Seit Jahrzehnten türmt sich nicht nur einer, sondern gleich drei riesige Steine neben der Autobahn 81, am Ende des Hohentwieltunnels in Richtung Mühlhausen-Ehingen. Ein weiterer der mysteriösen Steine liegt quasi nur einen Steinwurf entfernt nahe der Duchtlinger-Straße. Doch was verschlug sie dorthin?

Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es sich hierbei um einen Findling handelt – also um einen Gesteinsbrocken, der von einem Gletscher angespült wurde. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Helmut Fluck, Gründer der „Historischen Sammlung“ in Mühlhausen-Ehingen, hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigt. Er erklärt bei einem vor-Ort-Termin mit dem SÜDKURIER: Es handle sich bei den Felsen um Phonolithe. Also jene Gesteinsart, aus denen auch Hohentwiel, Hohenkrähen und Mägdeberg bestünden, erzählt er. Im Gegensatz zum Basalt, aus welchem andere Hegauberge, wie der Hohenhewen oder der Hohenstoffeln, bestehen, sei das Phonolith kein brauchbares Material: „Es ist viel zu brüchig“, erklärt der Hobbyhistoriker.
Das könnte auch der Grund sein, weshalb sie mitten in der Natur stehen. Da das Material nicht wirklich verwertbar sei, habe es vermutlich auch keinen Anlass gegeben, die Steine an einen speziellen Ort zu bringen, vermutet Fluck. Bei der Betrachtung der Steine wird deutlich, dass sich dynamitstangengroße Löcher in ihnen befinden. Hierzu hat er zwei Annahmen: „Entweder dienten sie der Sprengvorbereitung oder dem Transport“. Allerdings seien die Brocken noch an einem Stück, was nahelege, dass man sich gegen eine Sprengung entschieden habe, schlussfolgert Fluck. Der 83-Jährige vermutet, man habe die Brocken stattdessen mithilfe von Eisenstangen auf eine Art Tieflader aufgeladen. So konnten diese aus dem Weg geräumt und einige hundert Meter abseits der Baustelle abgeladen werden, erklärt er.
Sie kämpften sich von ganz unten bis an die Oberfläche
Über sechs Millionen Jahre ist es her, dass die Hegau-Vulkane aktiv waren. Doch in dieser Zeit des Hegau-Vulkanismus seien die Steine vermutlich innerhalb des Hohentwiels nach oben befördert worden, denkt Fluck. Dort schlummerten sie dann weitere Millionen Jahre im Verborgenen – bis in den siebziger Jahren der Bau des Hohentwieltunnels begann. Während der Bauarbeiten müssen die Steine entdeckt und abtransportiert worden sein, schätzt er.

Es war zwar das letzte Mal, dass die Phonolithen tatsächlich bewegt wurden, doch gab es auch um die Jahrtausendwende Interesse an ihnen, erzählt er. Übereinstimmend mit einem Schriftstück von Horst-Rainer Nies berichtet auch Fluck: „Damals gab es nämlich den Wunsch sie zur Singener Landesgartenschau zu bringen, die im Jahr 2000 stattfand.“ Doch der Besitzer des Grundstückes, auf welchem die Steine sich befinden, sei dagegen gewesen, führt der Historiker fort.
„Ein technisches Naturdenkmal“
Als Solches bezeichnet Fluck die im Hohentwiel gefundenen Riesen. „Das Auffinden geschah durch technische Mittel und die Objekte an sich, sind Natur“, erklärt er die Bezeichnung. Und nicht nur das – sie bieten auch einen natürlichen Lebensraum für Tiere. Bei der Begutachtung der Steine, gemeinsam mit dem SÜDKURIER, entdeckte der 83-Jährige ein Nest, das Mörtelbienen beherbergt habe. Findlinge seien ein guter Ort für die Nester dieser Wildbienen. „Den Bauvorrat werden sie direkt vor der Tür gehabt haben“, erklärt er. Denn die vom Aussterben bedrohte Art errichtet ihre Nester mithilfe von Gesteinsgrus oder Sand und vermischt diesen mit dem eigenen Speichel sowie Nektar.

Ein weiterer Riese
Ein weiterer Gesteinsbrocken, der sich auf dem Gelände des alten Friedhofes in Singen befindet, kommt ebenfalls aus dem Hohentwieltunnel. Laut der dort angebrachten Informationstafel, stamme er aus einer Tiefe von 3000 bis 3200 Metern und wurde 1979 beim Bau des Autobahntunnels gefunden. Allerdings handelt es sich hierbei um einen Schwarzwaldgranit. Recherchen des gebürtiger Hegauers Horst-Rainer Nies‘ brachten zutage, dass sich ein damaliges BUND-Mitglied den Stein gesichert habe. Dieser habe auch die bronzene Informationstafel in Auftrag gegeben. Solch eine Tafel wünsche sich Helmut Fluck auch für die Phonolithen nahe der Autobahn, um an die Herkunft und Bedeutung der Steine zu erinnern.