Es war vielleicht der letzte Tropfen nach ohnehin regenreichen Tagen und Wochen, der im Singener Ortsteil Bohlingen zu Wassermassen geführt hat: Das Unwetter mit starken Regenfällen in der Nacht von Sonntag auf Montag hat dort eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Massen an Wasser, Sand, Geröll und Ästen wälzten sich vom Nordhang des Schienerberg ins Tal hinunter.

Ein Baum verstopfte einen Abwasserkanal, der das Wasser eigentlich ins Regenrückhaltebecken unterhalb der Antoniuskapelle an der Straße nach Bankholzen leiten sollte. Dadurch bahnten sich Wasser und Schlamm den eigenen Weg direkt über die Dorfstraße am Friedhof vorbei bis zur Aachbrücke beim Gasthaus Sternen.

Am Grabenloch verstopfte Geröll und ein Baum den Abfluss des Wassers. Dann bahnte sich die Schlammlawine den eigenen Weg.
Am Grabenloch verstopfte Geröll und ein Baum den Abfluss des Wassers. Dann bahnte sich die Schlammlawine den eigenen Weg. | Bild: Rolf Hirt

Einen halben Meter hoch stand das Wasser am Gasthaus schon, als die Einsatzkräfte der Feuerwehren aus Bohlingen und Singen um 0.02 Uhr alarmiert wurden. „Die Ortsmitte von Bohlingen steht unter Wasser, lautete in der Nacht die Meldung“, sagte Singens Kommandant Mario Dutzi am frühen Montagmorgen gegenüber dem SÜDKURIER.

So wälzte sich die Schlammlawine in der Nacht durch Bohlingen.
So wälzte sich die Schlammlawine in der Nacht durch Bohlingen. | Bild: Rolf Hirt

In der Nacht versuchten die alarmierten Feuerwehren mit Hochdruck, gegen die Wasser- und Schlammlawinen anzukommen. Groß war die Sorge am Gasthaus Sternen, dass das Wasser ins Gebäude eindringen könnte. Neben Bohlingens Ortsvorsteher Stefan Dunaiski war auch Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler in der Nacht gekommen, um sich ein Bild von der Verwüstung zu machen.

Mario Dutzi (links), Abteilungsleiter und Kommandant der Singener Feuerwehr im Krisengespräch vor Ort mit Frederik Kolb (rechts), ...
Mario Dutzi (links), Abteilungsleiter und Kommandant der Singener Feuerwehr im Krisengespräch vor Ort mit Frederik Kolb (rechts), Kommandant der Abteilung Bohlingen. | Bild: Rolf Hirt

Feuerwehr verhindert Schlimmeres

Doch mit tatkräftigem Einsatz der Feuerwehren wurde Schlimmeres verhindert. „Glücklicherweise gelang es uns, oberhalb der Kapelle den Wasserstrom mit Sandsäcken in den bestehenden Kanal umzuleiten. Dazu wurden im Dorf auch die Schächte von den Wehrleuten aufgemacht. Dann konnte das Wasser erst besser abfließen. Auch Tauchpumpen verhalfen, das Wasser abzupumpen“, erläuterte Bohlingens Feuerwehr-Kommandant Frederik Kolb am frühen Montagmorgen im Gespräch mit Singens Stadt-Kommandant Mario Dutzi.

Mit Sandsäcken wurde der Wasserstrom in den ursprünglichen Bach umgeleitet. Erst dann war das Hochwasser gebannt.
Mit Sandsäcken wurde der Wasserstrom in den ursprünglichen Bach umgeleitet. Erst dann war das Hochwasser gebannt. | Bild: Rolf Hirt

Bürger Werner Beha, der früher selbst Feuerwehrmann gewesen ist, erinnerte sich am frühen Morgen erschrocken an ein ähnliches Unglück. „Im Juli 1975 kam schon einmal eine Schlammlawine vom Schienerberg herunter und verwüstete die Ortsmitte“, erzählte Werner Beha.

Den über 50 anwesenden Wehrleuten und den Kräften der Technischen Betriebe der Stadt Singen sei gedankt, dass nichts Schlimmeres passiert sei, so Mario Dutzi. Er zollt ein großes Kompliment für deren unermüdlichen Einsatz. „Das geht hier echt Hand in Hand“, sagt Singens Stadt-Kommandant.

Pausenlos waren die Einsatzleute der Feuerwehren und Technische Betriebe beschäftigt die Schlammverwüstung zu beseitigen.
Pausenlos waren die Einsatzleute der Feuerwehren und Technische Betriebe beschäftigt die Schlammverwüstung zu beseitigen. | Bild: Rolf Hirt

Derweil wurde ein Großtanklöschfahrzeug der Feuerwehr Stockach nach Bohlingen beordert. Stundenlang wurden der Schlamm und das Geröll von Straßen und Gehwegen entfernt. Die Anwohner der Dorfstraße waren ebenso mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Die Einsatzleute der Feuerwehren und Technische Betriebe beseitigen den Schlamm, verursacht durch Hochwasser in Bohlingen.
Die Einsatzleute der Feuerwehren und Technische Betriebe beseitigen den Schlamm, verursacht durch Hochwasser in Bohlingen. | Bild: Rolf Hirt

Wegen verschmutzter Straßen und Aufräumarbeiten war der Durchgangsverkehr in Bohlingen zeitweise komplett gesperrt. Busse haben die Haltestellen nahe des Bohlinger Rathauses und der Ledergasse nicht angefahren. So organisierten Dorfbewohner eigene Fahrgemeinschaften in die Stadt Singen. Der Zusammenhalt in heiklen Situationen wie diesem Hochwasser-Alarm ist groß.

Am Mittag noch beschäftigt: Bohlinger räumen auf

Am Nachmittag steht die Sonne hoch. Lediglich kleine Hügel aus Matsch zeugen vom Unwetter der vergangenen Nacht. Vereinzelt fegen und wischen Bohlinger im Ortskern die letzten Schlammspuren weg. „Die Feuerwehr hat am Morgen schon gut sauber gemacht“, sagt Helmut Klaiber, Hausmeister vom Gasthaus Sternen. Hier sei zum Glück kein großer Schaden entstanden.

Die Wasser- und Schlammmasse habe einen Schlenker an der Hauswand vorbei und durch den Garten des Gasthauses in den Fluss Aach gemacht. Hier müsse der nun schlammige Rasen erneuert werden, schildert der Hausmeister. Die Gäste hätten von dem Unwetter nichts mitbekommen. „Die haben geschlafen“, sagt Helmut Klaiber.

Lisa Keller, Inhaberin des Cafés Stöberei in Bohlingen, spült den letzten Schlamm von den Straßen. Am Dienstag möchte sie wie gewohnt in ...
Lisa Keller, Inhaberin des Cafés Stöberei in Bohlingen, spült den letzten Schlamm von den Straßen. Am Dienstag möchte sie wie gewohnt in sauberem Ambiente ihre Gäste empfangen. | Bild: Elisa Gorontzy

Auch Lisa Keller habe erstmal nichts von der Wasser- und Schlammlawine mitbekommen. Sie wohnt in der Nähe des Gasthauses Sternen und führt das Café Stöberei direkt gegenüber. Um halb eins in der Nacht sei sie dann von lauten Stimmen und Geräuschen wach geworden. Zu dieser Zeit haben einige Feuerwehrleute das gesammelte Wasser auf dem Parkplatz rechts des Cafés abgepumpt, schildert Keller. In das Gebäude selbst sei kein Wasser eingedrungen. „Wir hatten Glück im Unglück“, sagt die Besitzerin.

Der Schlamm von letzter Nacht wird abgeschöpft. Darum kümmert sich Maurermeister Daniel Matt, Chef seiner Firma „Roh- und Innenausbau“ ...
Der Schlamm von letzter Nacht wird abgeschöpft. Darum kümmert sich Maurermeister Daniel Matt, Chef seiner Firma „Roh- und Innenausbau“ mit einem Bagger von Kevin Bühler, Firmenchef von „Bühler Holzmontagen und Gartengestaltung“. | Bild: Elisa Gorontzy

Um den verbliebenen Schlamm auf dem Parkplatz rechts des Cafés kümmert sich Maurermeister Daniel Matt aus Bohlingen und hilft damit seiner Nachbarin. Mit einem Bagger schöpft er den flüssigen Matsch ab. „Ich werde hier noch ein bis zwei Stunden beschäftigt sein“, schildert er gegen 13 Uhr. Wie Lisa Keller und Helmut Klaiber hat er ein Lächeln im Gesicht – sie hatten noch Glück im Unglück.