Könnten demnächst die Gashähne zubleiben? Und wie stellt man sich in der Region darauf ein? Fest steht: So genau weiß gerade niemand, wie viel russisches Erdgas künftig durch die Pipelines fließen wird. Und eine wichtig Leitung, Nord Stream 1, ist seit Montag ganz zu – wegen Wartungsarbeiten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) treibt aber offenbar die Sorge um, dass das Gas möglicherweise gar nicht mehr fließen könnte. Und der baden-württembergische Städtetag berichtet von Vorbereitungen auf einen möglicherweise kalten Herbst und Winter.
Doch die Themen rund um die Versorgung mit Erdgas sind nicht neu. Preise steigen schon seit längerem, Energiediscounter müssen Kunden kündigen oder gehen gleich ganz in die Insolvenz, lokale Energieunternehmen nehmen neue Kunden nur noch in die Grundversorgung auf. Diese Themen beschäftigen auch den Singener Regionalversorger Thüga Energie, der die Stadt und große Teile des Hegaus mit Gas versorgt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie ernst ist die Lage?
Markus Spitz, Geschäftsführer von Thüga Energie, betont in einer schriftlichen Stellungnahme, dass die Versorgungssicherheit mit Gas laut Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums aktuell zwar kritisch, aber gewährleistet sei: „Die ausfallenden Mengen können noch am Markt beschafft werden, wenn auch zu höheren Preisen.“

Derzeit gelte die Alarmstufe im Notfallplan Gas. Und in der Alarmstufe gebe es keine Abschaltungen, die von der Bundesnetzagentur angeordnet werden. Diese seien erst in der nächsten Stufe, der Notfallstufe, möglich, schreibt Spitz.
Durch die Abschaltungen solle sichergestellt werden, dass im Krisenfall beispielsweise Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Privathaushalte weiter mit Gas versorgt werden können. „Trotz angespannter Lage müssen sich Privatkunden zum jetzigen Zeitpunkt keine Sorgen um ihre Gasversorgung machen“, schreibt Spitz.
Wie entwickeln sich die Preise für die Verbraucher?
Sie steigen auch bei der Thüga. Derzeit müssten Kunden in der Grundversorgung 15,90 Cent pro Kilowattstunde für Erdgas bezahlen, so Spitz in seiner Stellungnahme. Zu Beginn des Jahres habe die gleiche Menge Gas den Kunden der Grundversorgung nur 10,52 Cent gekostet. Der Grundpreis liegt unverändert bei 142,80 Euro pro Jahr. Diese Preise würden die gestiegenen Beschaffungskosten widerspiegeln, so Spitz weiter.
Wie sich der Gaspreis weiter entwickelt, sei zwar schwer einzuschätzen. Das Unternehmen gehe aber von einem weiter hohen Niveau oder weiteren Steigerungen aus. Doch Spitz versichert auch, dass die Thüga nachhaltig einkaufe und Anstrengungen unternehme, um Preisspitzen für Kunden abzufedern.
Was passiert, wenn jemand seine Rechnung nicht mehr bezahlen kann?
Es werde kein Kunde einfach so abgeschaltet, sagt Gabriele Müller, Pressereferentin der Thüga Energie, dazu: „Das ist auch bisher nicht so.“ Falls Kunden in Zahlungsschwierigkeiten kommen, müsse man gemeinsam Lösungen finden, so Müller. Dafür arbeite das Unternehmen auch jetzt schon mit anderen Ämtern und Behörden zusammen. Und in der Regel finde sich dann auch ein Weg, einem Kunden weiterhin Energie zu liefern.
Strompreise und Unternehmen
Wie sieht es mit Neukunden aus?
Neukunden nimmt die Thüga laut Geschäftsführer Spitz derzeit nur in die Grundversorgung auf, also in den vergleichsweise teuren Tarif mit beweglichen Preisen. Sonderverträge, in denen die Preise für längere Zeiträume festgeschrieben sind und die das Geschäft für Kunden wie Versorger kalkulierbar machen, würden Neukunden erst dann wieder angeboten, wenn es die Beschaffungspreise zulassen, so Spitz weiter: „Wann das der Fall sein wird, lässt sich derzeit aufgrund der Rahmenbedingungen nicht abschätzen.“
Neukunden kamen bei der Thüga auch dazu, weil Energie-Discounter ihre Kunden nicht mehr „beliefern konnten oder wollten“, so Spitz. Wie viele Kunden auf diesem Weg dazugekommen sind, dazu gibt er auf Anfrage keine Auskunft.
Bekommt die Thüga selbst noch genügend Gas?
Die Versorgung sei gewährleistet, schreibt Spitz dazu. Das Unternehmen muss aber deutlich tiefer in die Tasche greifen. So sei der Preis für Gas, das im Jahr 2023 geliefert werden soll, binnen Jahresfrist stark gestiegen. Im Sommer 2021 habe dieses Gas 20 Euro pro Megawattstunde gekostet. In diesem Sommer koste es 140 Euro pro Megawattstunde. Zu Beginn des Ukraine-Krieges habe dieser Preis bei 55 Euro pro Megawattstunde gelegen. Für kurzfristige Lieferung am nächsten Tag müsse man derzeit etwa 180 Euro pro Megawattstunde bezahlen.
Wie bereitet sich das Unternehmen auf einen möglichen Ausfall vor?
In diesem Fall ist der Netzbetreiber Thüga Energienetze zuständig. Dort beobachte man die Entwicklung sehr genau, schreibt Pressesprecherin Laura Ferentz auf Anfrage. Sollte die Bundesregierung die Notfallstufe ausrufen, könne die Bundesnetzagentur Zwangsmaßnahmen anordnen.
Im Klartext: Die Behörde entscheidet dann, wer noch beliefert wird und wer nicht – damit beispielsweise Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Privathaushalte weiter Gas bekommen.
Die Kunden, die von einer Abschaltung betroffen sein könnten, habe das Unternehmen informiert, schreibt Ferentz. Falls es bei der Versorgung eng wird, könne man schnell Kontakt aufnehmen. Und die Thüga Energie berate ihre Kunden schon seit Jahren zum Energiesparen, schreibt Markus Spitz in seiner Stellungnahme. Nun sei man zum Sparen aufgerufen, um die Gasspeicher über den Winter möglichst voll zu halten.
Wie geht es langfristig weiter?
Thüga-Chef Markus Spitz geht davon aus, dass Flüssiggas an Bedeutung gewinnt. Das untermauert er mit Zahlen. 1995 seien 100 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas verschifft worden, 2019 seien es fast 500 Milliarden Kubikmeter gewesen, und das mit steigender Tendenz.
Außerdem würden schon jetzt klimaneutrale Gase dem Erdgas beigemischt. Dies werde künftig massiv ausgebaut werden, so Spitz‘ Einschätzung. Diese klimaneutralen Gase sollen aus nachhaltigen europäischen Quellen stammen.
Schon vor längerer Zeit seien die Weichen für diese Gasversorgung 2.0 gestellt worden. Derzeit kümmere sich die Thüga um die lokale Wasserstoff-Produktion und sammle damit Erfahrungen. Doch da die regionale Produktion nicht genüge, müsse die EU die Rahmenbedingungen für Wasserstoffhandel schaffen und Partnerschaften mit möglichen Lieferländern eingehen.