Gymnasium, Dillhalle, Hallenbad und Realschule – diese Stockacher Gebäude sind Kinder der 1970er-Jahre. Der Platz für die Schüler und das aufstrebende Gymnasium war zuvor zu eng. Es gab schon provisorische Lösungen, doch ein Neubau sollte her.

So fand am 23. August 1970 der erste Spatenstich für das Gymnasium an der Dillstraße statt, das übrigens erst 1983 den Namen Nellenburg-Gymnasium erhielt. Der Überlinger Architekt Wolfgang Lauber gewann einen Architektenwettbewerb mit 34 Teilnehmern.
Der Standort war wegen des sumpfigen Bodens zuerst umstritten, erzählt der frühere Rektor Manfred Schnopp. Es sei der alte Standort der Turngemeinschaft gewesen, wissen die pensionierten Lehrer Hans Terwellen und Eugen Willmann noch.


Es waren laut der Festschrift „100 Jahre höhere Schule“ zunächst 5,95 Millionen DM für die Baukosten veranschlagt, doch 1971 sei von 9,47 Millionen DM die Rede gewesen. Der Bau habe aus technischen Gründen mit dem Hallenbad begonnen.
Schüler zogen Stück für Stück um
Der Einzug verlief in Etappen. „Im Dezember 1972 war das Gymnasium mit allen Klassen bezogen, während im letzten Jahr die Schüler auf vier Gebäude verteilt waren, zwischen denen die Lehrer hin und her pendeln mussten“, fasst die Festschrift zusammen. Physiklehrer Terwellen erzählt: „Wir waren unter den letzten.“ Er selbst habe zum Beispiel eine Vakuumpumpe für den Unterricht mit seinem Privatauto transportiert. Dabei sei das Kunstleder auf dem Rücksitz gerissen. Die Möbel in der neuen Schule seien modern gewesen, doch technische Geräte seien mitgebracht worden.
Terwellen hat den Bau damals nicht mitverfolgt. Er erinnert sich aber noch im Zusammenhang mit der Planung daran, dass der Architekt keine Fenster im naturwissenschaftlichen Bereich einbauen wollte. Diese hatten die meisten dieser Räume dann auch tatsächlich nicht. Ein Gedanke für die innenliegenden, fensterlosen Räume sei damals wohl gewesen, dass diese das Kernstück des Gymnasiums seien, so Schnopp. Es habe dann in manchen Sälen Lichtkuppeln zum Hochfahren gegeben.
Das Schulgebäude habe gute Resonanz gehabt, erinnern sich die Lehrer. „Aber es gab Kritik an den Waschbetonplatten in der Aula“, sagt Terwellen. Im Musiksaal im Erdgeschoss sei es mit dem Boden auch so gewesen, fügt Schnopp hinzu. Insgesamt sei das Gymnasium ein Funktionsbau auf dem neusten Stand gewesen.
Wie der Sportunterricht damals war
Willmann, der Latein und Sport unterrichtet hat, erinnert sich noch, dass die Lateiner das Zimmer ganz oben mit der Nummer 310 hatten. Und der Sportunterricht sei am neuen Standort einfacher gewesen, da der Weg ins Osterholz nah gewesen sei. Sport sei zuvor „eine mittlere Katastrophe“ gewesen, sagt er.
Mit dem Gymnasium wurde auch die Dillhalle für den Sportunterricht gebaut. „Dillhalle und Hallenbad waren für uns ein Wahnsinnsfortschritt“, so Willmann. Die Zahl der Schwimmstunden seien für Grundschule, Realschule und Gymnnasium aber eigentlich zu wenig gewesen. Und in der Dillhalle sei es durch die Realschule dann etwas enger geworden. Der Bau der Jahnhalle kam erst viel später.

Die 70er-Jahre brachten am Gymnasium zahlreiche Entwicklungen. Nach dem ersten Abitur 1968 und dem Einzug 1972 in den Gebäudekomplex wurde das Gymnasium 1973 Versuchsschule für die Oberstufenreform. Im Jahr darauf übernahm Paul Hultsch die Leitung der Schule. Er wurde 1977 verabschiedet. Fritz Grampp hatte 1976/77 kommissarisch die Leitung und 1977 kam Manfred Schnopp nach Stockach. Er blieb bis 1995.
Fünf offene Schulleiterstellen
Der heute 79-Jährige erinnert sich noch, dass damals fünf Schulleiterstellen offen gewesen seien. Er habe sich in Stockach beworben, weil er ursprünglich aus Überlingen stammt. Er weiß auch noch, wie der damalige Bürgermeister Franz Ziwey ihn auf dem Schulhof zum Bewerbungsgespräch abgeholt hat – ein Gespräch, das Ziwey angesetzt hatte, noch ehe Schnopp vom Schulamt informiert worden war. Beide hatten engen Kontakt für die Führung der Schule.
Stockach und Ziwey seien der beste Schulträger gewesen, den sich ein Schulleiter wünschen konnte, so Schnopp. Ziwey habe ihm beim Umzug nach Stockach auch unterstützt und ihm Baugrundstücke gezeigt. Schnopps Amtseinführung war am 17. Mai 1977. In seiner Rede sagte Ziwey, dass das Gymnasium für die gesamte Bevölkerung der Raumschaft wichtig sei. Dem Wunsch der Eltern auf eine gute Schulbildung solle Rechnung getragen werden.
„Die Stadt war mit dem Etat großzügig“, erinnert sich Terwellen. Die Stadt sei auch stolz darauf gewesen, alle Schularten bieten zu können. Zur Realschule, die später in den 70ern gebaut wurde, erzählt er, dass es an der Realschule ein Rauchverbot gegeben habe. Manche Schüler von dort hätten sich in den Pausen unter den rauchenden Gymnasiasten der Oberstufe versteckt.
Am Gymnasium selbst rauchten anfangs Lehrer in den Konferenzen. „Es gab aber nie eine Kontroverse darum und es hat sich von selbst erledigt“, sagt Schnopp.

Noch keine Abifeiern in den 70ern
Schnopp erzählt, er habe 1978 sein erstes Abitur verantwortet. „Damals gab es noch keine Abifeiern. Die Schüler haben einfach ihre Zeugnisse abgeholt.“ Er habe dann versucht, soetwas zu etablieren. Es habe ein Treffen in der Linde gegeben, doch nicht alle Abiturienten seien gekommen. Erst Anfang der 1980er-Jahre fanden richtige Feiern statt.
In den 70ern gab es auch noch weitere Entwicklungen und Neuerungen am Gymnasium: Es gab die Einführung einer Russisch-AG und bereits 1970 startete der Schüleraustausch mit La Roche sur Foron in Frankreich. Französisch wurde am Gymnasium 1978 erste Fremdsprache als Alternative zu Englisch. Es gründete sich ein Schulorchester und Theateraufführung starteten. Zwischen 1970 und 1979 machten 221 Schüler das Abitur.
Gedächtnis der Region
- Unsere Serie: In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 70er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Alle Folgen der Serie im Internet: http://www.suedkurier.de/geschichte
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