Nur 20 Zuhörer kamen, dabei betrifft das Thema viele Menschen mehr im Raum Stockach: Auf Einladung des Ortsverbands Raum Stockach von Bündnis 90/Die Grünen ging es im Bürgerhaus Adler Post in Stockach um nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum. Dabei sprach Matthias Gastel, seit über zehn Jahren Mitglied des Bundestags für die Grünen. An Praxisbeispielen zeigte er, wie sich die Verkehrswende im ländlichen Raum aktiv vorantreiben lässt, um die Abhängigkeit vom eigenen Auto zu verringern und klimafreundliche Alternativen voranzubringen.

Anschließend berichtete Ralf Derwing, aktiv in der Initiative Bodensee-S-Bahn und als Beiratsmitglied im Förderverein Ablachtalbahn, über die aktuelle Entwicklung der Bahnlinie.

Wie gelingt Verkehrswende im ländlichen Raum?

Matthias Gastel skizzierte die Lage bei der Verkehrswende so: Auf dem Land hätten die Menschen längere Wege zur Arbeit, zur Ausbildung, zum Einkaufen oder in der Freizeit. Die Nahversorgung sei schlechter als in Ballungsräumen und der Schulbus oft der einzige öffentliche Personennahverkehr. Der fehle aber am Wochenende und in den Ferien. Die Folge: „Es gibt mehr Autos pro 1000 Einwohner als in der Stadt. Selbst Leute, die guten Willens sind, sehen sich genötigt, ein Auto zu haben. Davon wollen wir wegkommen.“

Der Politiker, der im Bundestag in den Ausschüssen für Verkehr und Tourismus sitzt, verwies auf unterschiedliche Beispiele. Er nannte den „3er-Ringzug“, ein Nahverkehrsprojekt der Landkreise Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen, mit Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken und mit Bussen als Zubringer.

Auch die wiederbelebte Schönbuchbahn bei Stuttgart sei eine Erfolgsgeschichte. Sie fahre heute im Viertelstundentakt und die Bahnsteige seien zur Aufnahme längerer Züge verlängert worden.

Regiobuslinie von Stockach nach Tuttlingen Thema

Gastel sprach über bessere Bedingungen für Elektrifizierung und Reaktivierung von Bahnlinien: Die Mittel vom Bund für Infrastrukturmaßnahmen der Länder und Kommunen wurden und würden erheblich erhöht. Auch der Fördersatz des Bundes sei erhöht worden. Und dank der Bewertungsmethodik im standardisierten Verfahren hätten jetzt auch ländliche Projekte die Chance auf Förderung.

Regiobusse ergänzen Lücken im Schienennetz. Gastel nannte die Linien 500 (Sigmaringen – Überlingen), 600 (Sigmaringen – Meßkirch) und 800 (Bad Saulgau – Pfullendorf). Dagegen sei die Linie 103 (Stockach – Tuttlingen) „vielleicht eine Erfahrung, die man auf dem Weg zu besserem Angebot sammeln musste“. Die Anwesenden waren sich einig, dass diese Strecke prädestiniert für einen Regiobus wäre.

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Gastel stellte auch flexible Bedienformen mit Bürgerbus, Bürgerrufauto, Fahrgemeinschaften und Carsharing vor. Im Tourismusgebiet seien außerdem Gästekarten mit integrierter Nutzung des ÖPNV ein großer Gewinn. Schließlich sprach er mobile Bankfilialen und Arztpraxen an, die in die Orte kommen.

Fortführung des Seehäsle nach Norden?

Die Grünen setzen sich laut Gastel schon lange für die Ablachtalbahn ein. Auch Ralf Derwing drückte seine Freude darüber aus, dass der Stockacher Gemeinderat der Beschrankung der Bahnübergänge in Hindelwangen zugestimmt hat und sprach über die gewünschte Wiederaufnahme des Regel-ÖPNVs in Richtung Mengen. „Wir wollen, dass man das, was der Seehas nach Süden darstellt, nach Norden weiterführt“, sagte er.

Viele Bahnübergänge seien allerdings technisch auf dem Stand der vorigen Jahrhundertwende. „In dem Moment, wo moderne Schranken installiert sind, entfallen Pfeifen und Geschwindigkeitsbeschränkung der Züge“, so Derwing.

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Untersuchungen hätten gezeigt, dass es viel Potenzial für den regelmäßigen Verkehr von Stockach nach Mengen gebe. Jetzt seien die Kommunen gefragt. Und jetzt werde entschieden, wo welcher Zug wie lange hält. „Mühlingen will später einen Bahnhof, das zeigen sie jetzt an“, sagte er.

Kommunen müssen Interessen an Bahnhalten zeigen

Er bedauerte, dass aus Zizenhausen und Hoppetenzell bisher keine offizielle Interessensbekundung kam, dabei sein zu wollen. „Stuttgart will Verlässlichkeit, die Bürgermeister sind aktiv. Hier gab es bislang ein freundliches Desinteresse von Herrn Stolz, aber das wandelt sich gerade. Wir wollen mitmischen“, erklärte er. Wenn aber aus den Ortschaftsräten nichts käme, fahre der Zug durch diese Orte später ohne Halt durch.

Der Bahnexperte berichtete zudem, dass der Kreistag die Neukonzeption der Stellwerke Stahringen bis Stockach plane. Für diesen Abschnitt gebe es 50 Prozent Förderung, mit der Ablachtalbahn wären es 90 Prozent. Man müsse von Radolfzell bis Mengen denken, entlang der Bahnstrecke sei eine Entscheidung immer für alle wichtig. „Wenn der Landkreis Konstanz die Strecke nicht einplant, fehlt vielleicht später in Stockach ein Bahnsteig“, so Derwing.

Zuhörer berichten von Vorhaben

Die Zuhörer kamen auf einige der Themen zurück. Alice Engelhardt erzählte von der Initiative Bürgerbus, für die sich Bund, Umweltzentrum und einige Bürger einsetzen. Auch Bürgermeisterin Susen Katter unterstütze diese Idee, wolle aber, dass alle Ortsteile von dem Angebot profitieren. Fahrzeiten von Seelfingen bis Raithaslach könnten Ehrenamtliche allerdings nicht abdecken, die Ortsteile trennen 15 Kilometer.

„Ohne feste Linie kann man mit weniger Personal mehr abdecken und die Leute bedienen, wenn sie es brauchen. Falls wir es machen, dann als Anforderungsverkehr“, sagte sie. So könnten auch die Teilorte einbezogen werden. Vom Land gebe es dafür schon eine App, mit der man eine Fahrt am Vortag oder als Dauerbestellung anmelden könne.

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Peter Alexander wies auf die Pendla-App hin. Die Stadt Stockach habe die Dienstleistung übernommen, der Landkreis später auch. Außerdem erwähnte er das Carsharing Auto in Wahlwies. Zwei weitere Fahrzeuge für Stockach sind geplant. Das Angebot könne dazu beitragen, vom Zweitauto wegzukommen.