Vor dem Stockacher Amtsgericht wurde jüngst ein Fall verhandelt, in dem auch am Ende unklar bleibt, wer sich wem gegenüber falsch verhalten hat. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen eine erst 21-jährige Frau aus Stockach lautete Betrug. Sie soll im Juli vergangenen Jahres eine 350 Euro teure Taxifahrt von Freiburg nach Karlsruhe nicht vollständig bezahlt haben und stattdessen nach Fahrtende abgehauen sein.

Doch in der Verhandlung zeigte sich: Hinter dem Fall steckt mehr. Wer hat hier wen betrogen? Und gab es sogar einen sexuellen Übergriff des Fahrers?

Gleich zwei Anzeigen am ersten Tag in Deutschland

Denn die 21-jährige Frau aus Guinea erklärte Mithilfe einer Französisch-Dolmetscherin, der Tattag sei ihr erster Tag in Deutschland gewesen. Sie sei mit dem Zug angekommen, habe nicht gewusst, wo sie ist, wie alles funktioniert und wohin sie musste. Sie habe sich am Freiburger Bahnhof daher den Weg zur Polizei zeigen lassen. Dort habe sie einerseits eine Anzeige wegen illegaler Einreise erhalten, aber ihr sei auch ein Taxi zu einer Unterkunft gerufen worden, wofür sie 20 Euro bezahlt habe.

An der Unterkunft sei sie allerdings abgewiesen worden, da diese nur für Männer sei. Ausgestattet mit einem Zettel mit der Adresse einer anderen Unterkunft in Karlsruhe und einem Zugticket dorthin, von dem sie allerdings nichts gewusst habe, sei zurück zum Bahnhof gelaufen. Dort habe sie die Adresse einem zweiten Taxifahrer gezeigt – der sie mitnahm und später anzeigte.

Angeklagte beschuldigt Taxifahrer sexueller Übergriffe

Die Angeklagte sagte aus, der Mann habe ihr auf Englisch versprochen, sie für 25 Euro zur Adresse auf ihrem Zettel zu fahren. Wie weit entfernt diese war, habe sie nicht verstanden. Auf der Fahrt habe der Fahrer sie dann aber plötzlich mehrfach bedrängt, ihr an den Oberschenkel gefasst und ihr geraten, mit zu ihm anstatt in die Unterkunft zu kommen. Er würde sich um sie und ein mögliches Kind gut kümmern.

Die 21-Jährige berichtete weiter, sie habe all diese Angebot abgelehnt und zur Unterkunft gewollt. „Ich hatte Angst während der Fahrt“, sagte sie aus. In Karlsruhe angekommen habe der Fahrer dann aber plötzlich 250 Euro verlangt – als Strafe für ihr Nein, behauptete die Angeklagte im Gericht. Sie habe aber nur 50 Euro bezahlen können und ihm diese gegeben. Hätte sie gewusst, wie teuer die Fahrt wird, wäre sie niemals eingestiegen.

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Missverständnis oder Betrug?

Richterin Rebecca Jenike vermutete zunächst ein Missverständnis über den Preis bei Fahrtbeginn wegen der Sprachprobleme. Doch dem war nicht so. Denn der Taxifahrer erklärte in seiner Aussage, er habe direkt zu Fahrtbeginn deutlich gemacht, dass es für einen Fixpreis von sogar 350 Euro nach Karlsruhe geht. Die Angeklagte habe dies auch verstanden und versprochen, das bei Fahrtende bezahlen zu können.

Dass sie ein gültiges Zugticket für gleiche Strecke bei sich hatte, habe er gesehen, aber ignoriert. Ein Verhalten, das Verteidiger Thomas Neinhaus angesichts des Ausnutzens seiner damals hilflosen Mandantin kurzzeitig in Rage versetzte. Er könne bei seiner Mandantin keinerlei Betrugsabsicht erkennen, eher bei dem Zeugen.

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Angeklagte kommt mit Verwarnung davon

Seine vermeintlichen sexuellen Avancen gegenüber der 21-Jährigen während der Fahrt stritt der Taxifahrer im Gericht hingegen ab, wirkte dabei aber nicht besonders glaubwürdig auf die Beteiligten. Der Mann berichtete weiter, in Karlsruhe habe die junge Frau ihm lediglich 50 Euro und ihr Mobiltelefon gegeben, habe versprochen den Rest aufzutreiben und sich dann wieder zu melden. Da er daran gezweifelt habe, sei er zur Polizei gegangen und habe sie angezeigt.

Überzeugen konnte der Zeuge Richterin Rebecca Jenike mit seinem Ausführungen jedoch nicht. Angesichts der widersprüchlichen Aussagen, der hilflosen Situation der Angeklagten am Tattag sowie der fehlenden Betrugsabsicht waren sich Verteidiger Thomas Neinhaus, die Staatsanwaltschaft und Jenike am Ende einig, dass ein Betrug nicht nachweisbar sei.

Jenike beließ es daher bei einer Verwarnung für die 21-Jährige. Sie muss nun bis Ende Juli 100 Euro als Auflage an das Radolfzeller Tierheim spenden.