Ein Freitagabend im Wahlkreis 57 Singen-Stockach. Während andere die Füße auf die Couch legen und die Woche ausklingen lassen, hat Hans-Peter Storz zum Kickoff seines Wahlkampfes geladen. Dabei geht es weniger darum, möglichen Wählern sein Programm zu erläutern, sondern mehr um die Organisation dahinter: 15.000 Kalender seien schon verteilt worden, doch wer hilft beim Haustürwahlkampf? Beim Verteilen von Flyern? Bei Gesprächen auf dem Wochenmarkt? Und ab 30. Januar dürfen die Plakate aufgehängt werden. Welchen Aufwand so ein Wahlkampf bedeutet, haben die Kandidaten der größten Parteien dem SÜDKURIER erklärt. Außerdem schildern sie die Nöte, die ein Wahlkampf in Corona-Zeiten mit sich bringt.
Noch sind es 45 Tage bis zur Landtagswahl am Sonntag, 14. März, doch alle Kandidaten befinden sich schon mitten im Wahlkampf. Der eine seit Monaten, Tobias Herrmann (CDU) nennt Ende August als Starttermin, der andere seit wenigen Tagen: Für Franz Segbers von den Linken war die Auftaktveranstaltung am 25. Januar der offizielle Startschuss. Doch der Eindruck sollte nicht täuschen: Die Vorbereitungen begannen für alle Kandidaten meist schon im Sommer. Und während Herbst und Winter von ersten Gesprächen mit Bürgermeistern, Unternehmern und Bürgern geprägt war, steht nun die heiße Phase vor der Tür.
Corona macht Wahlkampf digitaler. Den Linken gefällt das nicht
Doch Vieles, was bisher fester Bestandteil eines Wahlkampfes war, ist in diesem Jahr nicht möglich: Kein Händeschütteln bei Publikumsveranstaltungen, denn Abstand ist angesagt. Die Linken wollen die Wahl daher in den September verschieben: „Es ist angesichts der Pandemie kein regulärer Wahlkampf möglich“, findet Segbers. Online-Wahlkampf würden die Linken nur unter Protest nutzen, weil das arme Bevölkerungsschichten systematisch von der Demokratie ausgrenze.
Die anderen Kandidaten arrangieren sich mit der Situation: Dorothea Wehinger (Grüne) bedauert zwar, dass Veranstaltungen wegen der Infektionslage nur digital stattfinden, doch sie mache damit gute Erfahrungen: „Da uns die Pandemie leider schon ziemlich lange begleitet, sind alle schon etwas geübter, was Online-Formate anbelangt.“ Solche Formate haben mehrere Kandidaten ins Leben gerufen: Markus Bumiller (FDP) lädt beispielsweise alle 14 Tage mittwochs zum Kamingespräch und Hans-Peter Storz (SPD) jeden Donnerstag zur sogenannten Happy Hour.
Die meisten Kandidaten sind wie selbstverständlich nicht nur mit einer Webseite, sondern auch mindestens bei Facebook und Instagram präsent. Dorothea Wehinger erklärt, warum sie auch auf Youtube und Newsletter setzt: „Ziel ist, durch die Nutzung verschiedener Kommunikationswege möglichst viele Interessierte, auch Menschen, die nicht per se politisch auf dem Laufenden sind, und – mir ganz wichtig – auch junge Menschen anzusprechen.“
Wähler sollen wissen, wem sie da ihre Stimme geben
Dabei wollen die Kandidaten nicht nur Inhalte, sondern auch sich selbst vorstellen. Tobias Herrmann erlebt als Studiendirektor seinen ersten Wahlkampf für die CDU. Früher sei Wahlkampf für ihn ein seltsamer Begriff gewesen, doch heute wisse er: „Wie soll jemand mir die Stimme geben, wenn man mich gar nicht kennt? Vielen ist gar nicht so klar, dass es bei der Landtagswahl ja auch darum geht, wer von hier diese Region in Stuttgart vertritt.“
„Niemand kann alleine Wahlkampf machen“
Ein so vielseitiger Wahlkampf bedeutet viele Aufgaben. „Die Aufgaben umfassen von der Vereinbarung von Terminen über das Layout der Printmedien bis hin zur Verteilung von Flyer und Plakaten“, erklärt Markus Bumiller (FDP). Ohne sein fünfköpfiges Team sei so ein Wahlkampf schlichtweg unmöglich. Da sind sich die Kandidaten und die Kandidatin alle einig: „Niemand kann alleine Wahlkampf machen“, sagt Hans-Peter Storz (SPD). „Wahlkämpfer müssen fleißig sein, früh aufstehen und brauchen nicht nur politische Unterstützung, sondern vor allem auch Rückhalt in der Familie und im Freundeskreis.“ Denn selbstverständlich sei es anstrengend, neben dem Beruf noch Wahlkampf zu betreiben. Für Franz Segbers von den Linken ist der Wahlkampf gar ein „Fulltime-Job“.
Alle Kandidaten setzen auf ein Team, das in den meisten Fällen auch aus Parteifreunden besteht. Im Fall von FDP-Kandidat Markus Bumiller arbeitet das Team ehrenamtlich, die Kosten für den Wahlkampf seien dennoch fünfstellig. Bernhard Eisenhut von der AfD beziffert die Kosten mit rund 20.000 Euro: 8000 Euro dafür kämen vom Kreis- und Landesverband, dazu kämen Spenden von circa 1000 Euro – „den Rest finanzieren die Kandidaten selbst“.
Zwischen 30.000 und 50.000 Euro muss man rechnen
Am transparentesten macht Tobias Herrmann von der CDU die Kosten eines Wahlkampfes. Ihn unterstützt ein zehnköpfiges Team aus Mitgliedern der Jungen Union sowie erfahrenen Helfern. „Die Hauptlast der Kosten setzt sich zusammen aus Druckkosten von Briefen, Flyern und Plakaten und deren Verbreitung, aus Annoncen in Zeitungen und sogenannter Streuware – also Artikel, die man mit auf den Weg gibt.“ Dabei gibt es laut seinen Angaben eine Formel, mit der man Kosten berechnen kann: Diese liegen erfahrungsgemäß zwischen 30 und 50 Cent pro wahlberechtigter Person. Das macht im Wahlkreis 57 Singen/Stockach bei rund 100.000 Wahlberechtigten zwischen 30.000 und 50.000 Euro. Auch bei der CDU bitte man dafür vor allem Mitglieder um Unterstützung.
Und wofür das ganze?
Bernhard Eisenhut schildert die Notwendigkeit eines gut organisierten Wahlkampfes für die AfD: „Das ist sehr wichtig, da wir nicht über die klassischen Stammwähler verfügen – wir müssen auf uns aufmerksam machen.“ Dorothea Wehinger von den Grünen findet einen gut organisierten, modernen Wahlkampf besonders in umkämpften Wahlkreisen enorm wichtig. Dazu dürfte auch der Wahlkreis 57 Singen/Stockach zählen, der 2011 noch Abgeordnete der CDU und SPD, 2016 dann der Grünen und AfD stellte. Markus Bumiller (FDP) hingegen will den Wahlkampf nicht überbewerten: „Letzten Endes entscheiden die Wähler über Mandate. Eine Landtagswahl ist, meines Erachtens nach, auch eine Persönlichkeitswahl, da der oder die Abgeordnete den Wahlkreis stark vertreten sollte.“ Und das sei mit dem AfD-Abgeordneten in den vergangenen fünf Jahren nicht der Fall gewesen, wie ihm auch einige Bürgermeister bestätigt hätten.