Der Tag beginnt für mich etwas später als für die Inhaberin des Steißlinger Cafés „Dorfmädel“. Claudia Seifert arbeitet schon in der Küche, als ich gegen 7.45 Uhr dazukomme. Sie backt die selbst gemachten Brötchenrohlinge für die Frühstücke im Ofen auf und macht Kuchen und Torten fertig, die später zum Verkauf in der Vitrine an der Theke kommen. Die Ruhe des Morgens zwischen 6 und 8 Uhr, bevor ihre Mitarbeiterinnen kommen, nutzt sie gern zum Backen und um den Tag vorzubereiten.
„Schürze anziehen und Hände waschen“, sagt die Chefin und los geht es. Ich darf Auberginen, Zucchini und Paprika für das gegrillte Gemüse schneiden, das mit Öl und Kräutern vermischt im Ofen gegrillt wird, um wenig später auf einer Etagere als Teil eines Frühstücks serviert zu werden.

Die Café-Inhaberin greift selbst zum Gemüsemesser und hilft. Nebenher scheint sie aber noch tausend andere Dinge zu tun und ist trotzdem doppelt so schnell wie ich. „Übungssache“, sagt sie. Obwohl ich selbst fast jeden Mittag für die Familie koche, stelle ich schnell fest, dass es hier nicht reicht, für den Hausgebrauch kochen und backen zu können. In der Gastronomie muss man vor allem schnell sein, große Mengen verarbeiten und dann soll es auch gut aussehen.

Nach und nach treffen die anderen Mitarbeiterinnen des „Dorfmädels“ ein und ich werde freundlich begrüßt. Sie arbeiten zu dritt oder viert in der Küche. Ein eingespieltes Team, in dem jede weiß, was sie zu tun hat. Das ist auch gut so, denn jetzt muss es flott gehen: Das Café ist für den Morgen ausgebucht und die vorbereiteten Teller müssen schnell rausgehen. Darauf sind dann zum Beispiel Gemüsesticks, selbst gemachte Marmeladen, Gurkenfrischkäse und Hummus.
Täglich würden zwischen 20 und 70 Frühstücke zubereitet, wie Claudia Seifert berichtet. Das Café bietet außerdem ein Mittagsgericht und Kaffee und Kuchen an. Vorab einzuschätzen, wie viele Gäste am Tag kommen, sei eine Herausforderung, doch Reservierungen und die Erfahrung würden dabei helfen.
Dreifache Mutter weiß die Arbeitszeiten zu schätzen
Ich kann mich derweil ein bisschen im Café nützlich machen, indem ich helfe, Kissen auf den Sitzplätzen draußen zu verteilen. Steffi Schönemann, die als gelernte Restaurantfachfrau im Service arbeitet, kommt dazu und hilft, die Tische zu putzen und herzurichten. Ihr gefällt das Arbeitsklima im Café: „Ein tolles Team und eine super Chefin“, sagt sie. Sie hat seit der Eröffnung vor einem Jahr beim Aufbau des Betriebs geholfen und freue sich, jetzt zu erleben, wie gut das Café von den Gästen angenommen werde.
Für die dreifache Mutter sind außerdem die Arbeitszeiten ein Vorteil: Ein Tagescafé, das um 17 Uhr schließt, sei viel besser mit der Familie zu vereinbaren als andere Gastronomiebetriebe.
Ohne den Rückhalt ihres Teams mit fünf Festangestellten und zwei Aushilfen, alle in Teilzeit, ginge es nicht, sagt Chefin Claudia Seifert und ist überzeugt: „Ich habe das beste Personal.“ Es denke immer gut mit und sei auch bereit, einzuspringen, wenn Not am „Mädel“ sei. Auch wenn es manchmal stressig werde, bleibe Zeit für ein Gespräch und es werde viel gelacht. Sie sei glücklich, mit dem eigenen Café in ihrer Heimatgemeinde ihren Traum verwirklicht zu haben: „Das ist das, was ich wollte.“
Dabei machen sich laut Institut für Mittelstandsforschung tendenziell weniger Menschen selbstständig: 2020 lag der Anteil der Selbstständigen an allen Erwerbstätigen bei 8,6 Prozent, acht Jahre zuvor waren es noch 10,7 Prozent. Außerdem sind mehr Männer als Frauen selbstständig: Rund 2,4 Millionen der Selbstständigen waren Männer, nur 1,2 Millionen eine Frau wie die Steißlinger Chefin Claudia Seifert.
Schon als Kind gebacken und gekocht
Schon als Kind habe sie gebacken und gekocht und auch immer gerne Gäste bewirtet. An ihrer Selbstständigkeit schätzt sie besonders, dass sie kreativ sein und immer wieder Rezepte variieren und Neues ausprobieren kann. Stolz sei sie darauf, dass fast alle Angebote im „Dorfmädel“ selbst gemacht seien und sie glutenfreie Kuchen und Brötchen anbieten kann, was viele Gäste mit Unverträglichkeit zu schätzen wüssten.

Ein Café zu führen, erfordere aber viel Planung, Vor- und Nachbereitung. Arbeit, die der Gast nicht direkt sieht. „Ich mache jeden Morgen eine Liste und die muss abgearbeitet werden“, erklärt sie. Zusätzlich zum Café-Betrieb muss Buchhaltung, Personalplanung, Einkauf, Tischdekoration, Werbung, der Garten und ab und zu eine Grundreinigung gemacht oder die Fenster geputzt werden.
Anders als bei ihren Angestellten sind ihre Tage deutlich länger als die Öffnungszeiten. Die Unterstützung und das Verständnis ihrer Familie mit drei Kindern sei dafür unabdingbar. Sie habe oft 13- oder 14-Stunden-Tage und sei auch an Ruhetagen im Einsatz. Überlange Arbeitszeiten sind unter Selbstständigen stark verbreitet, wie das Statistische Bundesamt Ende 2022 festgestellt hat: Von den Solo-Selbstständigen arbeiteten 23,1 Prozent mehr als 48 Wochenstunden, von den Selbstständigen mit Beschäftigten waren es 41,8 Prozent. Im Vergleich dazu hatten nur 3,9 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überlange Arbeitstage.
Es sei eine Herausforderung, Selbstständigkeit und Familie unter einen Hut zu bekommen, bestätigt Claudia Seifert, denn die Arbeiten im Hintergrund würden viel Zeit kosten.
Die ersten Gäste stehen schon vor der Tür
Um 9.30 Uhr, als das Café öffnet, stehen schon die ersten Gäste vor der Tür. Claudia Seifert und Steffi Schönemann schauen nochmal kurz in das Buch mit den Reservierungen und überlegen, wer wo sitzen kann. Dann öffnen sie und der eigentliche Betrieb beginnt. Ich habe gelernt, dass es viel Herzblut, Arbeit und Professionalität braucht, um einen solchen Betrieb zu führen – und das weiß ich jetzt als Gast noch viel mehr zu schätzen.