Es ist Wahlkampfzeit – und damit eine Zeit, in der die Parteiprominenz traditionell an der Basis vorbeischaut. Dorothea Wehinger (Grüne), die seit fünf Jahren den Wahlkreis Singen-Stockach im Stuttgarter Landtag vertritt und sich erneut zur Wahl stellt, brachte kürzlich Sozialminister Manfred „Manne“ Lucha zu einem Videogespräch mit.
Der Minister musste sich von den etwa 40 Teilnehmern einiges anhören – vor allem Kritik an der Impfkampagne gegen das Coronavirus. Warum gehe diese beim Klinikpersonal nicht schneller, lautete eine Frage, die laut Wehinger vorab von einem Krankenhaus-Chefarzt kam. Warum würden die Termine für die Impfung der Über-80-Jährigen nicht wie anderswo zentral vergeben, fragte Bernd Eberwein, Vorsitzender des Kreisseniorenrats.
Und warum müssten diese Menschen sich mit sperrigen Telefon-Warteschleifen und Internetseiten herumschlagen und vielleicht noch weite Strecken zu einem zentralen Impfzentrum fahren, fragte Grünen-Kreisrat Siegfried Lehmann aus Radolfzell. Das Krankenhauspersonal habe das Gefühl, nicht gesehen zu werden, sagte Klinikseelsorger Christoph Labuhn. Und Frank Hinder, Ärztlicher Direktor am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen, benannte seine Sorge darum, was mit den Kliniken passiere, wenn man sie nicht genug schütze – auch mit Blick auf Virus-Mutationen.
Der Impfstoff ist knapp – und das sei der begrenzende Faktor, sagt der Minister
Lucha reagierte unter Rechtfertigungsdruck. Derzeit müsse man einen extremen Mangel an Impfstoff verwalten, was der begrenzende Faktor sei. Bei Impfzentren und mobilen Teams seien landesweit 260.000 Impfungen pro Woche möglich, derzeit könne nur ein Bruchteil davon stattfinden. Die Auskunft, dass es keine Impftermine gebe, sei natürlich unbefriedigend. Doch unter Volllast würde das Vergabesystem besser laufen, weil es mehr Termine gebe und weniger Anrufer abgewiesen würden.
Große Krankenhäuser habe man eigentlich direkt anfahren wollen, doch das sei organisatorisch sehr komplex und vorerst nicht möglich. Doch Lucha stellte in Aussicht, dass medizinisches Personal eine höhere Impfquote bekomme, die Impfung aber in den Zentren erfolgen müsse. Vor dem Hintergrund der Impfstoffknappheit rechtfertigt der Minister auch, dass es keine zentrale Terminvergabe gebe. Denn wo die Termine zentral vergeben worden seien, müsse man diese nun wieder kassieren, weil kein Impfstoff komme. Es soll allerdings neue Anschreiben an die Haushalte geben, auf die man auch per Brief antworten könne. Und Lucha macht Hoffnung aufs nächste Quartal, wenn mehr Impfstoff zur Verfügung stehen und die Impfkampagne besser laufen solle.
Die weiteren Themen der Veranstaltung, die angestrebte Gründung einer Pflegekammer und der Fachärztemangel, traten in den Hintergrund. Aber ein bisschen Wahlkampf gab es: Lucha und Wehinger erwähnten, dass sie gerne noch weitere fünf Jahre in Amt und Verantwortung wären.