Es ist ein harter Kampf. Aktuell plant die Deutsche Bahn im Zuge der Bauarbeiten zum neuen, unterirdischen Stuttgarter Bahnhof, den Anschluss an Schwarzwald und Bodenseeregion zu kappen. Doch entlang der sogenannten Gäubahn von Singen nach Stuttgart mehrt sich der Widerstand. Um den geht es in der Dokumentation „Kampf um die Gäubahn“ von Regisseur Klaus Gietinger. Gäubahn-Aktivisten haben den Film im Singener Kulturzentrum Gems gezeigt, nachdem er teilweise im Gems-Saal aufgenommen worden war. Dabei gab es auch einen Ausblick auf die nächsten Schritte, denn die Gäubahn beschäftigt inzwischen den Verwaltungsgerichtshof.
Drei Tage vor dem Verwaltungsgericht statt einer?
Bereits bei den Aufnahmen im Juni wurde die Hoffnung laut, dass die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Wende für den Betrieb der Gäubahn bringen könnte. Die Hoffnungen sind immer noch sehr groß, zumal inzwischen klar ist, dass Mitte Februar drei Verhandlungstage angesetzt sind, um die Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu behandeln. Vor gut zehn Tagen hat Jürgen Resch, wie er zur Filmvorführung in Singen bekannt geben konnte, neue Nachrichten bezüglich der Klage bekommen.
Eigentlich sei nur der 12. Februar als Verhandlungstermin geplant gewesen, doch man solle sich auch den 13. und 14. Februar frei halten, zitiert Resch aus dem Schreiben des Verwaltungsgerichtshofes. Dies stimmt ihn zuversichtlich, zumal die Bahn aufgefordert worden sei, zu dem Termin sachkundige Vertreter zu entsenden.

Umwelthilfe fürchtet massive Verschlechterung
Mit der Klage wolle die DUH erreichen, dass der Staat am Planfeststellungsbeschuss festhalten müsse. „Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt unseren Antrag auf Ablehnung der Gäubahn-Kappung ignoriert hat, bleibt uns nur der Klageweg. Bund, Land und Bahn brechen hier vorsätzlich das Gesetz und ihr Versprechen, dass es durch Stuttgart 21 zu keiner Verschlechterung des Bahnverkehrs komme. Die Kappung und zu erwartende weitere Beeinträchtigungen sind massive Verschlechterungen für Millionen Menschen“, nennt Jürgen Resch Gründe für die Klage, die auch schon im Juni vorlagen.

Damals hat die DUH mit einer Unterbrechung der Gäubahn-Strecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof von zehn bis 20 Jahren gerechnet. Die jüngsten Nachrichten stimmen Resch hingegen hoffnungsvoll: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir vor Gericht eine sehr hohe Chance haben, Recht zu bekommen.“
Initiative und Linken-Politikerin sind skeptisch
Ein Klage, die auch Frank Distel von der Schutzgemeinschaft Filder und der Pro-Gäubahn-Initiative befürwortet. Er ist vehement dafür, den Stuttgarter Kopfbahnhof zu erhalten. Doch da müsse man bei der Stadt Stuttgart durch dicke Bretter bohren. Im Film kommt der Stuttgarter Bau-Bürgermeister Peter Pätzold (Grüne) zu Wort und bekräftigt, dass er partout nicht von den Plänen abweichen will.
Die Fraktionsvorsitzende der Linken/SÖS im Stuttgarter Stadtrat, Johanna Tiarks, erläutert im Film ihre Sicht auf die Flächen, die für Wohnbebauung gedacht sind: Da gäbe es Gebäudekomplexe, die leer stehen und für Wohnraum genutzt werden könnten. Sie malte auch aus, wie heiß es in der Stadt würde, wenn auf dem Filetstück beim Kopfbahnhof Wohnbebauung erstellt würde. „Ende September haben wir mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper über diese Optionen gesprochen“, so Distel.
Benedikt Weibel, der als ehemaliger Vorstand der Schweizerischen Bundesbahnen im Film zu Wort kommt, hatte auf dem Podium im Juni in Singen schon prophezeit: „Ich mache jede Wette, dass der Pfaffensteigtunnel niemals gebaut wird.“ Er verweist auf Bahn-Zahlen, nach denen lediglich 70 Reisende pro Tag mit der Gäubahn direkt zum Stuttgarter Flughafen fahren wollen. Dafür soll der Pfaffensteigtunnel gebaut werden.
Die Gäubahnunterbrechung werde wegen des Baus dieses Tunnels aber länger dauern, als zurzeit kommuniziert wird, vermutet der Schweizer. „Ich rechne mit einer Bauzeit von mindestens zehn Jahren plus einer längeren Planungszeit vorab“, ergänzt Distel. Nach derzeitigen Planungen sollen Fahrgäste ab April 2026 auf der Fahrt mit der Gäubahn nach Stuttgart Hauptbahnhof in Stuttgart-Vaihingen in S-Bahnen umsteigen.
Vor den Verhandlungstagen Mitte Februar 2025 soll es an der Gäubahn-Strecke auch Aktionen geben, kündigte Resch an. Er hoffe, dass man in der ersten Instanz gewinnen werde und rechne mit einer Urteilsverkündigung vier bis sechs Wochen nach dem Verhandlungstermin.
Film beleuchtet Geschichte der Gäubahn
Im Film selbst kommen zahlreiche Menschen zu Wort, die mit dem Bahnprojekt S21 und der Gäubahn verbunden sind. Sehr interessant und mit einer gehörigen Portion Ironie bis hin zum Sarkasmus erfährt der Zuschauer auch Details über die Bahn-Geschichte im Allgemeinen und die Gäubahn im Speziellen, die als Magistrale von Mailand bis nach Berlin geplant war und 1917 sogar von Lenin befahren wurde, als dieser von Zürich nach St. Petersburg fuhr. Neben den regionalen Protagonisten kommen auch Interviewpartner wie Claus Weselsky als Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Künstler Peter Lenk, Grünen-Verkehrsminister Winfried Herrmann, Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der frühere CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel zu Wort.
Weitere Informationen im Internet unter www.buergerbahn-denkfabrik.org, www.gietinger.de sowie www.duh.de