Die Sorge vor einer Gasknappheit ist derzeit groß – vor allem, weil kürzlich wegen Wartungsarbeiten kein Erdgas durch die Pipeline Nord Stream 1 strömte. Doch was würde passieren, wenn es wirklich hart auf hart kommt und im Herbst zu wenig Gas in der Region ankommt, weil die Lieferungen aus Russland aufhören? Die Gemeinden im Hegau geben Auskunft, wie sie sich vorbereiten.
Ist es technisch möglich, einzelnen Verbrauchern den Gashahn zuzudrehen?
Für den Fall einer anhaltenden Gasknappheit könnte die Notfallstufe des Notfallplans Gas ausgerufen werden. Das bedeutet: Die Bundesnetzagentur bestimmt, wer noch Erdgas bekommt und wer nicht. „Sie übernimmt in der Krise hoheitlich die Verteilung und Zuteilung der knappen Gasmengen“, wie es Laura Ferentz, Pressesprecherin des regionalen Netzbetreibers Thüga Energienetze, formuliert.
Im konkreten Fall würde das beispielsweise bedeuten, dass Krankenhäuser, Pflegeheime und Privathaushalte möglichst bis zuletzt Gas bekommen sollen. Bei Unternehmen könnte die Versorgung möglicherweise früher eingestellt werden. Doch es ist überhaupt technisch möglich, nur bestimmte Verbrauchergruppen abzuschalten? Ja, schreibt Laura Ferentz: „Laut unserem technischen Leiter ist eine separierte Abtrennung technisch umsetzbar.“
Engens Bürgermeister Johannes Moser appelliert für den Fall einer solchen hoheitlichen Zuteilung von Gas aber auch an die Bürger, sich solidarisch zu verhalten, möglichst wenig Gas privat zu verbrauchen – und auch beim Strom zu sparen. Denn alles Gas, was nicht in Stromkraftwerken oder zum Heizen verwendet wird, könnte anderswo wertvollere Dienste leisten, zum Beispiel bei Lebensmittelbetrieben wie Bäckereien.
Was passiert bei kommunalen Gebäuden?
Kommunen könnten sich am Sparen beteiligen, indem sie in ihren eigenen Gebäuden weniger heizen oder weniger warmes Wasser bereitstellen. In diese Richtung gehen auch die Überlegungen in der Region. In Singen habe sich ein Krisenstab Energie der Stadtverwaltung bereits getroffen, schreibt der städtische Pressesprecher Stefan Mohr auf Anfrage.
Zu den Überlegungen gehören demnach Einsparungen bei der Straßenbeleuchtung oder bei der Heizung von kommunalen Gebäuden. Und es könnte dazu kommen, dass es warmes Wasser nur noch dort gibt, wo es rechtlich vorgeschrieben ist. Auch in Engen werde geprüft, wie man sparen könne, schreibt Bürgermeister Moser. Kinderbetreuung und Schulunterricht seien ohne ausreichende Raumtemperatur aber nicht machbar.

In Gottmadingen soll laut Bürgermeister Michael Klinger der Technik- und Umweltausschuss des Gemeinderats noch vor der Heizperiode über das Energiesparen entscheiden. In Hilzingen hat das Sparen bereits begonnen, schreibt Bürgermeister Holger Mayer.
Geheizt werde nur noch, wenn wirklich jemand anwesend sei, Neben- und Lagerräume nur noch auf das Notwendigste. Viele Gebäude seien aber schon an Fernwärme angeschlossen und von Gasknappheit weniger betroffen. In Rielasingen-Worblingen trifft sich am Dienstag, 26. Juli, erstmals ein Krisenstab mit den Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, um abzustimmen, wo gespart werden soll, schreibt Bürgermeister Ralf Baumert.
Könnten Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder, Sporthallen oder Bürgerzentren geschlossen werden?
Aktuell gebe es solche Pläne nicht, schreibt der Singener Pressesprecher Mohr. Allerdings könnte der Warmbadetag im Hallenbad gestrichen werden. In Gottmadingen könnte ebenfalls beim Bad gespart werden.
Bürgermeister Klinger schreibt, die Verwaltung werde noch vor der Sommerpause dem Gemeinderat vorschlagen, das Höhenfreibad nur noch mit Solarenergie zu heizen. Das Nachheizen mit Gas in der kühleren Zeit oder in Regenperioden würde dann entfallen – was der Gemeinderat kürzlich auch beschlossen hat. Das Engener Erlebnisbad werde ohnehin schon komplett über Solarthermie beheizt, schreibt Bürgermeister Moser und fügt hinzu: „Alles andere würde ich momentan nicht ausschließen.“

Auch in Hilzingen würden Freibad, Hegau-Halle und Rathaus nicht zum Gassparen beitragen können. Laut Bürgermeister Mayer sind die Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen, das mit einer Biogasanlage befeuert wird. Auch Naturbad, Talwiesenhalle und Hardberghalle in Rielasingen-Worblingen werden laut Bürgermeister Baumert gasunabhängig beheizt. Auch die Ten-Brink-Schule werde mit Pellets geheizt und habe eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Mit Gas könnte man zwar notfalls mitheizen, das werde jedoch kaum genutzt.
Werden Wärmeräume eingerichtet?
Derzeit sei dies nicht vorgesehen, schreibt der Singener Pressesprecher Mohr. Doch sollte es zu einem Notstand kommen, werde die Stadt ihrer sozialen Verantwortung auch soweit wie möglich nachkommen. In Gottmadingen wäre die neue Eichendorff-Realschule der geeignete Platz dafür, erklärt Bürgermeister Klinger. Das Gebäude verbrauche kaum Energie und werde mit einem Wärmetauscher aus dem Abwasserkanal beheizt. Gas werde nur zur Abdeckung der Spitzenlast für vier bis sechs Prozent der jährlichen Heizenergie gebraucht.

In Engen gibt es laut Bürgermeister Moser noch keine konkreten Pläne dafür, man wolle aber gegebenenfalls ein solches Angebot machen. In Rielasingen-Worblingen könnten Wärmeräume in den beiden großen Hallenkomplexen entstehen, die auch jeweils mit einer Küche ausgestattet seien, so Bürgermeister Baumert. Und in Hilzingen laufen die Absprachen mit dem Gemeinderat. Man werde die Hegau-Halle vorsehen, „falls es zu diesem Szenario kommt“, so Bürgermeister Mayer.

Wie viele Haushalte sind überhaupt von Gas zum Heizen abhängig?
In manchen Gemeinden liegen dazu keine Daten vor. Für die Stadt Singen schreibt der Leiter der dortigen Umweltschutzstelle, Ulrich Weigmann, dass 65 Prozent der Heizenergie für Privathaushalte aus Erdgas stamme. Die weiteren Posten: 26 Prozent Erdöl, 7,5 Prozent erneuerbare Energien, 0,9 Prozent Nahwärme und 0,6 Prozent Strom.
Laut Markus Kittl, Kommunalmanager bei Thüga Energienetze, sind in Singen 7433 Gebäude, meist Wohngebäude, ans Gasnetz angeschlossen (Stand 31. Dezember 2021). Hinzu kommen demnach 82 Industrie- und Gewerbekunden. Und für Engen schreibt Bürgermeister Moser, dass etwa 40 Prozent der Haushalte ans Gasnetz angeschlossen seien.