Es ist Donnerstagabend in Friedingen. Langsam treffen die Sportschützen im Schützenhaus ein, ein paar von ihnen haben ihre ersten Schüsse schon abgefeuert. Wer nun erwartet, dass der laue Sommerabend von knallenden Pistolen erfüllt ist, der irrt. Von draußen ist kein Schuss zu hören.

Thilo Simeoni und seine Schützenkollegen Kay Erdmann, Werner Berchtold und Francesco Romano sind mitten im ersten Programm des Trainings. So heißt eine 45-minütige Trainingseinheit im Sportschützen-Fachjargon. Etwa 45 Minuten dauert ein Programm und am Ende hat ein Sportschütze 60 Schuss abgeschossen, erklärt Simeoni. Auch beim Training der begeisterten Sportschützen wird schnell der mutmaßliche Singener Reichsbürger ein Thema. Diesem wurde kürzlich von der Stadt Singen die Erlaubnis zum Besitz von Waffen und Sprengstoff entzogen. Er hatte drei angemeldete Waffen zu Hause, aber auch Drogen und eine ganze Reihe an illegalen Waffen.

Sie sind begeisterte Sportschützen und kämpfen viel mit Vorurteilen (von links): Werner Berchtold, Kay Erdmann, Thilo Simeoni und ...
Sie sind begeisterte Sportschützen und kämpfen viel mit Vorurteilen (von links): Werner Berchtold, Kay Erdmann, Thilo Simeoni und Francesco Romano. | Bild: Matthias Güntert

13.000 Schuss sind in Sportschützenkreisen nicht viel

An einem Umstand lässt Thilo Simeoni keine Zweifel aufkommen: „Die Stadt hatte bestimmt berechtigte Gründe, um dem Mann die Erlaubnis zum Besitz von Waffen und Sprengstoff zu entziehen. Illegale Waffen und Reichsbürger, das ist eine ungute Zusammenstellung.“ Aber einen Umstand will der Sportschütze, der im Schützenverein Friedingen aktiv ist, dann als Experte doch nicht unkommentiert lassen. „13.000 Schuss Munition sind für einen Sportschützen nicht viel“, sagt er am Rande des Trainings des Friedinger Schützenvereins. Ob der mutmaßliche Reichsbürger ebenfalls Sportschütze war, darüber gibt es derzeit keine Informationen. Allerdings hatte er eine Waffenerlaubnis, die auch die Sportschützen brauchen.

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Die Festnahme eines 47-Jährigen am Freitag, 5. Mai, beschäftigt aber nicht nur die Sportschützen, sondern weiterhin die Polizei. Denn bei der Festnahme des Mannes wurden nicht nur die 13.000 Schuss Munition sichergestellt, vielmehr liest sich die Aufzählung an Gegenständen wie die Requisiten für einen Actionfilm: Laut Polizeiangaben wurden bei dem 47-jährigen mutmaßlichen Reichsbürger nämlich auch 2000 Stahlkugeln, eine Langwaffe, zwei Pistolen, Elektroschocker, eine Armbrust mit Zielfernrohr, ein Luftgewehr, Zwillen und Schleudern sowie andere Gegenstände mit waffenrechtlicher Bedeutung gefunden. Allesamt illegal, wie die Pressestelle der Polizei auf Nachfrage schildert.

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Drei Mal pro Woche wird in Friedingen an der Waffe geübt. Und Simeoni rechnet vor: Ein Sportschütze brauche in einer Woche 200 Schuss Munition, im Jahr komme er somit auf gut und gerne 8000 Schuss. „Und da sind noch keine Turniere dabei“, sagt er. Seiner Einschätzung nach sei es somit nicht ungewöhnlich, dass ein Sportschütze 13.000 Schuss Munition daheim lagere.

Im Gegenteil: „Ich habe viele Kollegen, die zwischen 10.000 und 15.000 Schuss daheim haben“, sagt er. Dies hänge auch damit zusammen, dass man bei größeren Bestellungen oftmals preisliche Rabatte von Anbietern erhalte. „Die 13.000 Schuss, die bei dem Mann gefunden wurden, sind vielleicht für einen Laien viel, aber für einen Sportschützen nicht“, so Simeoni, der seit sechs Jahren im Schützenverein ist. Kay Erdmann nickt zustimmend. „Bei einem Sportschützen mit drei Waffen sind 13.000 Schuss nichts ungewöhnliches“, ergänzt er.

Sportschützen sind Sportler

Thilo Simeoni weiß, dass ihm und seinen Sportschützenkollegen ein gewisser Ruf anhängt. „Wir wissen, dass wir in einem diffizilen Bereich unterwegs sind mit unseren Waffen.“ Als er von der Festnahme des mutmaßlichen Reichsbürgers in Singen im SÜDKURER gelesen hat, war sein erster Gedanke: „Bitte kein Sportschütze.“

Aber er betont auch: Sportschützen sehen sich mehr als Sportler denn als Schützen. So gebe es viele Sportschützen, die etwa über eine Sprengerlaubnis verfügen. Das bedeute nicht, dass sie jemanden oder etwas in die Luft sprengen wollen. Vielmehr sei die Sprengerlaubnis dazu da, um eigene Patronen herzustellen – um Kosten zu sparen.

Sportschützen kämpfen mit Vorurteilen

Und dennoch genießen Sportschützen in Deutschland nicht immer den besten Ruf – zu unrecht, wie die Sportschützen aus Friedingen empfinden. Werner Berchtold erzählt, dass er in seinem Freundeskreis gar nicht mehr verrät, dass er Sportschütze ist. „Man wird oft gleich vorverurteilt“, sagt er. Durch Attentäter und gewaltsame Vorfälle gerate man als Sportschütze schnell in Verruf. Kay Erdmann wird deutlicher: „Delikte mit Todesfolge geschehen fast ausschließlich mit illegalen Waffen.“

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Und auch mit einem anderen Vorurteil will Thilo Simeoni aufräumen: Denn nicht bei jeder illegalen Waffen, die von der Polizei sichergestellt werde, handle es sich um Schusswaffen. Bei der Festnahme des mutmaßlichen Reichsbürgers in Singen sei dies laut dem Sportschützen ersichtlich gewesen. Aber: „Der angebliche Reichsbürger muss als Besitzer einer Waffenerlaubnis gewusst haben, dass er illegale Waffen hat.“

„Schießsport ist kein wildes Darauflos-Schießen.“

Wer glaubt, dass man einfach so beim Schützenverein in Friedingen reinmarschieren kann, eine Waffe in die Hand gedrückt bekommt und losfeuern darf – der irrt. Laut Thilo Simeoni könne man zwar ein Probetraining anmelden und zusammen mit einem erfahrenen Sportschützen ein paar Schüsse abgeben. Aber im ersten Jahr wird nur mit einer Luftpistole geübt. Erst danach erhält ein Neuling die Möglichkeit, eine Waffe zu bekommen.

In dieser Zeit gehe es auch darum, den neuen Sportkollegen besser kennenzulernen und etwaige Auffälligkeiten zu entdecken. „Der Schießsport ist kein wildes Darauflos-Schießen“, so Simeoni. Aktuell sind im Schützenverein in Friedingen etwa 100 Mitglieder vertreten. 20 bis 30 von ihnen nehmen laut Simeoni an Wettkämpfen teil. Und für die muss trainiert werden. Wenig später sind alle Waffen geladen und die ersten Schüsse auf die Zielscheiben fallen.