wollen, erzählt Reichhart: „Ich bin Singener und kaufe nach wie vor gerne in der Stadt ein.“ Wie schon so oft steuert er die Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz an, eine Schranke sei allerdings weit und breit nicht zu sehen gewesen. Und auch der ihm vertraute Kassenautomat sei nicht in Betrieb gewesen. „Es sah aus, als würde in der Tiefgarage umgebaut“, so Reichhart.

Aus der Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz kann man seit Februar ohne Schranke ausfahren – aber nicht ohne zu bezahlen. Die Kennzeichen ...
Aus der Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz kann man seit Februar ohne Schranke ausfahren – aber nicht ohne zu bezahlen. Die Kennzeichen werden mit Kameras erfasst. | Bild: Freißmann, Stephan

Da er nach seinem Dafürhalten nicht zahlen konnte, sei er einfach wieder ausgefahren – mit dem bekannten Resultat. „49 Euro für eine knappe Stunde parken finde ich auch als Strafzahlung unverschämt hoch“, sagt der Radolfzeller. Deswegen habe er per Brief Einspruch bei dem Unternehmen eingelegt und sich auch an die Stadtwerke gewendet, denen die Tiefgarage am Heinrich-Weber-Platz gehört.

Start mit 2,5 Monaten Verspätung

Deren Geschäftsführer Axel Blüthgen erklärt die Hintergründe – und lässt durchblicken, dass auch der städtische Eigenbetrieb nicht glücklich damit ist, wie das schrankenlose Parken in der Tiefgarage Heinrich-Weber-Platz gestartet ist. Beginnen sollte nämlich alles schon im November 2023. Am 21. November seien die Schranken abgebaut worden, so Blüthgen, am 22. November hätte das neue System starten sollen.

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Losgegangen sei es aber tatsächlich erst am 6. Februar, wegen technischer Probleme. Der Clou an dem System: Statt durch eine Schranke zu fahren, erfasst ein Kamerasystem das Kennzeichen der einfahrenden Autos. Vor dem Ausfahren muss man am Bezahlautomat sein Kennzeichen eingeben und die vom Computer gemessene Parkdauer bezahlen.

So sieht der Einfahrtbereich aus: Die Schranken sind seit November 2023 weg.
So sieht der Einfahrtbereich aus: Die Schranken sind seit November 2023 weg. | Bild: Freißmann, Stephan

Die Verzögerung bei der Installation hat auch bei Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler schon für erhöhten Blutdruck gesorgt. Im März schimpfte er vor dem Betriebsausschuss Stadtwerke des Gemeinderats, dass das Unternehmen, das das Bezahlsystem betreibt, teilweise Termine ohne Begründung nicht eingehalten habe und sich die Situation vor Ort nicht einmal angeschaut habe. Sogar das Wort stümperhaft nahm der OB dabei in den Mund. Und die Stadtwerke schreiben in ihrem Halbjahresbericht, dass sie sich die Einnahmen ersetzen lassen wollen, die ihnen in der Zeit von Ende November bis Anfang Februar entgangen sind.

Der Automat am zentralen Treppenhaus ist nach wie vor nicht in Betrieb, soll aber bald laufen.
Der Automat am zentralen Treppenhaus ist nach wie vor nicht in Betrieb, soll aber bald laufen. | Bild: Freißmann, Stephan

Auch die Automaten, an denen Parker in der Tiefgarage zahlen können, machten Sorgen. Der Automat am zentralen Treppenhaus habe noch nie funktioniert, sagt Stadtwerke-Chef Blüthgen. Dafür wolle die Firma noch einen Signalverstärker installieren, in der nächsten Woche sollte er in Betrieb gehen, so Blüthgen, der aber ergänzt: „Ohne Gewähr.“ Bezahlen konnten Parker daher nur an zwei Automaten an der Einfahrt, im unteren Geschoss gibt es keine Automaten mehr. Dort parken laut Blüthgen hauptsächlich Dauerparker, die nicht einzeln bezahlen.

„Es gibt Anfangsprobleme, aber grundsätzlich ist es das richtige System.“ Axel Blüthgen, Stadtwerke-Chef
„Es gibt Anfangsprobleme, aber grundsätzlich ist es das richtige System.“ Axel Blüthgen, Stadtwerke-Chef | Bild: Tesche, Sabine

Über Ostern seien aber auch die beiden Automaten an der Einfahrt ausgefallen, sagt Blüthgen. Während dieser Zeit fielen keine Kosten an. Inzwischen kann man dort seinen Aufenthalt wieder bezahlen. Wenn ein Automat ausfalle, würde darauf mit einem Zettel hingewiesen: „Doch die Zettel werden manchmal auch abgerissen“, sagt Blüthgen. Dann merken Kunden im Zweifel erst, wenn der Automat nicht reagiert, dass er nicht funktioniert. Viele Autofahrer müssen sich erst daran gewöhnen, dass sie zum Bezahlen ihr Autokennzeichen eingeben müssen, damit das Computersystem die richtige Parkgebühr berechnet – das erlebt man bei einem Ortsbesuch.

Eigentlich sollte es eine Gewöhnungsphase geben

Dass das neue System ungewohnt ist, weiß auch Axel Blüthgen. Deswegen habe man mit Avantpark eigentlich einen Kulanzzeitraum von zwei Wochen ausgemacht, bis sich alle an das schrankenlose Bezahlen gewöhnt haben. Insofern hätte Wolfram Reichhart also keine Rechnung über eine Strafgebühr bekommen dürfen. Der Vorfall werde noch einmal geprüft, so die Zusage von Blüthgen.

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Eingeführt habe man das schrankenlose Bezahlen, weil die Schranken immer wieder durch Vandalismus beschädigt worden seien. Deswegen stehe er auch zu dem neuen Parksystem: „Es gibt Anfangsprobleme, aber grundsätzlich ist es das richtige System“, sagt der Stadtwerke-Chef. Und um es zu testen, wollte man ein möglichst kostenneutrales Pilotprojekt.

Bezahlen können Kunden derzeit nur an diesen Automaten im Einfahrtsbereich.
Bezahlen können Kunden derzeit nur an diesen Automaten im Einfahrtsbereich. | Bild: Freißmann, Stephan

Und das ist es auch, wie Axel Blüthgen erklärt. Denn das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Großbritannien habe, bringe die gesamte Einrichtung mit. Die normalen Parkgebühren würden komplett in die Kasse der Stadtwerke fließen. Finanziert würde das System über die erhöhten Nutzungsentgelte, die bei der Verfolgung von Parkverstößen erhoben werden, so Blüthgen. Davon bekomme das Unternehmen einen Teil, um sich und seine Aktivitäten zu finanzieren.

Andere konnten offenbar bezahlen

Und das Unternehmen selbst? Das weist in einer Stellungnahme, die über eine Pressearbeitsagentur in Schottland verschickt wurde, darauf hin, dass es 285 erfolgreiche Bezahlvorgänge an dem Tag gegeben habe, an dem Wolfram Reichhart folgenschwer nicht gezahlt hatte. Auch über die Easypark-App hätte er bezahlen können, so eine Sprecherin, die in der Stellungnahme nicht namentlich genannt wird. Die Hinweise auf Gebühren, Strafgebühren und die Bezahlautomaten seien auch überall in der Tiefgarage gut sichtbar.

Wolfram Reichhart indes erzählt, er habe erst einmal eine Mahnung, aber keine Reaktion auf seinen Einspruch bekommen. Um 1 Euro sei die Rechnung nun gestiegen. Doch er will es vorerst darauf ankommen lassen.