Das Singener Krankenhaus soll einen neuen Standort bekommen, die Krankenhäuser Radolfzell und Stühlingen stehen vor dem Aus. So lautet zumindest der Vorschlag des Gutachtens der Firma Lohfert und Lohfert: Auf den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) könnten große Veränderungen zukommen.
Wie Oberbürgermeister Bernd Häusler bei der Vorstellung des Strukturgutachtens Anfang März betonte, seien die Pläne schon sehr konkret. Die Kosten für einen möglichen Neubau für den westlichen Hegau sollen laut einer ersten Schätzung der Gutachter etwa 270 Millionen Euro betragen. Direkt nach Bekanntwerden der Ergebnisse des Gutachtens scheint es so, als ob der Ton zwischen Radolfzell und Singen schärfer wird. Beide Städte buhlen um den möglichen Neubau, obwohl das Gutachten vorgeschlagen hat, das Krankenhaus in Radolfzell zu schließen.
Besitzt die Stadt Singen ein Grundstück?
Laut OB Bernd Häusler habe die Stadt eigene Flächen. „Dennoch bedarf eine derart große Fläche des Zukaufs weiterer Grundstücke. Wir befinden uns derzeit in der Sondierungsphase“, sagt er auf Nachfrage des SÜDKURIER. Das Gutachten geht davon aus, dass ein Grundstück von 70.000 bis 100.000 Quadratmetern für den neuen Klinikstandort benötigt wird.

Dabei schließt Häusler auch nicht aus, dass die Stadt für den Neubau des Klinikums auf ein externes Grundstück zugreife. Es sei hierfür allerdings zu früh, um genauere Angaben zu machen. Aber so viel verrät Häusler dann doch: In Singen sei man vorbereitet: „Wir gehen deshalb davon aus, dass es verschiedene Optionen geben kann“, so Häusler.
Wird der Klinikstandort zum Streitthema?
OB Bernd Häusler geht aktuell nicht davon aus, dass der zukünftige Standort für den Klinikneubau zu einem handfesten Zoff zwischen Singen und Radolfzell führen werde. „Das Thema Krankenhaus ist ein emotionales, ganz ohne Zweifel. Man muss sich vor Augen führen, dass es hier nicht nur um die Schließung das Radolfzeller Krankenhauses geht, sondern auch um die Schließung des Singener Krankenhauses“, sagt er. Singen beheimate das größte Krankenhaus im Landkreis, mit rund 450 Betten sowie etwa 1000 Beschäftigten sei es größer als das in Konstanz.

Das Singener Krankenhaus sei das gesundheitliche Versorgungszentrum für den gesamten westlichen Hegau mit einem Einzugsbereich von weit über 100.000 Menschen. Die Erreichbarkeit der Stadt Singen könne laut Häusler sicherlich als hervorragend bezeichnet werden – egal ob mit Auto, Bus oder Bahn. „Ich bin mir aber sicher, dass alle Akteure durch professionelles und verantwortungsbewusstes Handeln Sorge tragen, dass unsere guten Beziehungen keinen Schaden nehmen werden. Der Prozess muss sachlich, faktenbezogen und transparent sein“, betont er.
Als Grundvoraussetzung sehe er eine Bürgerinformation und den Dialog, um Sorgen und Bedenken aufzunehmen, zu berücksichtigen und auch zu entkräften. „Wir in Singen handeln bei unseren Projekten so, das hat sich in der Vergangenheit bewährt. Und was in Singen funktioniert, das klappt sicher auch im Landkreis“, macht Häusler deutlich.
Müssen andere Projekte nun warten?
Die Liste an Großprojekten in Singen ist unter anderem mit dem neuen Feuerwehrhaus, der dringend benötigten dreiteiligen Sporthalle oder dem neuen Hallenbad lang. Für alle Vorhaben bedarf es großer Grundstücke. Alleine mit Blick auf die neue Feuerwehr wird dies deutlich: Hierfür benötige man laut Häusler ein Grundstück zwischen 10.000 und 12.000 Quadratmeter. Zuletzt war immer wieder von einem möglichen Standort beim Stadion des FC Singen die Rede gewesen.

Häusler schätzt die Kosten für ein neues Feuerwehrhaus auf rund elf Millionen Euro. Sorgen, dass sich diese Projekte durch den nun anvisierten Klinik-Neubau verzögern, habe Häusler allerdings keine, sagt Häusler: „Die Vorhaben haben wir bei unseren Überlegungen immer auch fest im Blick. Es geht nicht um Flickwerk bei der Weiterentwicklung unserer Stadt.“ Vielmehr handle es sich um ein wohlüberlegtes zukunftsfähiges Gesamtkonzept, welches aufeinander abgestimmt sei.
Wie hoch ist der Sanierungsstau in Singen?
Alleine für den Krankenhaus-Standort in Singen geht OB Häusler von einem Sanierungsstau von 105 Millionen Euro aus. Aber auch an den Standorten Radolfzell wären mit 86 und Stühlingen mit 26 Millionen Euro hohe Summen erforderlich.
„Damit würde man zwar die Gebäudesubstanz verbessern, würde aber nach wie vor – so die Essenz aus dem Gutachten – die medizinische und strukturelle Situation nicht nachhaltig verbessern und damit auf längere Sicht kaum zukunftsfähig machen“, betont Häusler. Auch in Konstanz würden laut dem Singener Rathauschef hohe Investitionen anstehen – nämlich rund 72 Millionen Euro für Instandhaltungsaufwendungen.
Wie sehen die Beteiligungen aus?
52 Prozent des GLKN gehören dem Landkreis und je 24 Prozent den Klinikgesellschaften aus Konstanz und Singen. Dadurch sind der Kreistag und der Konstanzer Gemeinderat im Boot. Und bei der Fördergesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum sind die Gemeinderäte aus Singen, Radolfzell und Engen sowie ebenfalls der Kreistag beteiligt.
Singener Klinik hat zu lange Wege
- Das Singener Krankenhaus: Das ursprüngliche Krankenhaus, der Backsteinbau, stammt laut OB Bernd Häusler aus dem Jahr 1928. Im Lauf der Jahrzehnte wurden Bauten hinzugefügt und das Krankenhaus um medizinische Abteilungen erweitert. So entstand ein großer Komplex, der aber auch Nachteile mit sich bringe, wie Häusler schildert: „Die Abläufe, die für einen modernen, schnellen und reibungslosen Ablauf des Krankenhausbetriebes und der Diagnostik notwendig sind, konnten aufgrund der baulichen Struktur nur sehr eingeschränkt berücksichtigt werden. So ergeben sich lange und umständliche Wege von einem Bereich zum nächsten.“ Zudem sei die bauliche Situation in Singen, Radolfzell und Stühlingen für einen effizienten medizinischen und wirtschaftlichen Betrieb nicht mehr zukunftsfähig.
- Das GLKN-Gutachten: „Das Krankenhaus in Singen ist so nicht zukunftsfähig“, sagte OB Häusler bei der Vorstellung des Strukturgutachtens am 11. März. Das sei klare Aussage der Gutachter. Dies und die Empfehlung, Radolfzell zu schließen, habe sie „in Mark und Bein getroffen“, sagte er. Bis Beschlüsse vorliegen, soll nicht mehr viel Zeit vergehen. „Wir müssen Gas geben“, sagte Landrat Zeno Danner damals. Schon im Mai soll der Kreistag einen Grundsatzbeschluss fällen. Der neue Standort könnte laut Danner bereits 2030 betriebsbereit sein.