Herr Dr. Reuter, müssen die Konstanzer Angst haben, dass sie diesen Herbst oder Winter kein Gas geliefert bekommen und in der kalten Wohnung sitzen?

Es gibt verschiedene Szenarien, die Wirtschaftsminister Habeck jüngst vorgestellt hat. Dazu gehören auch Szenarien, in denen eine Gasmangellage eintrifft. Das wäre auch in Konstanz so. Im Fall einer solchen Gasmangellage gehen zunächst all die Kunden vom Netz, die eine Zweistoffversorgung haben, die also zum Beispiel noch einen Öltank besitzen. Dann kommen die sogenannten ungeschützten Kunden wie Firmen, Bäder oder Sporthallen und öffentliche Gebäude, die nicht zwingend benötigt werden. Das macht in Konstanz aber nur einen Anteil von rund 20 Prozent aus, und es bleibt abzuwarten, ob wir mit diesen 20 Prozent im Fall des Falles auskommen.

Gibt es konkrete Pläne, ganze Teile des Netzes abzuschalten, wovon dann auch Haushalte betroffen wären?

Ja, angesichts solcher Szenarien müssen wir uns als Netzbetreiber darauf vorbereiten. Es gibt verschiedene Krisenstäbe, auch auf Ebene von Land und Kreis. In diesen Stäben werden die Szenarien besprochen und auch vorbereitet. Also: Es gibt konkrete Abschaltpläne, es gibt Abstimmungen mit den Installateuren über solche Abschaltungen und dann auch die Wiederinbetriebnahme, es gibt auch Planungen für Unterkunftsmöglichkeiten für Menschen, die Wärme und warmes Wasser benötigen.

Das neue Schwaketenbad ist wunderschön, aber es war auch sehr teuer. Wenn in Deutschland Energie gespart werden muss, ist eine ...
Das neue Schwaketenbad ist wunderschön, aber es war auch sehr teuer. Wenn in Deutschland Energie gespart werden muss, ist eine Schließung durchaus möglich. | Bild: Bädergesellschaft Konstanz

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass solche Szenarien Wirklichkeit werden und Ihre Notfallplanungen greifen müssen?

Im Moment muss man davon ausgehen, dass es tatsächlich zu einer Gasmangellage kommt, aber frühestens ab Mitte Dezember. Je nachdem, wie sich die Gaslieferungen aus Russland entwickeln, und je nachdem, wie sich die Temperaturen im Herbst und Winter entwickeln. Deshalb ist es so wichtig, dass jetzt die Speicher gefüllt werden. Es ist entscheidend, dass jede Kilowattstunde, die jetzt eingespart werden kann, und vor allem die ab Beginn der Heizperiode eingespart werden kann, auch tatsächlich eingespart wird.

Müssten Sie dann nicht morgen das Schwaketenbad und die Therme schließen?

Ja, diese Möglichkeit gibt es, und wir beraten das nächste Woche mit dem Bäderbeirat und diskutieren es dann auch mit dem Gemeinderat. Dagegen steht das Thema Schwimmkurse für Kinder und Jugendliche, zumal wir sechs Jahre auf ein Hallenbad der Größenordnung Schwaketenbad verzichten mussten. Da gilt es abzuwägen, ob man gegebenenfalls nur eine Einrichtung schließt.

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Sie haben die bevorstehenden Preiserhöhungen angesprochen. Wie hoch fallen sie für einen typischen Haushalt, der bei den Stadtwerken Konstanz Kunde ist, aus?

Die gute Nachricht für unsere Kunden ist zunächst einmal, dass die Preise bis jetzt stabil waren und das auch für unsere Tarifkunden bis 30. September sind. Die schlechte Nachricht ist: Im Bereich Gas werden sich ab 1. Oktober die Preise um mehr als das Doppelte erhöhen. Im Strom werden sie sich ab 1. Januar auch in etwa verdoppeln. Das trifft die Haushalte neben all den anderen Preissteigerungen, das wird eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft, das abzufedern und die Lasten gerecht zu verteilen.

Sie sagten „um mehr als das Doppelte erhöhen“. Was heißt das für einen typischen Haushalt?

Nehmen wir die klassische vierköpfige Familie. Mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden Gas wird der der Abschlag in etwa verdoppelt, also von knapp 150 auf über 300 Euro im Monat. Beim Strom, bei 4000 Kilowattstunden Verbrauch, steigt er von rund 70 auf rund 140 Euro.

Banger Blick auch auf den Stromzähler: Nicht nur beim Gas, sondern auch beim Strom werden sich die Preise in etwa verdoppeln. Für einen ...
Banger Blick auch auf den Stromzähler: Nicht nur beim Gas, sondern auch beim Strom werden sich die Preise in etwa verdoppeln. Für einen Vier-Personen-Haushalt, der bei den Stadtwerken Konstanz Kunde ist, bedeutet das einen Abschlag von künftig etwa 140 Euro. | Bild: Oliver Hanser

Und woher sollen die Familien, in denen oft jeder Euro verplant ist, diese 220 Euro mehr pro Monat nehmen?

Wenige Stunden bevor wir uns getroffen haben, hat Bundeskanzler Scholz die konzertierte Aktion vorgestellt und mit Experten beraten, wie es gelingt, dass diese Kosten fair verteilt werden. Das ist so wichtig wie schwierig. Bei uns stehen heute schon täglich verzweifelte Kunden im Kundencenter, die Angst haben, Strom und Gas bald nicht mehr bezahlen zu können.

Auch die Stadtwerke Konstanz sind Kunden und müssen Gas von Lieferanten einkaufen, die ihre Preiszusagen vielleicht nicht einhalten können. Ist Ihr Unternehmen, sind unsere Stadtwerke Konstanz in Gefahr?

Nein. Die Geschäftsmodelle der Stadtwerke vom Bus über die Fähre bis zu den Energienetzen und Energiedienstleitungen, von der Wasserversorgung bis zur Telekommunikation und auch der Energievertrieb – all diese sind stabil und zukunftsfähig, die werden alle auch morgen und übermorgen noch gebraucht. Und zwar mehr denn je. Wir haben jetzt eine schwierige Zeit, in der wir möglicherweise kurzfristig zusätzlich Liquidität brauchen, wenn wir das bereits zugesagte Gas nicht oder nicht zum vertraglich vereinbarten Preis bekommen. Wenn wir im Falle des Ausfalls eines Vorlieferanten nochmals kaufen müssen, brauchen wir sehr schnell sehr viel Geld, aber auch diese Situation werden wir lösen.

„Bei uns stehen heute schon täglich verzweifelte Kunden im Kundencenter, die Angst haben, Strom und Gas bald nicht mehr bezahlen ...
„Bei uns stehen heute schon täglich verzweifelte Kunden im Kundencenter, die Angst haben, Strom und Gas bald nicht mehr bezahlen zu können.“: Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz | Bild: Hanser, Oliver

Sie haben angekündigt, keine neuen Kunden für die Gasversorgung mehr aufzunehmen.

Zur Grundversorgung sind wir gesetzlich verpflichtet, und dem kommen wir natürlich nach. Allerdings dann zu den Preisen, die wir unsererseits auch bezahlen müssen. Jede zusätzliche Kilowattstunde Gas, die wir aktuell über unsere langfristigen Bestellungen hinaus brauchen, ist extrem teuer. Daher nehmen wir keine neuen Tarifkunden auf, die bessere Konditionen bekommen. Das ist auch ein Akt der Fairness gegenüber jenen Kunden, die nicht ständig von einem Billiganbieter zum nächsten gewechselt sind, sondern uns treu geblieben sind.

Es heißt, die Stadtwerke bekämen nur noch Bankkredite, wenn die Stadt eine entsprechende Bürgschaft abgibt.

Das stimmt nicht. Wir haben erst neulich Kredite für das Schwaketenbad und das neue Fahrschiff ganz normal am Markt aufgenommen. Was uns aber hilft, ist der Liquiditätsverbund der Stadt. Dadurch haben wir sehr schnell Zugriff auf finanzielle Mittel, wenn wir sie kurzfristig brauchen.

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Waren die Stadtwerke aktiv genug, die Stadt auf einem Weg in eine energieautonome, klimaneutrale Zukunft zu begleiten?

Es gab hier ja schon 2012 eine Gasmangellage, und wir haben uns seither sehr intensiv mit den Themen der Alternativen auseinandergesetzt. Dadurch, glaube ich, sind wir weiter als der eine oder andere Nachbar, was Ausbauziele angeht, und was umgesetzte Maßnahmen angeht. Und wir wissen sehr genau, wie wir in dieser Krisensituation in das Netz eingreifen können, wenn es denn sein muss. Konstanz hat den Klimanotstand ausgerufen und die Stadt ihre Klimaschutzstrategie beschlossen. Dadurch ist das Thema viel früher in die Köpfe der Menschen gekommen als das, glaube ich, anderenorts der Fall war.

Es gibt immer noch Bereiche, in denen unendlich viel Primärenergie verbraucht wird, zum Beispiel im Tourismus. Ist es da wirklich der Mieter morgens unter der Dusche, der den Energiemarkt entlasten kann?

Ja. Bei den Kosten, die wir jetzt sehen und die auf alle Gasverbraucher zukommen, ist die Industrie der erste Bereich, der sehr stark kostenbezogen ist und alle Effizienzmaßnahmen entweder schon ergriffen hat oder das jetzt umgehend tut. Also hat es einen großen Effekt, wenn jetzt 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Verhalten hinterfragen – indem sie Räume, die sie nicht brauchen, nicht beheizen oder indem sie bei Abwesenheit oder nachts die Temperatur absenken. Das hat ein Einsparpotenzial von 20 bis 30 Prozent im Jahr. Das würde jetzt in dieser Situation helfen.

Wenn die Stadtwerke sparen müssen, können sie auch weniger Busse fahren. Doch das wäre ein Rückschlag für die Mobilitätswende, findet ...
Wenn die Stadtwerke sparen müssen, können sie auch weniger Busse fahren. Doch das wäre ein Rückschlag für die Mobilitätswende, findet das Unternehmen. | Bild: Johanna Stehle

Finden Sie es nicht ein bisschen komisch, dass in diesen Tagen Stadtwerke-Busse durch Konstanz fahren und für Mallorca-Flüge für 49,90 Euro Werbung machen?

Ich glaube, wir müssen den Energiehunger unserer Gesellschaft insgesamt in Frage stellen. Es ist doch völlig absurd, dass es bei uns kein Tempolimit gibt. Es ist völlig klar, dass der Spritverbrauch ab Tempo 130 stark ansteigt. Es ist unerklärlich, warum wir im Freizeitbereich Energie für Flüge oder Kreuzfahrten verbrauchen in solch einer Situation. Warum beleuchten wir im Herbst und Winter menschenleere Städte die ganze Nacht hindurch? All das rückt jetzt in den Fokus.

Sie sind einer der größten Arbeitgeber in Konstanz. Wie sicher sind die Jobs bei den Stadtwerken?

Die Arbeitsplätze sind sicher, gerade im Hinblick auf die zukunftsträchtigen Geschäftsmodelle brauchen wir die Kolleginnen und Kollegen mehr denn je. Um mit ihnen die Themen Energiewende, Wärmewende, Mobilitätswende mit deutlich höherer Geschwindigkeit umzusetzen.

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Das ist doch paradox. Sie müssen massiv sparen und zugleich die Mobilitätswende herbeiführen. Für das eine müssten Sie weniger Busse fahren lassen, für das andere mehr. Wie gestalten Sie das, wie frei sind Sie als Stadtwerke darin?

Es ist uns in den letzten Jahren immer gelungen, die sogenannten Leistungen der Daseinsvorsorge wie Busbetrieb oder Bäder vollständig aus den Erträgen, die wir in vielen Geschäftsbereichen haben, zu kompensieren. Und wir konnten parallel auch noch die Glasfaser-Infrastruktur aufbauen. Jetzt kommen wir in einen Bereich, in dem Erträge sinken und wo diese Leistungen der Daseinsvorsorge vielleicht auch perspektivisch nicht mehr in dieser Größenordnung finanziert werden. Das müssen wir mit der Stadt besprechen. Zum Beispiel reden wir über die Übernahme der Parkierungseinrichtungen, die für eine Finanzierung sorgen können, und sogar steuerlich günstig. Eines ist für mich aber klar: Schwierigkeiten aus der Corona-Krise und aus der Ukraine-Krise dürfen nicht dazu führen, dass wir das Thema Energie-, Wärme- und Mobilitätswende auf die lange Bank schieben. In den anderen Bereichen müssen wir gemeinsam mit der Politik klären, was gewünscht und was bezahlbar ist.

Beim Bau des Schwaketenbades und des neuen Fährschiffs sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen. Ist das auch eine Ursache für die aktuellen Schwierigkeiten?

Wir haben das Schwaketenbad mit allen Akteuren – Vereinen, Schulen, Hochschulen – gemeinsam geplant auf der Grundlage des künftigen Bedarfs. So ist das Bad in seiner heutigen Größe entstanden. Wir haben das Bad in einer Zeit einer völlig überhitzten Baukonjunktur gebaut, und es war zu Beginn nicht abzusehen, dass die Kosten je nach Gewerk um 30 bis 50 Prozent steigen würden. Würden wir heute damit starten, kämen wir mit 41 Millionen Euro niemals hin. Es ist natürlich immer eine Frage, was eine Stadt sich leisten will und was sie sich leisten kann. Aus meiner Sicht entspricht dieses Bad aber den Erfordernissen, die die wachsende Stadt Konstanz in den nächsten Jahren hat.

Eigentlich sollte die neue Fähre mit Flüssiggasantrieb (LNG) schon seit Frühjahr 2020 zwischen Konstanz und Meersburg pendeln. Zwei ...
Eigentlich sollte die neue Fähre mit Flüssiggasantrieb (LNG) schon seit Frühjahr 2020 zwischen Konstanz und Meersburg pendeln. Zwei Jahre später ist sie alles andere als fertiggestellt. Auch ein Problem, mit dem Stadtwerke zu kämpfen haben: Der Fährbetrieb wirft längst nicht mehr so hohe Gewinne ab wie vor der Corona-Pandemie. | Bild: Oliver Hanser

Und die neue Fähre? Das scheint ein Fass ohne Boden zu sein. Immerhin haben Sie sogar im Winter und Frühjahr die Fähre-Leistungen drastisch gekürzt und damit Stammkunden mit Jahreskarte massiv verärgert.

Zu den Einsparungen: Die mussten wir unabhängig vom Neubau erzielen. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen sowie die steigenden Kosten haben den Fährbetrieb massiv belastet. Wir sind aber auf die Einnahmen angewiesen, um die Daseinsvorsorge für die Stadt zu leisten. Das Fährschiff 14 bringt uns deutlich mehr Effizienz, weil es viel mehr Fahrzeuge transportieren kann als die „Fontainebleau“, die wir dann außer Dienst stellen können. Deshalb rechnet sich die Investition, und es rechnen sich auch die Mehrkosten. Wir kommen künftig mit einem Schiff weniger aus, das spart Betriebskosten, Treibstoff und CO2. Wir würden diese Investition auch heute so schultern. Übrigens denken wir auch gerade über den nächsten Neubau für 2027 nach. Dieses Schiff wird dann aber vollelektrisch fahren.

Das setzt aber voraus, dass auch künftig noch so viele Autos und Lastwagen über den See gebracht werden müssen.

Ja, wir setzen eine stabile Entwicklung voraus. Die Umfahrung des Sees bleibt langfristig eine schlechte Alternative. Wir wollen deshalb weiterhin eine umweltfreundliche und zuverlässige Verbindung über den See anbieten. Gerne auch für immer mehr Fahrräder. Aber Sie haben Recht, wir müssen schon vorausschauen, wie die Leistungen der Stadtwerke in der Zukunft nachgefragt werden.

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Möglicherweise ein Bad schließen zu müssen, um Gas zu sparen; Notfallpläne zu entwickeln, um ganzen Stadtteilen das Gas abzusperren; Kundengespräche zu führen, in denen Ihnen Verzweiflung entgegenschlägt – hätten Sie sich jemals vorstellen können, dass diese Aufgaben während einer Karriere bei einem kommunalen Versorger auf Sie zukommen?

Diese Frage können Sie gerade sehr vielen Menschen stellen, und diese werden diese Frage mit Nein beantworten. So geht es auch mir. Auf der anderen Seite gab es immer wieder solche Ausnahmesituationen, denken Sie an die Energiekrise der 70er Jahre. Es ist doch auch ein Gewinn, dass wir über so viele Jahre jetzt so große Stabilität hatten. Das schätzen wir leider immer erst, wenn es nicht mehr so gut geht. Ich bin aber überzeugt, dass wir die Schwierigkeiten, die vor uns liegen, meistern werden. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt mit bestens qualifizierten Menschen. Hier in Konstanz heben wir uns bei beidem vom Durchschnitt noch ab. Ja, es wird sicher für sehr viele Menschen sehr schwierig. Deshalb müssen wir alle dafür sorgen, dass wir alle gut über diese schwierige Situation kommen.