Von wegen, besinnliche Adventszeit – die Nachricht von Bürgermeisterin Ute Seifrieds Interesse am Amt des Sozial- und Kulturbeigeordneten in Konstanz kam unerwartet. In Singen stößt dies teils auf Unverständnis und teils auf Überraschung. Beispielsweise bei Oberbürgermeister Bernd Häusler: „Die Zusammenarbeit mit meiner Kollegin ist sowohl menschlich, wie auch fachlich außerordentlich gut.“ Sie mache in ihrem Dezernat eine sehr gute Arbeit und auch das Arbeitsklima im Rathaus sei sehr vertrauensvoll. Vergangene Woche habe Seifried ihn über die Anfrage aus Konstanz informiert.
Überrascht war auch Stadtrat Hans-Peter Storz (SPD), der den Eindruck hatte, dass sich Seifried in Singen wohlfühle: „Wir alle haben ihre Arbeit sehr geschätzt. Ihr Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel macht mich traurig.“ Sie habe in Singen einen guten Job gemacht und sei beliebt gewesen. Überrascht habe ihn zudem, dass Seifried so offen über die gewünschte Unterstützung der Konstanzer FGL gesprochen habe und eine Kandidatur daran knüpfe. „Der Wechsel nach Konstanz wäre ein Verlust für Singen. Ich würde mich freuen, wenn sie ihre Pläne noch einmal überdenken würde.“

Bei FDP-Rätin Kirsten Brößke schwingt eine Portion Enttäuschung mit, vor allem mit Blick auf die kurze Amtszeit. Dennoch stellt sie Seifried ein gutes Zeugnis aus. Viele Projekte, gerade im sozialen Bereich, kämen erst nach mehreren Jahren zum Tragen, so Brößke. Irritiert zeigt sich Stadtrat Franz Hirschle (CDU). Das Tandem Häusler/Seifried habe doch gut funktioniert: „Die CDU würde ihr Abwandern nach Konstanz sehr schade finden“, betont er, dass Seifried eine große Lücke hinterlassen würde. Doch geht er davon aus, dass sich Seifried den Schritt gut überlegt habe: „Es muss Hintergründe für eine solche Entscheidung geben.“ Für Singen könnte dies aber auch bedeuten, dass man im OB-Wahlkampfjahr 2021 eine weitere wichtige Personalie neu zu besetzen habe.
Für Hubertus Both von den Freien Wählern (FW) in Singen wäre ein Weggang Seifrieds bedauerlich. „Unser Fraktion würde sich freuen, wenn sie der Stadt erhalten bliebe“, sagt er. Es sei eine gute Entscheidung gewesen, den Schwerpunkt der Beigeordnetenstelle auf Soziales zu legen. „Und die von uns gewählte Beigeordnete hat gute Arbeit geleistet.“ Glücklicherweise handele es sich gegenwärtig nur um Gedankenspiele. Dennoch, so Both: „Niemand hat das Recht zu bestimmen, wie sie sich beruflich entwickeln soll oder zu bewerten welche beruflichen Perspektiven die beste Verwirklichung ihres Lebens darstellen.“
Grünen-Fraktionschef Eberhard Röhm hatte schon von den Gerüchten aus Konstanz gehört. „Wir als Grüne in Singen würden es begrüßen, wenn sie bliebe, aber der interkommunale Austausch von Verwaltungskräften ist nicht Ungewöhnliches“, erklärt er gegenüber dem SÜDKURIER. Bedauern bei der Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger: „Sie war und ist eine wichtige Gesprächspartnerin für alle sozialen Belange auf Singener Stadtebene.“ Gemeinsam konnten Projekte wie Quartiersentwicklung und Kinderchancen gefördert werden. „Eines ihrer wichtigen Anliegen ist die Förderung und Unterstützung von Frauen, Kindern und Familien. Darin trafen wir uns auf Augenhöhe“, betont Wehinger, dass gemeinsam viel erreicht werden konnte.
Annika Klotz hat als Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Kindertageseinrichtungen stets eine gute und immer konstruktive Zusammenarbeit erlebt: „Frau Seifried hat sich immer für Belange der Kinderbetreuung eingesetzt hat – sofern es die Rahmenbedingungen zugelassen haben“, beschreibt sie die Zusammenarbeit als sehr transparent. „Es ist nicht selbstverständlich, dass Gesamtelternbeiräte zum Beispiel zu Treffen eingeladen werden“, betont sie. Ähnlich schildert Johannes Briechle, Leiter der Zeppelin-Realschule, den bisherigen Kontakt. Was er von einem möglichen Wechsel hält? „Gar nichts. Ich möchte, dass sie bleibt. Denn ich schätze die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihr sehr.“ Als er am Mittwochmorgen im SÜDKURIER las, dass Seifried nach Konstanz wechseln könnte, sei er in eine Art Schockstarre gefallen. „Das hätte ich nicht gedacht. So jemanden lässt man ungern ziehen.“ Entsprechend habe er ihr noch am Morgen eine kurze Mail geschrieben. Wenig später habe er eine Antwort erhalten – für Briechle ein weiteres Beispiel für die Kompetenz, welche die Stadt mit ihrer Bürgermeisterin hat.

Ein Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt ist aus Sicht der Sozialverbände nicht wünschenswert. „Die Bürgermeisterin hat sich gut in die entscheidenden Themen eingearbeitet“, erklärt Oliver Kuppel von der Caritas als Träger wichtiger Kindertageseinrichtungen in der Stadt. Seifried habe sich im regen Austausch als faire Partnerin etabliert. „Es bleibt zu hoffen, dass die gute Zusammenarbeit auch mit neuem Personal möglich ist.“ Ein Aspekt, der auch für Udo Engelhardt vom Verein Kinderchancen entscheidend ist. „Es ist schade, dass jetzt ein Wechsel anstehen könnte“, sagt er. Richtig sei es auf jeden Fall gewesen, dass die Beigeordnetenstelle für Soziales und Kultur geschaffen worden sei.
Die Frau und ihr Weg
- Zur Person: Die 52-Jährige stammt gebürtig aus Karlsruhe, ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.
- Die Vorgeschichte: Schon 2013 bewarb sich Seifried um das Amt in Konstanz. Damals ist sie dem SPD-Kandidaten Andreas Osner knapp unterlegen.
- Der Beruf: Die Verwaltungsfachwirtin hat zeitlebens in Sozial- und Jugendbehörden gearbeitet. Von 2011 bis Sommer 2015 leitete sie in Konstanz das Sozial- und Jugendamt. Bei der Wahl zur Sozialbürgermeisterin in Singen setzte sie sich vor fünf Jahren im Gemeinderat gegen den Mitbewerber Klaus Schramm durch und wurde im März 2015 zur Beigeordneten und Stellvertreterin von Oberbürgermeister Bernd Häusler in Singen gewählt. Auf Seifried entfielen 21 Stimmen, ihr Gegenkandidat musste sich mit elf Unterstützern geschlagen geben. 32 Stimmen gab es zu verteilen.
- Die Ziele: Acht Jahre sollte sie die Bereiche Soziales und Bildung in Singen steuern. Als Bürgermeisterin ist Ute Seifried unter anderem verantwortlich für die Kindertagesstätten, Schulen, Integration und Sport. Vor ihrem Amtsantritt im Juli 2015 nannte sie als Ziele bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu schaffen, eine frühe Prävention und den Erhalt der vielfältigen Bildungslandschaft in der Stadt.
- Das Private: Ein anderes Versprechen hat sie ebenfalls wahr gemacht und mit ihrem Mann in Singen ein Haus gebaut. Zu ihren Hobbys zählen Wandern und Bergsteigen.
(bie/mgu/isa)