Die Fellnasen Karl, Luana und Pauline sind alle aus dem Tierschutz oder Tierheim adoptiert. Zeit und Geld hätten die Krämers gerne aufgewendet, damit sich ihr Familienzuwachs gesund und wohl fühlt. „Wie muss es Menschen gehen, die plötzlich in finanzielle Not geraten?“, sagt Silke Krämer. Aus diesem Gedanken heraus sei Tiareza entstanden – ein Verein mit dem Ziel, bedürftigen Menschen die Tierarztkosten zu bezahlen.
Seit 2020 läuft die Mission der Krämers, mit Unterstützung von 38 Mitgliedern und weiteren Spendern. Der Verein sitzt in Singen, Fälle kommen aus dem gesamten Hegau. Doch wer wann Anspruch auf Hilfen für Tierarztkosten habe, würde oft diskutiert, so die Gründer im Gespräch mit dem SÜDKURIER – egal ob in der Öffentlichkeit oder intern unter den Mitgliedern.
Debatte um bedürftige Tierhalter
Melanie Vogt ist eine gute Freundin der Gründer und auch Unterstützerin. Dennoch ist sie der Meinung: „Wer sich ein Tier anschafft, muss damit rechnen, dass es auch Geld kostet.“ Und das nicht gerade wenig: Abseits von der Basisausstattung für Haustiere, zum Beispiel Futter und Schlafplatz, kommen auch Steuern sowie jährliche Tierarztkosten, zum Beispiel für Impfung und Entwurmung, auf Besitzer zu. Zudem kann das Tier plötzlich krank und weitere Arztbesuche nötig werden.

Darum empfiehlt die Bundestierärztekammer (BTK) Besitzern, eine Tierkrankenversicherung abzuschließen. Präsident der BTK und Kleintierpraktiker Uwe Tiedemann schildert in einer Pressemitteilung: „In meinem Praxisalltag habe ich schon das eine oder andere unangenehme Gespräch mit Tierbesitzern führen müssen, weil sie von den bevorstehenden Kosten für eine nötige Operation ihres Hundes völlig überrascht waren.“
Jeder Tierhalter kann in Not geraten
Manchen Menschen wird der finanzielle Aspekt eines Haustieres erst bewusst, wenn sie es haben. So auch Ramona Ak. Das Tiareza-Mitglied habe selbst mehrere Katzen und sei doch überrascht, welches Loch Tierarztrechnungen in die Kasse reißen könnten. Trotzdem sei sie der Meinung, dass ein Tier in jedem liebevollen Zuhause ein schönes Leben führen könne, auch wenn das nötige Kapital einmal fehle.
„Das kann jeden von uns treffen“, sagen die Krämers hinsichtlich finanzieller Not wegen hoher Tierarztrechnungen. Darum unterstützen sie mit ihrem Verein Menschen, die erst nach der Anschaffung ihres Tieres bedürftig geworden sind.

Gratwanderung zwischen Hilfe gewähren und ablehnen
Bevor die Spenden des Vereins zum Einsatz kämen, werde die Bedürftigkeit des Tierhalters und die Notwendigkeit einer tierärztlichen Behandlung geprüft, sagt Vereinsgründer Markus Krämer. Das sei ein sensibler Prozess, denn manche würden sich schämen, ihre finanzielle Not und den Zustand des Tieres zuzugeben.
Die Krämers ermutigen die Bedürftigen dann, sich mit kleinen Beiträgen an den Tierarztkosten zu beteiligen. „Das gibt ihnen das Gefühl, trotzdem Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es nur 5 Euro sind“, sagt Mitbegründerin Silke Krämer.

Verantwortung, das hätten die Gründer auch ihren Vereinsmitgliedern gegenüber. Schließlich werden die Mitgliedsbeiträge ebenso wie Spenden komplett für Menschen eingesetzt, die sich den Tierarzt wirklich nicht leisten könnten, betont Markus Krämer. Dabei sei es nicht immer einfach, die Bedürftigkeit der Antragsteller zu prüfen.
Oft fehlten Dokumente wie Kontoauszüge, seien unvollständig oder gar gefälscht. „Dann befinden wir uns in einem Zwiespalt: helfen oder nicht helfen“, sagt der Gründer. Schließlich stehe hinter jeder Spendenanfrage ein Tier in Not, das nicht länger leiden solle. Ob dann Spendengelder eingesetzt werden, entscheiden die Krämers und Vereinsmitglieder individuell und unvoreingenommen.
Für manche ist das Tier einziger Bezugspartner
Dabei machen sie auch mal eine Ausnahme und helfen beispielsweise Menschen ohne Wohnsitz auch dann, wenn die finanzielle Not schon vor der Tieranschaffung bestand. „Für sie ist das Tier oft der einzige Bezugspartner“, sagt die Gründerin. Auch junge Menschen seien betroffen. Sie holen sich oft Hunde aus dem Tierheim oder von der Straße, beobachten die Gründer.
Mensch und Tier würden dann profitieren: zum Beispiel von einem treuen Begleiter und gegenseitigem Schutz. „Warum also nicht helfen?“, fragt Silke Krämer. Damit das weiterhin funktionieren kann, hofft der Verein auf neue Mitglieder und Spender – „Menschen, die Glück im Leben haben“, so die Gründer.
Glücklich fühlen sich die Krämers jedenfalls, weil sie das tun, was ihnen am meisten Spaß macht: Tieren ein schönes Leben ermöglichen, so wie schon ihren eigenen Fellnasen Karl, Pauline und Luana.