Es war ein Großereignis, das gleich mehrere Gemeinden in Feierlaune versetzte: Vor 25 Jahren, am 8. September 1996, fuhr nach rund 14 Jahren Stillstand wieder der erste Personenzug auf der Bahnstrecke zwischen Radolfzell und Stockach – damals jedoch noch unter dem Namen Seehas, und betrieben von der Mittelthurgaubahn.

Ein Datum für die Geschichtsbücher

1982 war die Verbindung auf der Strecke eingestellt worden. Dass sie wieder reaktiviert wurde, war laut SÜDKURIER-Bericht vom 7. September 1996 zum einen „den technischen Innovationen im Schienenverkehr“, zum anderen aber auch dem „Mut aller Verantwortlichen und vor allem des Kreistages“ zu verdanken.

Dieser habe bereits im Juni 1993, als der Seehas zwischen Konstanz und Engen eingeführt wurde, beschlossen, dass auch die Strecke zwischen Radolfzell und Stockach mit einbezogen werden solle. Und am 17. Juli 1995 fasste der Kreistag den Entschluss, den Auftrag zur Revitalisierung der Strecke zu vergeben. Der SÜDKURIER schrieb dazu euphorisch, das Datum werde „in die Geschichtsbücher des Landkreises eingehen“.

Neue Übergänge und Haltepunkte

Bevor der Bahnverkehr zwischen den beiden Städten wieder aufgenommen werden konnte, musste jedoch einiges vorbereitet werden. Wie aus dem damaligen Zeitungsbericht hervorgeht, standen nicht nur dringende Sanierungsarbeiten am Bahnkörper an, sondern auch die Ausrüstung von acht Bahnübergängen mit automatischen Sicherungsanlagen.

Schon einen Tag vor der Reaktivierung der Strecke kündigte der SÜDKURIER diese groß an.
Schon einen Tag vor der Reaktivierung der Strecke kündigte der SÜDKURIER diese groß an. | Bild: Marinovic, Laura

Zudem wurden an der Strecke vier neue Haltepunkte gebaut: In Radolfzell-Haselbrunn und Stahringen, Stockach-Wahlwies sowie in Nenzingen. Außerdem sei das Linienbus-Konzept auf die neue Bahn abgestimmt worden.

Erste Fahrt um 9.30 Uhr

An einem Sonntag war es dann schließlich soweit: Die Strecke wurde mit der Fahrt eines Sonderzuges sowie umfangreichen Festlichkeiten eröffnet. Pünktlich um 9.30 Uhr begann die Fahrt, musikalisch untermalt von der Eisenbahnkapelle, in Radolfzell.

Der SÜDKURIER berichtete, es hätten sich trotz der frühen Morgenstunde zahlreiche Festgäste am Bahnsteig eingefunden. Eingeheizt wurde ihnen auch von der Guggenmusikgruppe der Yetis aus Stockach. Auch in der Stadt wurde kräftig gefeiert, zudem gab es einen verkaufsoffenen Sonntag. Die Mitfahrt im neuen Zug war zur Feier des Tages kostenlos, vorab wurden laut dem Bericht bis zu 50.000 Pendler erwartet.

Dorffest in Stahringen

Unterwegs machte der erste Zug mit prominenten Gästen wie dem damaligen Landrat Robert Maus an Bord Halt in den Gemeinden entlang der Strecke. Diese hatten sich zu diesem Anlass jeweils besondere Programme einfallen lassen: Die Stahringer etwa stellten laut Artikel vom 9. September 1996 ein Dorffest auf die Beine.

Zu diesem Anlass brachte die Flugsportvereinigung ein komplettes Segelflugzeug auf den Bahnhofsvorplatz, zudem gab es einen Bauernmarkt und der Musikverein trat in voller Besetzung auf. Aber: „Zugfahren war für viele gar nicht drin“, berichtete der SÜDKURIER: „In die vollbesetzten Waggons passte kaum noch jemand hinein.“

Sekt, Brezeln und Äpfel

Auch in Wahlwies war einiges los. Die Musikkapelle spielte auf, die Zugreisenden wurden mit Sekt, Brezeln und Äpfeln begrüßt. Landrat Maus zeigte sich darüber begeistert: „Die Wahlwieser wissen eben, was sich gehört.“ Einen weiteren Höhepunkt verpassten die ersten Mitfahrer – als der Zug sich auf den Weg zur nächsten Station begab, begann in Wahlwies ein Seifenkistenrennen, das der AMC Wahlwies veranstaltete.

An der Haltestelle in Nenzingen schließlich wurde der Seehas mit lauten Böllerschüssen empfangen, doch beim kurzen Zwischenstopp musste Landrat Robert Maus zwei Wermutstropfen vergießen, wie der SÜDKURIER schrieb: „Nicht alle Züge werden in den ersten Wochen Nenzingen im Seehas-Format anlaufen, auch Züge der Thurgau-Bahn müssten in den ersten sechs Woche noch mitlaufen.“ Weiter gebe es „noch einige Schwachstellen bei Bahn und Bussen“, die man aber auszuräumen versuche.

Ein Bäumchen in Stockach

Die letzte Haltestelle war Stockach, dort wurde der offizielle Einweihungsakt für die neue Bahnstrecke mit einer symbolischen Baumpflanzung am Bahnhof abgeschlossen. Auch in der Stadt gab es einen verkaufsoffenen Sonntag sowie verschiedene Programmpunkte. „Auf allen Straßen und Plätzen war etwas los“, berichtete der SÜDKURIER nach dem Tag zu den Feierlichkeiten in Stockach und Radolfzell. Das Einweihungsfest sei „zu einem vollen Erfolg“ geworden.

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Mittlerweile ist die Bahn zwischen Radolfzell und Stockach nicht mehr unter dem Namen Seehas unterwegs, stattdessen wird der Zug nun Seehäsle genannt. Betrieben wird die Strecke auch nicht mehr durch die Mittelthurgaubahn, sondern vom Verkehrsbetrieb Hohenzollerische Landesbahn der Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG).