Die Diskussion um die Zukunft des Singener Hegau-Bodensee-Klinikums beschäftigt auch die Bevölkerung und deren Vertreter im gesamten Hegau. Auf Vorschlag eines Gutachtens soll das Krankenhaus neu gebaut werden. Aber wo? Die Standortfrage wird schon heiß diskutiert, vor allem in Radolfzell, da dem dortigen Krankenhaus die Schließung droht. Wichtig ist befragten Vertreter von Hegaugemeinden eine gute Versorgungsqualität und Anbindung an Straße und öffentlichen Nahverkehr.

„Es ist unbestritten, dass Handlungsbedarf besteht“, sagt Steißlingens Bürgermeister Benjamin Mors vor allem als Kreisrat. Nach seinem Bauchgefühl sei ein Neubau wohl unumgänglich, dennoch sollte eine mögliche umfassende Sanierung des bestehenden Singener Klinikums nochmals eingehend geprüft werden, sagt Mors. Die Finanzierung der für einen Neubau veranschlagten Investition von 270 Millionen Euro sei noch völlig offen. „Da weitere große Investitionen im Landkreis Konstanz anstehen, könnte die finanzielle Belastung über zu erwartende Erhöhungen der Kreisumlage für die Gemeinden erdrückend werden“, so Mors.
„Der Standort müsse so gewählt werden, dass er im Zentrum des mittleren Hegaus liegt, wo von Radolfzell bis an den Randen die allermeisten Menschen im Landkreis Konstanz wohnen. Es ist aber auch klar die Aussage des Singener Oberbürgermeisters Bernd Häusler zu berücksichtigen, die deutlich macht, dass ein großes Grundstück für einen Neubau auf Singener Gemarkung gefunden werden soll.“ Stimmen aus Radolfzell, die einen Standort in der Nähe der Bundestraße 33 vorschlagen, also auch unweit von Steißlingen, will Mors nicht näher bewerten.
Ein besonderer Blick geht nach Engen. Auf die Fusion mit dem Hegau-Klinikum im Jahr 1998 folgte Zug um Zug die Schließung von Abteilungen, bis im April 2015 die Innere Medizin als letzte Sparte mit Betten-Belegungen den medizinischen Betrieb für immer einstellte. Dies schmerzte die Engener und ihre Vertreter sehr, die mit viel Herzblut für einen Erhalt des Krankenhauses gerungen hatten. Auch heute gehört das Haus zum Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, aber in völlig veränderter Konstellation. Es gibt noch zwei Operationssäle, die von den Ärzten des Verbundes in ambulanter Tätigkeit auch rege genutzt werden. Und in den Gebäude-Komplex ist auch ein Pflegeheim mit mehr als 50 Betten integriert. Im Engener Gesundheitszentrum gibt es weitere medizinische Angebote.

„In Engen gibt es keine Krankenhausbetten mehr. Vermutlich deshalb kommt der Standort im Gutachten kaum vor“, erklärt Bürgermeister Johannes Moser. „Die beiden ambulanten OP-Räume und das Medizinische Versorgungszentrum arbeiten sehr erfolgreich. Die übrigen Räume im Krankenhausgebäude sind an niedergelassene Ärzte, Krankengymnastikpraxis, Logopädiepraxis und für die Seniorenpflege vermietet. „Die Reaktion aus Radolfzell wegen der vorgeschlagenen Schließung des Krankenhauses kann ich nachvollziehen, auch mit Blick auf die frühere Bettenschließung in Engen“, so Moser. Radolfzell habe damals durch die Verlagerung des geriatrischen Klinikschwerpunktes von Engen nach Radolfzell profitiert.
Bei allen Befindlichkeiten, der Landkreis könne sich auf Dauer keinen jährlichen Verlust von rund 20 Millionen Euro leisten. „Deshalb braucht es Lösungen. Wichtig ist eine gute und finanziell darstellbare Gesundheitsversorgung im ganzen Landkreis“, betont Moser. Er ist wie die langjährige Stadträtin Erika Fritschi, die für den Erhalt des Engener Hospitals im Unterstützungsverein gekämpft hatte, im Förderverein mit gemeinsam einem Sitz vertreten. „Bei der Standortwahl des neuen Klinikums sollten die Anfahrtswege der ländlichen Bevölkerung berücksichtigt werden. Dabei sehe ich Radolfzell nicht in der Mitte des Landkreises, wie dies Vertreter der Stadt propagiert haben. Zudem hat Konstanz ein Krankenhaus des Verbundes“, betont Erika Fritschi.

„Das Gutachten hat klar offen gelegt, dass es Handlungsbedarf gibt“, sagt der Hilzinger Bürgermeister Holger Mayer. Wichtig sei es, dass die zuständigen Gremien einen Standort finden, welcher der Gesamtlösung am besten Rechnung trage. „Die Hilzinger haben bisher relativ kurze Wege, um zum Singener Krankenhaus zu gelangen. Die Gemeinde ist aber im Zentrum des Hegaus verkehrstechnisch mit dem Autobahn-Zubringer bestens angebunden, sodass auch ein anderer Standort positiv ausfallen könnte“, betont Mayer.

Einen der weitesten Wege zum Hegauklinikum Singen haben bisher die Einwohner von Tengen und den acht Stadtteilen. Die Situation könnte sich je nach Lage des neuen Krankenhaus-Standortes weiter verschärfen. Tengens Bürgermeister Marian Schreier stellt klar: „Auch für die Stadt Tengen und ihre Bevölkerung ist eine gute, wohnortnahe Krankenhausversorgung von großer Bedeutung“, betont er. Bei den nun anstehenden Entscheidungen seien für ihn zwei Dinge leitend: „Einerseits geht es darum, die beste medizinische Qualität zu sichern, dabei sind Standorte nicht entscheidend. Andererseits kann ein Projekt dieser finanziellen und zeitlichen Dimension nur gelingen, wenn es von einer breiten Mehrheit der Bürgerschaft mitgetragen wird“, so Schreier mit Verweis auf einen Antrag der SPD-Kreistagsfraktion (Infokasten).

„Das Gutachten und die Vorschläge sollten zuerst in den zuständigen Gremien des Gesundheitsverbundes und in den politischen analysiert und bewertet werden“, sagt Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger. „Die Wege werden für einige weiter und für andere kürzer. Die Frage ist, was der Mehrheit der Bevölkerung dient. Und da sind – wenn es zum Neubau kommt – die Standort-Überlegungen zentral im westlichen Hegau und sehr nahe am Seehas genau richtig“, betont Klinger.